Dead Gang Walking, die Königin der Nacht und Seb ohne Handy

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 551

Armin Thurnher
am 19.10.2021

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Kürzlich war Live-Debatte im Nationalrat, und ich schaute mir das Ganze aufmerksam an. Ich sammle ja Szenen, Wortfetzen und Bilder für meine Operette, um sie dort endgültig aus dem Zusammenhang zu reißen, sodass die Gerissenen dieses Landes sich selber wiedererkennen in diesem schrecklichen Zerrbild, das keine Rücksicht darauf nimmt, dass die Mitglieder der inneren Familie auch Familienmitglieder haben.

Screenshot @ ORF

KÖNIGIN DER NACHT: Und da stehen schon Menschen im Hintergrund, das sind alles Personen, Menschen mit Familien!

So rief sie, Ellie Köstinger, die dunkle Königin des geheimnisvollen Inneren Kreises, und fuhr fort:

KÖNIGIN DER NACHT: Es gibt einen inneren Kreis, die sehr vertraut miteinander sind. Da bin auch ich Bestandteil davon. Ein Thomas Schmid war es nicht und ist es nicht.

Und es blitzte und donnerte und die Bühne verfinstere sich wie ihr Antlitz, wenn Matthias Strolz sprach.

MATTHIAS STROLZ: Werfen Sie ihn nicht vor den Bus!

Was ist Wahrheit? Was können wir glauben? Wohin sollen wir uns wenden? In dieser Sendung eröffnete uns der Beinahe-Politpartner des Sebastian Kurz, ebendieser Strolz, er habe seine Partnerschaft mit Kurz abgebrochen, weil dieser ihm erklärt habe, er habe überhaupt kein Problem damit, zu lügen.

Kurz und Köstinger kennen Thomas Schmid, den Erfinder und einzigen Teilnehmer der Chats, den König des Auto-Chats, nur vom Hörensagen.

Wir können annehmen, dass die Herrschaftstechnik des Lügens, bis sich die Balken biegen, beim inneren Kreis um Kurz das Weber’sche Bohren dicker Bretter mit Geduld als politisches Handlungsanleitung ersetzten, und glauben denen Inneren fortan nichts mehr, nicht einmal ein Sterbenswörtchen.

Wir befinden uns in einer magischen Operette, und alles ist so verwunschen, dass wir nicht wissen können, ob das Lied, das wir in allen Dingen hören, nun die Wahrheit ist oder eine Lüge oder bloß eine erneute Unverschämtheit.

KÖNIGIN DER NACHT: Dass da Nachrichten geschrieben worden sind, das ist äußerst unangenehm. Sebastian Kurz selber hat sich auch schon für die Nachrichten, die er selber geschrieben hat, entschuldigt. Aber es wird mittlerweile alles miteinander vermischt. Das, was Personen untereinander geschrieben haben, wird ihm jetzt zugerechnet und das ist mehr als unfair. Und das Zweite ist alles das, was strafrechtlich im Raum steht. Für jeden Menschen in dieser Republik gilt die Unschuldsvermutung.

Nur für einen nicht, wir wissen es. ER hat es uns selbst gesagt, und die Inneren, die von der Gang, wiederholen das jetzt ad nauseam. Dead Gang Walking ist übrigens eine auf Twitter verfeinerte Idee. Zuerst schrieb ich Dead Group Walking, was aber klanglich und sachlich nicht so gut war. Ebenso wenig gefiel mir Dead Posse Walking, das ein anderer vorschlug. „Posse“ war mir zu modisch und klanglich zu weit weg. „Gang“ hat den rechten Klang, den Anklang an „Man“ und das rechte Maß an Verschwörertum, das solche Innereien brauchen, die sehr vertraut miteinander sind.

 – DEAD GANG WALKING –

Sieht doch gut aus.

KÖNIGIN DER NACHT: Das, was zurzeit an, zum Teil auch wirklich medialer Hetze, passiert, wie stark immer wieder einzelne Chats an die Medien geleaked werden und das gesamte System, das sich fast wirklich überhitzt hat…

Eines kann man in der sich aufheizenden Verhetzung aller Hitzer kühl festhalten: wenn die Dead Gang Walking wortgleich die nämlichen Formulierungen strapaziert, ist das noch kein Beweis für die Wahrheit ihrer Behauptungen. Das alles ist vollkommen klar. Extrem klar. Das wird Tag für Tag abgearbeitet und darüber bin ich sehr froh. Danke.

Um Wahrheit kann es also nicht gehen, in der magischen Operette schon gar nicht. Es geht nur darum, den Anschein von Wahrscheinlichkeit zurückzugewinnen. Die Königin der Nacht ließ ihre magische Miene spielen, süffisant machte sich ihr Lächeln über den alten Alpenkönig Franz Fischler lustig, den sie versuchte, in einen Menschenfeind umzuhexen. Trauer über all den Hass und all die Hetze drückte es aus, wenn sie Strolz ansah, welcher sprach:

STROLZ : Ellie, es ist vorbei.

Screenshot @ ORF

Und Ellie lächelte weiter.

KÖNIGIN DER NACHT: Die Partei steht geschlossen, aber natürlich – und das ist vollkommen klar – war das ein sehr tiefer Einschnitt, hat für sehr viel Verunsicherung gesorgt und hat zum Teil auch natürlich für Ratlosigkeit gesorgt, wie es jetzt weitergeht. Nur: Sebastian Kurz und das gesamte Team der Volkspartei, vor allem jetzt geprägt auch in der Regierungsarbeit in den letzten eineinhalb Jahren, hat schon eine klare Vision und einen klaren Anspruch, dieses Land zu gestalten. Das findet sich im Regierungsprogramm fest und das ist ja jetzt auch Tag für Tag abgearbeitet worden und genau das wollen wir auch weiter tun.

Ich aber beobachtete weiter, und zwar das Verhalten des beiseite getretenen nunmehrigen Altaltkanzlers im Nationalrat. Da dieses auch die Kameraleute des öffentlich-rechtlichen Rundfunks interessierte, kann ich folgendes berichten. Fast die ganze Zeit der Beobachtung hindurch, und das waren doch an die sechs Stunden, saß Sebastian Kurz aufrecht auf seinem Sessel. Er wankte nicht, er schwankte nicht. Es war eine Ausdauerleistung, eines Yogi oder eines Ausdauersportlers würdig. Er bewegte sich nicht. Seinen Gesichtsausdruck kontrollierte er ebenso wie seine Körperhaltung. Kein Lächeln huschte über seine Miene, sie war nicht bitter, sie war nicht traurig, nur unendliches Unrecht schien aus ihr zu sprechen, die Namenlosigkeit eines Unrechts, das zu benennen die fleißigen Rednerinnen und Redner, die er mit vollem Gleichmut anhörte, nicht einmal annähernd fähig gewesen wären.

Einmal trat er selbst ans Rednerpult und sagte Belanglosigkeiten, die auch ein Neu- oder Frischkanzler hätte sagen können, nichts, was ein Wässerchen trüben oder ihn als das Zentrum jener finsteren Machenschaften erscheinen hätte lassen können, von denen die Staatsanwaltschaft behauptet, sie seien seinetwegen unternommen worden. Er verkörperte vollendet die verfolgte Unschuld, aber zugleich einen Willen, jene zu verfolgen, die ihn zu Unrecht verfolgen. ER hatte sich als Opfer dargebracht, aber er war weit davon entfernt, das Opfer zu spielen. Er hat das Beil des Opferers unter der Bank, aber er zeigte es nicht.

Aufrecht saß er da, nicht rechts, nicht links blickend. Ab und zu, sparsam und selten, strich er mit der Hand über das prachtvoll gegroomte Haupthaar. Ab und zu, verstohlen und diskret, blickte er auf sein Handy und tippte ein wenig, nur einzelne Kürzel, Hieroglyphen des Guten, und schon steckte er das Handy wieder ein, den Köper dabei nicht bewegend, auch das ein physische Leistung, trainiert, als habe er das Handy gar nicht dabei, als sei er nicht handysüchtig, als signalisiere das Handy nicht jenes Böse, das da heißet Chats, Chats, Chats.

Und würdig sah er vor sich hin, unerschüttert durch Anbeterinnen und Anbeter, die sich zu ihm gesellten und ihn in ein Pläuschchen verwickeln wollten. Nur nicht lächeln, nur nicht grinsen, nur nicht den Laschet machen.

Ah, und wie es gelang. Es war eine staatsschauspielerische Leistung, die Vorstellung einer Verstellung, selbstdiszipliniert und leadershippisch, athletisch in jeder Hinsicht, der magischen Staatsoperette würdig wie nur je eine Performance. Perfekt.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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