Ich bin froh, er ist froh. Ich bin froh, ich bin froh, ich bin froh.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 540

Armin Thurnher
am 06.10.2021

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Wenn ich in der Früh das Radio aufdrehe, bin ich froh, dass der Kanzler froh ist. Er ist immer über irgend etwas froh, über einen Nichtbeschluss der europäischen Union, über eine Steuerreform, die hauptsächlich dadurch auffällt, dass sie die schöne alte Spaltung aus Zeiten des bewaffneten Bürgerkriegs wiederbelebt, schwarzes Land gegen rotes Wien. Er ist froh, wenn er von einem Richter sechs Stunden lang vernommen wird, und er ist froh, wenn er in einer Kolumne so oft vorkommt wie in dieser.

Ich wiederum bin froh, dass es ihn gibt. Es ist die gebrochene Freude des Publizisten über das Objekt, das ihn bewegt, im Brot hält und nährt, aber zugleich nicht freut. Freudloser Frohsinn, das ist mein Reflex, wenn ich die regierenden Froh-Brüder und -Schwestern am Werk sehe und höre.

Ganz nebenbei, als Freund der ZiB 1 möchte ich Ihnen eine Beobachtung nicht vorenthalten. Die Art, in der die Moderatorin Nadja Bernhard neuerdings sagt: „Meine Damen und Herren, guten Abend“, erinnert mich in Wortstellung und Klang an jene historische Szene auf dem Petersplatz, da ein argentinischer Kardinal die Vorhänge des Balkons auseinanderschob, und, als würden ihn nicht die Kameras für die ganze Welt beobachten, ganz gelassen und doch würdevoll sagte: „Fratelli e sorelle, buonasera!“ Genauso klingt es in meinen Ohren, wenn Nadja Bernhard mich begrüßt, nur dass sie keinen Vorhang auseinanderschiebt, ehe sie es tut. Vielleicht eine dramaturgische Anregung.

Solcher Gleichklang macht mich froh.

Es ist ein Ozean von Frohsinn, der in meinem Ohr musiziert. Entlastung, Leichtigkeit, Glanz und Heiterkeit, nur so können sie klingen: froh. Der Grimm, das ultimative Wörterbuch, weiß es, froh reicht ans Freie, ja ans Göttliche heran. „Götternamen wie Freyr und Freya zeigen es“.

Froh sein kann alles, der Sieg, der Wein, der Sommer, ein liebliches Tal. „Und meine Nieren sind froh, wenn deine Lippen reden, was recht ist“, heißt es in den biblischen Sprüchen Salomons. Man kann nur froh sein, solche Führer zu haben, die reden, was recht ist, weil sie tun, was recht ist.

Fakt ist, sagt hingegen Finanzminister Gernot Blümel, den neuerdings etwas Welkes umweht, aber Fakt ist, dass er froh ist, diese Wendung gefunden zu haben, denn Fakt ist natürlich nicht, was Tatsache ist, sondern das, wovon er behauptet, es sei eine Tatsache. Froh sind wir, den Unterschied zu erkennen, weniger froh, wenn wir die Folgen ausbaden. Tatsache ist, dass der Gesundheitskassa Beiträge entzogen werden. Fakt ist, dass sie ihr ersetzt werden. Wir werden schon sehen, wo unser Gesundheitssystem bleibt, die Pandemie ist ja schon lang beendet, und es kommt auch nie mehr eine wieder. Da sind wir aber froh.

Am Tage, da dieses Regime endet, es wird noch Jahre währen bis dahin, aber das hat man schon von anderen gesagt, an diesem Tag werden wir die Bibel zitieren und sagen: „Wien ward froh, dass sie auszogen.“

Ich ward froh, als Wolfgang Sobotka nach Auschwitz auszog, um die neue österreichische Ausstellung zu eröffnen, weil er dadurch nicht da war und seine Presseaussendungen auf dieses Ereignis konzentrierte, was den üblichen aufschneiderischen Ton angemessenerweise dämpfte.

Es gibt auch eine Verbindung von „froh“ und „Frau“. In der Politik heißt der Bewies dafür Köstinger. Der Grimm bleibt hier ambivalent. Einleitend bestreitet er jede Verbindung, im Artikel räumt er dann ihre Möglichkeit ein und erklärt, manche Äußerung der alten Dichter ließe sich darauf beziehen: „Dër Frowen was ër vil frô“. Ein schöner Satz, den glückliche Menschen am Ende ihres Lebens vielleicht in ihre Bilanz nehmen dürfen, wenn sie es nicht mit Goethe halten, der den glücklich preist, dem „mit einem Freund, an einer Liebsten froh“ zu sein zu genügt, wobei uns ein kleiner Akzent die Betonung weist: éinem und éiner steht da, damit kein Missverständnis aufkommt.

Ich preise den Bundeskanzler, dessen Vokabular mit éinem Adjektiv auskommt. Es ist ein Geheimnis erfolgreicher Massenkommunikation, diese sparsam zu halten. In diesem Sinn hätte ich auch einen Soundtrack dazu. I’m glad von The Cream fällt ebenfalls durch repetitive Selbstbeschränkung auf. I’ m so glad I’ m so glad I’m glad I’m glad I’m glad. Zwar nicht gerade im Kurz’schen Gestus vorgetragen von Jack Bruce, aber da sieht man, zu welchen Höhen uns der Fortschritt führt.

Auch ein Koalitionsmotto hat der Grimm, vom Dichter C. F. Bürger, passenderweise aus dessen Buch „Die Blumensprache. Ein Buch der Liebe und Freundschaft“:

Hier treiben wirs, wie froh und frei,

uns fesselt kein verwünschter Dritter.

Ja, wir sind froh, dass wir uns nicht über Jamaika oder die Ampel den Kopf zerbrechen müssen, dass wir unsere Klientel bedienen, während jenen Grünen die ihrige verweht wie ihre vielgestaltige Rede, die das Publikum umwabert wie lose im Wind treibende Spinnweben.

Wie soll man als Kanzler dieses frohen Bundes nicht froh sein?

Ich hingegen, der ich das täglich aufschreiben muss, ich werde meines Lebens kaum mehr froh.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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