Holz schlichten. ORF-Streit schlichten. Mitnichten. Der kluge Kater fragt nach

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 522

Armin Thurnher
am 16.09.2021

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Ich: Das Holzschlichten hat dir nicht viel Freude gemacht, was?

Kater: Ich bin froh, dass das viele Holz endlich in der Hütte ist. Zuviel Unruhe, zuviel Aufregung. Zu viel Konzentration auf Dinge, die nicht wichtig sind. Ich habe es noch jeden Winter warm gehabt, was machst du immer so ein Aufsehen? Außerdem bist du vielleicht ganz gut im Holz schlichten. Aber im Streit schlichten…

Ich: Du spielst darauf an, dass der ORF-Landesdirektor Markus Klement in Vorarlberg heute wieder ernannt wird.

Kater: Genau. Typisch Du. Du hast einen Bericht geschrieben, der nichts bewirkt hat, und hast doch das Gefühl, etwas getan zu haben.

Ich: Du bist nicht ganz gerecht. Die Vorarlberger Nachrichten haben berichtet, ein APA-Bericht wurde von anderen Tageszeitungen aufgegriffen, sogar die Kronen Zeitung Vorarlberg hat die Sache erwähnt.

Kater: Okay, das hast du mit deiner Seuchenkolumne bewirkt. Ihr Journalisten glaubt, ihr hättet was getan, wenn ihr andere Journalisten dazu bewegt, auch etwas zu tun, was nichts zur Sache tut. Eine wahrlich stolze Bilanz, gratuliere.

Ich: Danke für den Hohn.

Kater: Und, was passiert wirklich? Die ORF-Zentralbetriebsrätin Christina Jankovics wird wieder gegen Klement stimmen, und der neue Generaldirektor Weißmann wird ihn dem Stiftungsrat zur Ernennung vorschlagen, und er wird ernannt.

Ich: Es wäre ein bisschen viel gewesen, von einer einzigen Seuchenkolumne zu erwarten, die Indolenz von zwei ORF-Generaldirektoren und eines Landeshauptmanns zurückzudrängen, der zu Klement steht, egal ob ein paar „Pritschn und Trutschn“, wie ein früherer Generaldirektor sie genannt hätte, flennend zum Redaktions- und Betriebsrat rennen.

Kater: Obacht aufs Maul! Die Zeiten von Machos wie Gerd Bacher und auch dir, mein Freund, sind vorbei. Du bist ja nicht einmal ein Fall für MeToo. Und der ORF wird jetzt jünger und weiblicher.

Ich: Ob du es glaubst oder nicht, die Zustände im ORF-Studio Vorarlberg haben mich wirklich entsetzt, als ich davon erfuhr. In Vorarlberg wusste das natürlich jeder, der es wissen wollte, außer dem Landeshauptmann.

Kater: Jetzt tun sie alle überrascht. Aber es soll ja doch Maßnahmen geben.

Ich: Ja, eventuell eine neue Chefredakteurin. Lassen sie halt einen anderen Menschen über die Klinge springen, Symbolpolitik wohin man schaut. Die Vorwürfe, das Landesstudio Vorarlberg habe durch die segensreiche Tätigkeit seines Direktors auch journalistisch abgewirtschaftet, wurden naturgemäß nicht einmal erwähnt.

Kater: Gehört Journalismus zu den Kernaufgaben einer Führungspersönlichkeit im ORF?

Ich: Wäre ich ORF-Journalist, würde ich zitieren, was Josef Weinheber angeblich zu Joseph Goebbels sagte, als der ihn fragte, was er für die Deutsche Kunst in der Ostmark tun könne.

Kater: Ich weiß, das zitierst du ja gern: „In Ruah lossn.“ Und das Führungsseminar für Markus Klement, nach fast zehn Jahren im Amt offenbar noch „Führungspersönlichkeit in the making“?

Ich: Wird einschlagen wie eine Bombe. Die neue Führungspersönlichkeit des Küniglbergs setzt offenbar auf Team-Building und wird Klement ein einschlägiges Seminar verordnen.

Kater: Dass solche Seminare oft Wunder wirken, konnten wir an ÖFB-Teamchef Franco Foda beobachten.

Ich: Wusste nicht, dass du dich für Fußball interessiert!

Kater: Das Fernsehen hat den Sport ruiniert, spätestens seit Einführung der Konferenz ist er auch als Publikumsereignis kaputt. Da halte ich mich halt an das Drumherum. Jedenfalls musste Fußball-Teamchef Foda auch so ein Seminar machen und kassierte danach eine Niederlage nach der anderen.

Ich: Das muss ein Team-Smashing-Seminar gewesen sein. Das Team und sein Chef, darüber werde ich mich ein andermal äußern. Hier gibt es so viele populäre Irrtümer zu beseitigen, dass man sich damit ganz schön unpopulär machen kann.

Kater: Unpopularität ist offenbar die einzige Form von die Popularität, die dich wirklich interessiert.

Ich: Die einzige, für die man sich nicht genieren muss. Unpopularität ist die Popularität bei denen, auf die es einem ankommt.

Kater: Du kannst dir auch alles zurechtreden. Glaubst du, wird sich der neue ORF-Chef Roland Weißmann selbst ein Team-Building-Seminar verordnen? Gemeinsam mit Armin Wolf auf Seilen Schluchten überqueren, mit Dieter Bornemann in Eiswasser baden, mit Ingrid Thurnher Ziegel mit der Handkante spalten und danach im Pulk am Lagerfeuer kuscheln?

Ich: Keine Ahnung. Angeblich holt er den Kronjuristen von Gerald Fleischmann, dem Medienbeauftragten des Türkisen Kanzlers, in den ORF. Die Funktion des Generalsekretärs soll wieder aufleben.

Kater: Das sind doch nur Gerüchte. Allerdings würde die wenig demokratische Struktur eines Bevollmächtigten, der gleichsam über die Spitzenbeamten hinweg regiert, wie es in den Ministerien üblich ist, gut zu Türkis passen. Gleichsam der verlängerte Arm des messagekontrollierenden Kanzleramts im Informationsministerium ORF.

Ich: Wir werden uns noch wundern, was alles möglich ist.

Kater: Habe ich deine Passage also doch richtig verstanden, dass du Holzschlichten so magst, weil du beim Holzschlichten an nichts denkst als an Holzschlichten. Weißt du übrigens, woran ich meistens denke?

Ich: Keine Ahnung.

Kater: Also bitte, ein Doserl Lachs und Forelle in Sauce wären nach einem derart mühsamen Dialog durchaus angemessen.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!