Es wird von Tag zu Tag schwerer erträglich: Sobo is back
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 513
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Ich habe einmal ein ganzes Buch geschrieben, das längst aktualisiert werden müsste, weil es ständig von der Realität überholt wird. Die Realität ist diesbezüglich kreativer als die munterste Erfindungskraft, und einer ihrer Daniel Düsentriebe sitzt als Präsident im Parlament. Das Buch hieß „Republik ohne Würde“, und der würdeloseste aller Präsidenten heißt Wolfgang Sobotka.
Wie schön war der sobotkafreie Sommer, wie würdelos platzte dieser Würdenträger in den politischen Herbstbeginn. Das Wort Würdenträger ist in seinem Fall ausnahmsweise am Platz, denn ich trage schwer an seiner verlorenen Würde. Sie hängt an mir wie ein Rücksack voller Mühlsteine.
Diese Kolumne verzeichnet ja Seuchen aller Art, und die Seuche der parlamentarischen Entwürdigung, der Entmächtigung der Parlamente, der Verachtung von Volkssouveränität findet im Herrn aus Waidhofen (Ybbs) ihren angemessenen Exponenten. Jeder seine Auftritte, sei es als befangener Ausschusspräsident oder als frecher Akteur des Kurzismus legt einen neuen Wackerstein in meinen Rucksack.
Sobotka platzte übrigens wirklich zurück auf die Szene, denn er war sich nicht zu blöd, einen geplatzten Reifen an seinem Wohnmobil als Entrée in seine schlechte Presse zu benützen. Naturgemäß ließ er er Pannenhelfer rufen, und nicht naturgemäß, weil das Parlament als Pfründe seiner Selbstherrlichkeit behandelnd, lud er die Pannenhelfer, die vermutlich zähneknirschend beim Wichtigtuer ihre Pflicht absolvierten und froh waren, als sie zum nächsten Einsatz gerufen wurden, ins Parlament, als wäre dieses sein höchst privater Verfügungs- und Vergnügungsbereich und nicht unser aller öffentlicher Repräsentationsraum.
Das Wort Reifenplatzer meint in Österreich stets den Reifen. Hier kann man es durchaus einmal auf den Fahrer beziehen. Ein Reifenplatzer, dieser Präsidentenpatzer.
Die nächste öffentliche Erscheinung des Sobotkismus war eine Privatführung für Erwin Pröll durch das Parlament, als dessen Bauherr, Baumeister, demnächst auch Architekt sich Sobotka geriert, vor das er sich mit ausholenden Gesten für die Fotografen stellt und das er als privaten Innenraum für allerlei Gebete und als privaten Außenraum für allerlei private Propaganda missbraucht.
Das alles mag noch angehen. Nein, es mag nicht angehen, es geht nicht. Er tut es trotzdem. Er zieht diese Mischung aus stolzer Prahlerei, die immer zugleich strauchelt, unverdrossen durch. Nach dem Pröllbesuch strauchelte er in einen Bürobesuch des Kurier – es ist in der Regel der Kurier, der sich als Bulletin der präsidialen Befindlichkeiten hergibt – bei dem er einen schlimmen Rückfall ins Sobotkinesische erlitt und bekanntgab, er habe in seinem Büro gleich ein paar Wände entfernen lassen (Baumeisterwahn), denn dieses Büro sei nicht sein Büro, sondern „das Büro des Büros“ (Allmachtswahn). Jeder könne hereinkommen und hier arbeiten (Aufschneiderwahn). Das probiere ich demnächst einmal.
Dann kippte er noch ein wenig Verachtung über die Mehrheit der Bevölkerung und stellte unklar: „Wer in kleinen Räumen arbeiten muss, bleibt auch im Hirn klein.“ Wie groß wohl das Hirn ist, das solches zu formulieren vermag? Der Amateurdirigent Sobotka hat offenbar nie einen Raum gesehen, in dem Mozart oder Haydn komponierten. Egal, er kommt in Wirklichkeit eh ohne Büro aus, „er braucht fürs Arbeiten nur Handy, iPad und eine Mappe mit Unterlagen für den Tag.“ Die sich wundersam füllt mit Material, zusammengetragen von kleinen Hirnen.
Ja, hier füllt ein wahrhaft Großer unseren Rucksack. Nun besteht eine neue Gefahr, noch vor dem neuen Ibiza-Ausschuss, in dem er gewiss wieder, zwecks Behinderung der Untersuchungen am Kurzismus, den Vorsitz führen will. Sobotka leitet „die größte Konferenz, die Österreich je ausgerichtet hat“, wie er vermutet. 115 Präsidenten nationaler Parlamente kommen nach Wien, insgesamt 800 Personen. Gewaltig! (Bei einem abgesagten Radiologenkongress, der im März in Wien stattfinden hätte sollen, hätte man 25.000 Personen erwartet, ein durchschnittlicher Psychiaterkongress zur Untersuchung von Größenwahn kommt leicht auf 10.000).
Aber es kommt nicht auf die Größe an, sondern auf die Funktion. Was tun Parlamente so, wenn der Tag lang ist, und nicht Ausschüsse abgewürgt werden müssen? Warum sind sie wichtig? Der Kurier weiß es: „Mehr noch als die Staats- und Regierungschefs käme den Parlamenten die Aufgabe zu, den ,Mindset‘ (also die Denkweisen und Grundhaltungen) zu beeinflussen, meint Sobotka. Dies einfach deswegen, weil sie die Breite der Bevölkerung repräsentieren.“ Er meint vielleicht, sie komme ihnen zu, denn „käme“ würde bedeuten, sie kommt ihnen nicht zu, sollte ihnen aber zukommen. Wer will das schon so genau wissen.
In der bramarbasierenden Konfusion des brachialen Waidhofners, in seinem sprudelsprechenden Sobotkinesisch blitzt ja manchmal ein Körnchen Wahrheit auf, etwa wenn er sich mit Wolfgang Fellner in dessen „Fernsehsender“ amikal über das Gegengeschäft austauscht, die wesentliche Beziehung zwischen Medien und Politik.
Die Idee, Sobotkinesisch könnte den Mindset der Bevölkerung beeinflussen, ist allerdings eine äußerst gefährliche Drohung. Vor der Größe dieses wahnsinnigen Übermuts schützen uns nur unsere kleinen Büros und unsere noch kleineren Hirne.
Distance, hands, masks, be considerate!
Ihr Armin Thurnher