Aktuelle Lage: kann man schon was sagen? Ein Déjà-vu! Aber nix is fix.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 509

Armin Thurnher
am 31.08.2021

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Die vierte Welle baut sich auf. Was das bedeutet und was es nicht bedeutet, erklärt hier Epidemiologe Robert Zangerle. Eines ist sicher: die Politik spielt mit Menschenleben, aus welchen Gründen immer. Denn: „Mit den gleichen Maßnahmen, später gesetzt, werden auf lange Sicht mehr Leute pro Tag sterben, als hätte man mit den gleichen Maßnahmen früher begonnen.“ A.T.

»Vor allem zwei Sachverhalte machen Interpretationen der aktuellen Lage der Pandemie derzeit besonders schwer. Einerseits die veränderte Situation durch die Impfung. Epidemiologisch stehen die Fallzahlen natürlich weiterhin am Anfang von allem. Sie führen zu weiteren Fällen, Hospitalisierungen und Long Covid. Aber 1000 Fälle sind heute differenzierter zu werten, als vor einem Jahr. Der Begriff „Entkoppelung“ von Inzidenz und Bettenbelegung wird dieser Situation nicht gerecht, weshalb ich versuche, ihn nicht zu verwenden. Andererseits nimmt die Infektionsdynamik insgesamt zwar zu, aber mit relativ starker Fluktuation in den vergangenen Wochen, so wie bereits im Sommer 2020.

Innerhalb der vergangenen vier Wochen hat sich der Belag von Normalpflegestationen und Intensivstationen durch COVID-19 Patientinnen rund zweimal verdoppelt, also vervierfacht. Drei weitere Verdoppelungen, und die Intensivstationen wären stärker belegt als während der höchsten Belegung bisher. Der bisherige Verlauf der Pandemie in Österreich seit Juli 2020 ist in der folgenden Grafik dargestellt. Noch ist die 4. Welle erst im Entstehen und deshalb schwerer wahrzunehmen, aber im Gegensatz zur 2. Welle im Herbst 2020 sieht man – wie im Frühjahr 2021 – erneut einen weniger steilen Anstieg bei der Belegung von Normalpflegebetten im Vergleich zur Belegung von Intensivpflegebetten. Eindrucksvoll ist der verzögerte Abfall der Belegung der Intensivpflegebetten gegenüber dem Abfall der 7-Tagesinzidenz im Frühjahr 2021. Längere Belegung der Intensivpflegebetten ist mit der 4. Welle wieder zu erwarten, ebenso, dass die Welle, wird nicht rechtzeitig gegengesteuert, lange anhalten könnte.

Jedenfalls ist auf dieser Grafik eine „Entkopplung“ der Belegung der Intensivbetten von der 7-Tagesinzidenz nicht zu sehen. Aber die Hintergründe dafür können vielfältig sein. Einige Indikatoren vom 30. August 2021 findet man in der folgenden Tabelle denselben Indikatoren von Ende September und Mitte Oktober 2020 gegenübergestellt, und zwar zu Zeitpunkten, wo entweder eine ähnliche Belegung von Normalpflegebetten (28.9.2020) oder Intensivpflegebetten (15.10.2020) der Belegung von gestern, also dem 30. August 2021 entsprechen. Die Intensivbettenbelegung ist momentan auf einem Niveau wie Mitte Oktober 2020. Die Belegung von Normalpflegebetten ist im Vergleich niedriger. Über die letzten 7 Tage gab es im Schnitt täglich 2,7 Todesfälle, im Vergleich zu Ende September 2020 nur leicht weniger (3,2). Es ist zu betonen, dass es in den letzten 7 Tagen erstmals in dieser 4. Welle einen merkbaren Anstieg an Todesfällen gab. In den Wochen vorher verstarb durchschnittlich ein Mensch an Covid. Es muss daran erinnert werden, dass Mitte Oktober 2020 durchschnittlich 6, 4 Menschen an Covid gestorben sind. Aber schon am 19. November waren es 100 pro Tag!

Personen mit Covid sind am 30. August 2021 im Schnitt mit 32,1 Jahre alt und damit jünger als im Herbst 2020. Aber selbst dieser einfache Befund ist nicht trivial, weil die Verteilung eine andere ist, wie die Grafik zu den Altersgruppen zeigt. Die 7-Tagesinzidenz bei den 25-44-Jährigen ist am 30. August 2021 deutlich höher als am 15. Oktober 2020.

Wie alt sind die Patienten in den Krankenhäusern, in den Intensivstationen? Hier fehlen Daten aus Österreich, weil Daten zu Krankenhausaufnahmen von Covid-Patienten Angelegenheit der jeweiligen Bundesländer sind. Die wollen sich nicht in ihre Karten schauen lassen und weigern sich seit März beharrlich, das zu korrigieren. Ein Blick in die Schweiz hilft: das mittlere Alter der Hospitalisierten liegt dort bei 54 Jahren; 25% sind jünger als 40 Jahre und 25% sind älter als 66 Jahre. Wir in Österreich wissen nicht einmal, wie viele Personen täglich ins Krankenhaus aufgenommen werden. Die Schweiz eignet sich im Augenblick aber ganz generell hervorragend für einen Anschauungsunterricht für die derzeitige Entwicklung der Pandemie. Die Schweiz hat fast gleich viele Einwohner wie Österreich, die Pandemie hat annähernd die gleiche Zahl an Todesopfern gefordert. In Österreich waren 121,7 Todesfälle pro 100 000, in der Schweiz 121,3 Todesfälle pro 100 000, weshalb man auch annehmen kann, dass die Zahl der durch Infektion immun gewordenen identisch sein wird. Die Impfrate ist in der Schweiz ähnlich (ungenügend) wie in Österreich. Die Schweiz liegt mit der Zahl der Fälle und Hospitalisierten knapp eine Verdoppelungszeit „vor“ uns. Deshalb kann die Schweiz für Vergleichszwecke gerade viel nützlicher sein als Großbritannien, Israel oder die USA.

Nach Altersgruppen aufgeschlüsselt gibt es absolut die meisten Fälle bei den 40-59-jährigen. Aufgrund der niedrigeren Durchimpfung tragen 20-39-jährige fast gleich stark zur Belastung der Spitäler bei wie 60-79-jährige. Nur bei den über 80-jährigen mit einer Impfrate von ca. 82% sind Geimpfte (n=41) und Ungeimpfte (n=52) absolut gesehen ähnlich stark betroffen. Dies ist zu erwarten: je höher die Durchimpfung, desto höher der Anteil doppelt Geimpfter im Spital. Schon mehrfach erwähnt, nicht vergessen: Bei 100% Durchimpfung wären 100% der Hospitalisierten geimpft. Die Zahlen bei den über 80-jährigen ergeben jedoch weiter, dass die Wirksamkeit der Impfung vor Spitalsaufenthalt knapp 90% ist. Mit der Delta-Variante wird in der Schweiz eine Zunahme von schweren COVID-19 Erkrankungen bei 20-50-jährigen Personen beobachtet. Durch Delta hat sich das Risiko einer ungeimpften 35-45-jährigen Person, wegen COVID-19 hospitalisiert zu werden, seit Herbst 2020 verdreifacht. Momentan liegt das Risiko bei über 2%. In der sehr plausiblen Annahme, dass die allermeisten Personen im Laufe des kommenden Winters mit dem Virus in Kontakt kommen werden, stellt COVID-19 für alle ungeimpften Altersgruppen ab 30 Jahre ein sehr hohes Gesundheitsrisiko dar.

Das Risiko, wegen einer Covid-Erkrankung ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, ist bei einer Infektion mit der Delta-Variante des Coronavirus wohl etwa doppelt so hoch wie bei der Alpha-Variante. Das fanden Forscherinnen und Forscher der Universität Cambridge und der Behörde Public Health England heraus. Zuvor hatte bereits eine Gruppe aus Schottland über eine 85% höhere Rate an Krankenhausaufnahmen berichtet. Auch eine noch nicht begutachtete Studie aus Kanada fand eine etwa doppelt erhöhte Rate an Krankenhausaufnahmen durch die Virusvariante Delta.

Aktuell benötigt ein sehr hoher Anteil der hospitalisierten Patienten intensivmedizinische Unterstützung, in der Schweiz über 25% und in Österreich mehr als ein Drittel. In der zweiten Welle im Oktober 2020 war dieser Prozentsatz wesentlich geringer. Er ist mit der Ausbreitung der Varianten Alpha und Delta gestiegen.

Trotz dieser Anschauung vor der Haustüre, wie sich die Pandemie demnächst in Österreich präsentieren wird, kann man nicht mit Sicherheit daraus ableiten, dass auch in Österreich von den 35-45-Jährigen Personen etwas mehr als 2% hospitalisiert werden, weil das Testen im Allgemeinen und das Diagnostizieren von symptomatischen Personen nicht zwangsläufig gleich ablaufen müssen. Um einen zuverlässigen Vergleich zu haben, müsste man sich die Positivitätsrate (Prozent positiver Tests) anschauen. Diese existiert in Österreich seit Anfang des Jahres nicht mehr in ihrer eigentlichen Art. Die Positivitätsrate war in Österreich seit je ein vernachlässigter Indikator für das Infektionsgeschehen. Aber seit Anfang des Jahres schmeißt man einfach alle Indikationen zum Test zusammen: die öffentlichen Screenings mit Antigentests und die Tests zur Abklärung von Kontakten und symptomatischen Personen landen im gleichen Topf. Die Positivitätsrate wird von der Ampelkommission zwar formal angegeben, sie beträgt für die Kalenderwoche 33 0,3%, d.h. in dieser Woche waren 0,3% aller Tests positiv. Die Schweiz weist aktuell eine Positivitätsrate von 11,4% auf.

Um das Problem mit der Positivitätsrate zu verdeutlichen, sind in der folgenden Grafik die vier Bundesländer mit den derzeit höchsten Inzidenzen dargestellt. Leicht zu erkennen, dass in Wien der Anteil, der durch Screening gefunden wird, höher ist (blau). Das ist zweifellos Folge der PCR Testungen dort, die einen Anteil von 80,4% aller Testungen haben. Salzburg weist mit 7,8% eine wesentlich geringere Rate auf. Die tiefsten Werte in Österreich weisen Oberösterreich mit 2,8% und Vorarlberg mit 1,9% auf, dort sind die blauen Anteile schwer zu sehen. Oberösterreich fällt darüber auch noch mit fehlenden Angaben zum Grund der Testungen auf.

Zurück zum Eingang, zur besonderen Schwierigkeit, den weiteren Verlauf der Pandemie zu prognostizieren: die Infektionsdynamik nimmt insgesamt zwar zu, aber mit relativ starker Fluktuation. Das war auch im Sommer 2020 so, wie in der folgenden Grafik des effektiven Reproduktionsfaktors Reff dargestellt. Vom Juni bis November gab es 4 Episoden mit starkem Infektionsgeschehen (nicht mit Inzidenz zu verwechseln) und zwei Episoden mit geringfügigen Veränderungen. Insgesamt aber befand sich Reff immer über 1. Je höher Reff, desto kürzer die Verdoppelungszeiten.

Die untere Grafik zeigt Reff vom 20. Juni d.J. bis zum 28. August. Reff schaut immer in die Vergangenheit, weshalb daraus abgeleitete sichere Aussagen über Zukünftiges schwierig werden (es ist nicht „all else equal“). Es ist jedoch vorstellbar, dass mit dem aktuell letzten Reff Wert von 1,12 (geschätzt vom 28. August) eine relative Verlangsamung eintritt, weil dieser Wert einer Verdoppelung innerhalb eines Monats entspricht. Ein Reff Wert von 1,4 entspricht einer Verdoppelung in 10 Tagen. Zur Wiederholung: Innerhalb der vergangenen vier Wochen hat sich die Belegung von Normalpflegestationen und Intensivstationen durch COVID-19 Patienten und Patientinnen rund 2-mal verdoppelt (d.h. vervierfacht). Für die weitere Entwicklung gibt es viele Faktoren zu berücksichtigen, welche die Lage plötzlich kippen lassen können:

Faktoren, die potenziell Ansteckungs- und Hospitalisationsraten reduzieren:

  • Fälle, die mit Aufenthalten im Ausland verbunden sind („Reiserückkehrer“ und ihre Kontakte) sollten abnehmen

  • Intensivierte Kontaktnachverfolgung („Contact Tracing“) könnte die Ansteckungsdynamik bremsen.

  • Im mittelfristigen Pandemieverlauf von 8-12 Wochen wird jeglicher Impffortschritt entscheidend dazu beitragen, Ansteckungen und Hospitalisationen zu verringern.

Faktoren, die potenziell Ansteckungs- und Hospitalisierungssraten erhöhen:

  • Durch die Wiederaufnahme des Schulunterrichts und der gleichzeitig steigenden Vereinsaktivitäten kommt es zu stark vermehrten und neu durchmischten Kontakten unter Kinder und Jugendlichen.

  • Generell gibt es nach dem Sommer eine „Rückkehr“: Arbeitnehmer an Arbeitsplätze, Studenten an Hochschulen.

  • Mit dem Beginn des Herbstes werden durch kühlere Temperaturen und die Änderung der Luftfeuchtigkeit Tröpfcheninfektionen begünstigt werden. Gleichzeitig finden soziale Kontakte vermehrt und über längere Zeitspannen in Innenräumen statt, was SARS-CoV-2 Übertragungen durch Aerosole verstärken wird

  • Die große Unbekannte ist das konkrete Verhalten der Menschen. Es ist unklar, ob steigende Infektions- und Hospitalisierungszahlen neuerlich einen signifikanten Einfluss auf die Zahl der sozialen Kontakte, auf die dabei angewendeten grundlegenden Hygienemaßnahmen und auch auf die Impfbereitschaft haben.

  • Contact-Tracing kommt durch starke Zunahme der Fälle an den Anschlag

Diese besonderen Schwierigkeiten einer Prognose sind aber nicht verantwortlich für die krass unterschätzenden Prognosen zur Auslastung der Intensivstationen bis Ende September durch das Prognosekonsortium vom 8. Juli – dazu der Policy Brief von diesem Datum . In der Sitzung der Ampelkommission vom 19. August gab es Fragen zur Prognose für den September. Ein Mitglied des Prognosekonsortiums begründete die konservative Schätzung mit dem überschätzten Impffortschritt: „Primärer Grund für diese Entwicklung ist der 85%ige Rückgang der Impfgeschwindigkeit gegenüber Juni 2021. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, ist bereits im September 2021 mit einem ICU Belag von über 10 % der verfügbaren Betten zu rechnen.“ Im Worst Case Szenario rechnete man nicht mit einem so starken Rückgang der Impfungen. Das ist nicht die erste Blauäugigkeit des Prognosekonsortiums, die in der Seuchenkolumne unmittelbar kommentiert wurde. Es konnte ja niemand ahnen, dass die Österreicher und Österreicherinnen zu Impftrödlern werden, obwohl sie durch das Normalitäts-Geschwafel öffentlich dazu aufgefordert wurden, schließlich gebe es einen „Sommer wie damals“ zu genießen.

In dieser Sitzung gab es aber noch andere Fragen: „Weiter sei die medial kolportierte Aussage, wonach eine Inzidenz von 10.000 pro Tag tragbar wäre, zu hinterfragen und eventuell eine Entgegnung angebracht“, fragte jemand und setzt nach mit der Frage „wie viele Fälle pro Tag man sich derzeit leisten könne, ohne den ICU-Bereich zu überlasten.“ Eine andere Person im Prognosekonsortium meinte, dass es darauf ankäme, „wie hier ,leistbar‘ definiert wird (10% der ICU-Betten oder 33% der ICU-Betten).“ Weiter führte die Person aus: „Unter Annahme einer homogenen Verbreitung des Virus unter der Gruppe der Ungeimpften wären rund 6.000 Fälle/Tag leistbar, um die 33%-Grenze nicht zu überschreiten bzw. 1.800 Fälle, um die 10%-Grenze nicht zu überschreiten.“ Das befriedigte nicht wirklich, weil der Frager noch anmerken wollte, „dass es jedenfalls erstrebenswert sei, einen Notbetrieb zu vermeiden“. Ein weiterer Teilnehmer betonte, „dass das Personal im stationären Bereich seit rund anderthalb Jahren stark belastet ist.“ Das Verständnis für eine weitere Belastungsspitze im Herbst sei daher gering.

Man wird den Eindruck nicht los, dass „die Politik“ bereit ist, die Intensivstationen voll auszulasten, damit ist die Belegung von etwa 750 Intensivbetten gemeint. Es scheinen aber noch nicht alle im Boot zu sein, auch Niki Popper, Mitglied des Prognosekonsortiums fragt ganz vorsichtig: „Man müsse sich dabei überlegen, ob man bei 750 Intensivpatienten ansetze oder ob es einem schon zu viel sei, wenn 300 oft junge Patienten eine entsprechende Behandlung benötigten“ . Minister Wolfgang Mückstein scheint aber einen fixen Platz im Boot zu haben. Diesen Schluss lässt die Korrektur eines Erlasses vom Ende Mai zu, Hochrisikogebiete (dort können z.B. Ausreisetests verlangt werden) werden nicht mehr über die Fallinzidenz alleine definiert, sondern auch über die Impfraten. Diese Definition gilt aber nur, wenn 10% der Intensivbetten im jeweiligen Bundesland belegt sind (außer im Burgenland und in Vorarlberg, dort werden etwa 20% verlangt). Die Wahl der Zahlen dieses Erlass weisen vermutlich keine Rückstände an Laktose oder Gluten auf, aber ganz sicher sind die Grenzwerte frei von jeglicher Evidenz. Man scheint ob dieser nackten Zahlen auch zu vergessen, dass die 300 oder 750 Intensivbetten ja nicht leer sind, sondern dass dort dann 300 oder 750 schwerst kranke, oftmals junge Menschen liegen werden.

Das Problem mit den hohen Fallzahlen bei Covid-19 Maßnahmen ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Maßnahmen beeinflussen die Ansteckungsrate, nicht die absolute Zahl an Ansteckungen. Um die Anzahl der Ansteckungen stabil zu halten, brauchte es bei 40 Ansteckungen pro Tag die gleichen Maßnahmen wie bei 4000 pro Tag. Wenn mit Maßnahmen zugewartet wird, landen wir deshalb auf einem höheren Ansteckungsniveau. Mit den gleichen Maßnahmen, später gesetzt, werden auf lange Sicht mehr Leute pro Tag sterben, als hätte man mit den gleichen Maßnahmen früher begonnen. Wenn man – wie jetzt – Fallzahlen aber herunterbringen will, weil mit den derzeit zu erwartenden Fallzahlen die Kapazität der medizinischen Versorgung gefährdet ist, muss man strengere Maßnahmen treffen, als nötig gewesen wäre, hätte man sie früher schon auf tieferem Niveau getroffen und die Fallzahlen konstant gehalten. Damit Fallzahlen schrumpfen, braucht es einschneidendere Maßnahmen, als um sie konstant zu halten. In der jetzigen Phase zählt jeder Tag. (Dieser Absatz zitiert großteils wörtlich die Schweizer Gesundheitsökonomin Dina D. Pomeranz, Link oben.).

Und nicht vergessen TRIQ (Testen/Rückverfolgen = Contact Tracing/Isolieren/Quarantäne) wird bald nicht mehr so funktionieren, wie es zu erwarten wäre. Vorarlberg teilte am 23. Oktober 2020

öffentlich mit, dass die Kapazitätsgrenze von TRIQ erreicht sei. Die 7-Tagesinzidenz lag zu diesem Zeitpunkt bei 175/ 100 000, und es kann vermutet werden, dass die Funktionsfähigkeit nicht über Nacht aufgehört hat. (Zur Einordnung, gestern, am 30.8.2021 lagen wir bereits bei 106,9 / 100 000.)

Je weiter zugewartet wird, umso drastischere Maßnahmen müssen später ergriffen werden und umso teurer wird es. Der Lockdown lässt grüßen. Sind wir gerüstet? Mit Experten, die mit Zivilcourage der Intransparenz der Regierung trotzen?

Ausklang: Drei weitere Verdoppelungen, und die Intensivstationen wären stärker belegt als während der höchsten Belegung bisher. Masken in Innenräumen zusammen mit gutem CO₂-Management, um die Aerosolübertragung zu minimieren, sind doch die am wenigsten einschneidenden Maßnahmen. Wieso wird das nicht durchgesetzt?« R. Z.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!