Der kluge Kater will mit mir über die Wahl der ORF-Spitze reden.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 474

Armin Thurnher
am 21.07.2021

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Kater: Mein lieber Freund…

Ich: Das fängt ja gut an!

Kater: Ja, ich weiß nicht, wie ich es dir schonend hinüberlöffeln soll.

Ich: Löffle einfach los.

Kater: Du schreibst Märchen, lässt mich aber gänzlich draußen. Muss ich Stiefel anziehen, um dir märchenhaft genug zu erscheinen?

Ich: Sorry, an die Möglichkeit dieser Kränkung dachte ich nicht!

Kater: In deiner Gedankenlosigkeit liegt schon die Kränkung, mein Guter. Außerdem solltest gerade du mit Parabeln über Narzissmus vorsichtig sein.

Ich: Daraus, dass ich meine Eitelkeit als Produktivkraft betrachte, habe ich nie ein Geheimnis gemacht.

Kater: Dann solltest du sie nicht anderen als politische Hauptsünde ankreiden.

Ich: Ich stimme dir nicht zu. Mein Narzissmus ist meine bescheidene Kompensation für den Verzicht auf jedes Amt, lässlich in jeder Hinsicht. Wäre ich Minister oder auch nur amtierender Chefredakteur, würden wir anders reden.

Kater: Das hast du dir schlau ausgedacht. Soll ich dir sagen, was ich hinter deinen Ausflügen ins Märchenhafte wittere?

Ich: Lass dich ruhig bitten!

Wer hat Angst vor der schwarzen Katze? Foto: @ Irena Rosc

Kater: Pure Resignation. Du weißt, dass du diese türkisen Fieslinge nicht stoppen kannst. Die gestalten das Land, wie es ihnen gefällt, und wenn die Bevölkerung das nicht gut findet, so ist es ihr doch gleichgültig, egal…

Ich: … mit welchen Mitteln sie in diesen Zustand versetzt wird. Diesbezüglich sind die Türkisen auf dem neuesten Stand, das muss ich zugeben.

Kater: Da gibt es doch diese instruktive Klein-Serie von Barbara Tóth im Falter-Morgen?

Ich: Genau. Der Kern der Kurz-Familie. Gestern Fleischmann, heute Bonelli. Sollte man lesen.

Kater: Der Kanzler lernt gerade in Montana dazu, lese ich. Was ist dort los?

Ich: Du kannst es dir aussuchen. Einerseits die Fortsetzung der Trump’schen Strategie, Kurz als Keil in der Europäischen Union zu verwenden, und ihm deshalb die Steuerstrategie der Silicon-Valley-Konzerne nahezubringen, was die Immer-Noch-Google-Graue-Eminenz Eric Schmidt sicher nicht versäumen wird …

Kater: Dabei führt Kurz doch die große Lippe: „15 Prozent sind nicht genug!“ Wie verstehe ich das?

Ich: Reden ist Silber, was getan wird, muss nicht so laut beredet werden.

Kater: Was, wolltest du sagen, lernt er sonst noch? Was wäre das „oder“?

Ich: Das Oder schließt das Entweder nicht aus. Kurz besucht ja keinen „Milliardärsklub“, wie man bei uns kolportiert, sondern ein Google-Camp. Man lernt dort neueste Techniken der Datenverwertung im politischen Sinn.

Kater: Will Kurz Frau Schramböck noch effektiver machen? Das ist furchterregend.

Ich: Ja, das geht kaum noch. Aber Eric Schmidt meint halt, mit Daten kann man alles besser machen: Krieg führen, Menschen lenken, Geld anhäufen.

Kater: Zumindest beim Geld ist ihm der Beweis gelungen.

Ich: Ja, an dem hängt, zu dem drängt doch alles, wie wir wissen, und alles andere folgt daraus.

Kater: Erklär mir, wenn alle Politikdurchsetzung mit Datenmanipulation und Social Media geht, warum investiert Kurz dann unsere Steuermillionen in diese räudigen Gratis- und diese schundigen Boulevardblätter?

Ich: Weil sie noch immer eine gewisse kritische Masse an Beeinflussung beanspruchen. Außerdem braucht man für ein durchgreifendes Medienregime einen einigermaßen geschlossen hergestellten Konsens.

Kater: Zumindest die Abwesenheit von Dissens bei entscheidenden Fragen.

Ich: So ist es.

Kater: Und jetzt steht, in anschwellendem Medienschweigen, der Hauptpreis im österreichischen Medienstadl zu Vergabe an.

Ich: Genau: Am 10. August wird der ORF-Generaldirektor bestellt.

Kater: Das wird natürlich wieder Alexander Wrabetz.

Ich: Der ist Sozialdemokrat, aber auszuschließen ist es nicht.

Kater: Warum nicht?

Ich: Weil Kurz ein Pragmatiker der Macht ist. Es genügt ihm, wenn ihm Wrabetz glaubhaft Personal und Präsenz für seine Botschaften garantiert, sowie die Schalldämpfung unliebsamer journalistischer Stimmen.

Kater: Du meinst, dass sie dich nicht reden lassen?

Ich: Das war ein Untergriff. Tun sie sowieso nicht, und lüden sie mich ein, ich ginge nicht mehr hin.

Kater: So einen Kompromiss traust du den beiden zu?

Ich: Allemal. Andererseits kennt Kurz bei der Einnahme ideologischer Bastionen keine falsche Scham. Es würde mich also nicht wundern, wenn er hier in Gestalt des ORF-Vizefinanzdirektors Roland Weißmann, eines Kurzisten reinsten Wassers, ein klares Signal consulterischer Verniederösterreicherung setzen würde. Es ist jedoch denkbar, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, dass Wrabetz dieses Kronland bereits so weit auf seine Seite gebracht hat, dass Kurz die Vorteile eines solchen Deals einsehen muss. Man träfe sich dann sozusagen in der Mikl, pardon, der Mitte.

Kater: Sag einmal, werden solche Fragen, was ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Zukunft sein soll, warum es ihn braucht, und warum er nicht zu provinzieller Parteipropaganda missbraucht werden darf, überhaupt nicht mehr öffentlich diskutiert?

Ich: Du kannst ja Armin Wolf auf Twitter folgen und seinen Blog studieren. Auch Gernot Bauer hat im Profil einen Kommentar geschrieben, warum das niemand kommentiert. Und Anna Goldenberg porträtiert im Falter die Kandidatin Lisa Totzauer.

Kater: Und was ist mit dir? Du hast dich doch jahrzehntelang wichtig gemacht?

Ich: Und was hat’s genützt? Aber du hast Recht. Ich werde mein Archiv durchforsten…

Kater: Der österreichische Linke, wie er leibt und lebt! Geht’s um Widerstand, öffnet er sein Archiv.

Ich: Immerhin, Robert Hochner zufolge die Rache des Journalisten an den Politikern.

Kater: Komm, das war dir doch immer zu billig.

Ich: Nein, wirklich, ich habe soviel Herzblut vergossen, in Interviews, Essays, Reportagen gar, Kommentaren und Glossen sonder Zahl, sogar ein Rundfunkvolksbegehren habe ich einmal initiiert…

Kater: Mir bricht das Herz. Und all das Verflossene dispensiert dich jetzt davon, etwas zu tun?

Ich: Heu machen, Holz schlichten, dringende Erdarbeiten – ist das nichts?

Kater: Du weißt schon, was ich meine. Was planst du als erstes?

Ich:So einen grundlegenden, großen Text zur Einführung in die Medienproblematik?

Kater. Gähn.

Ich: Vielleicht ein lustiges Interview mit Gerhard Zeiler, als der ORF-Generalintendant war? Mit dem ließ sich gut streiten, lang ist’s her.

Kater: Ich warte mit gebotener Skepsis ab, ob irgendjemand außer dir so etwas nach 23 Jahren noch für lustig hält oder gar lesen will. Ist natürlich dein Problem, mein Lieber. Vielleicht sagt dein Publikum ja etwas dazu. Einstweilen hätte ich einen Vorschlag.

Ich: Ich ahne, was kommt.

Kater: Ich mach’s dir leichter als du mir. Gib mir einfach Lachs mit Forelle.

Ich: Forelle mit Lachs – ich mach’s.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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