Wenn Tiere sprechen

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 469

Armin Thurnher
am 15.07.2021

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Sommer ist, ich merke es an meiner Polit-Unlust. Erblicke Frau Edtstadler in Salzburg, denke mir, alle die offenen Rechnungen begleiche ich schon noch. Herr Sobotka lässt mich kalt wie nie, den zappe ich einfach weg. Herr Hanger hat gewiss menschliche Seiten, man zeigt ihn mir im Fußballdress. Ich entging einmal knapp der peinlichen Situation, selbst gegen Wolfgang Schüssel antreten zu müssen. Hatte mit ihm ein Sommerinterview auf dem Postsportplatz vereinbart, wo die Nationalratsauswahl gegen ein Journalistenteam spielte (Karlheinz Kopf machte im Tor gute Figur, Schüssel war ein ehrgeiziger Beißer als Stürmer, traf aber nicht). Erwin Rasinger, der mich erkannte und wusste, dass mein Verein ebenfalls auf dem Postsportplatz Heimrecht hatte, forderte mich gleich auf, mitzukicken. Mein mitgebrachtes und auf dem Kantinentisch schon aufgebautes Tonbandgerät rettete mich.

Sommergespräche, nicht auszurotten. Diese Simulationen von Konversation, dieses Nicht-Gespräch als vermeintliches Gespräch, das muss ich nicht mehr haben. Auch wenn es mich, naht die Stunde, wieder mit heiligem Zorn wieder zumindest pflichtgemäßem Eifer erfüllen wird, so verbringe ich doch meine Zeit mit anderem. Ich rede mit Tieren. Oder Tiere reden mit mir.

Den Kater kennen Sie, kürzlich hatte er Besuch, von einer reizenden Border-Collie-Dame namens Pünktchen. Der Kater ist ja hundeerprobt, lebte Zeit seiner Tage mit einem gelben Labrador namens Cato zusammen, weiß mit Hundsviechern also umzugehen. Als wir einmal länger verreist waren, gab er nach zwei Wochen das Warten auf und büchste aus. Wir suchten ihn verzweifelt, fanden ihn schließlich bei Wienern, die ihn gerade in ihr Auto packen und nach Wien abfahren wollten. Sie rückten ihn heraus und erzählten uns, er sei eines Tages bei der Nachbarin hereinspaziert. Deren gefürchteten scharfen Schäferhund hatte er ohne Mühe unter Kontrolle, sodass sich dieser ihm gegenüber als ganz zahm erwies.

Pünktchen versuchte, auf Border-Collie-Art Hannibal zum Spielen zu animieren, was dieser mit ein paar lässigen Drohbewegungen beantwortete. Pünktchen seufzte. Es wollte spielen. Im Garten steigert sich das Ganze. Meine Frau wolle Hannibal wegsperrern, aber er erschien, schließlich ist er hier der Hausherr, und stellte sich dem braunweiß gefleckten Problem. Hinter dem Lebensbaum blies er sich zu dreifacher Größe auf, fauchte furchterregend und brachte Pünktchen dazu, um Hilfe winselnd zu seinem Frauchen zu retirieren.

Hunger!

Hast du eine Mutter, hast du immer Futter. – Fotos: @ Irena Rosc

Man lebt mit Bestien zusammen und ahnt es nicht. Die Schwalben allerdings fliegen dem Kater um den Kopf herum; man hat das Gefühl, sie frotzeln ihn mit Kamikazeattacken, sobald er sich im Hof zeigt. Damit wollen sie den Jungen Luft verschaffen, die fliegen lernen. Aber von denen erwischt er keines. Als eine Besucherin sah, wie die Schwalben Hannibal anflogen, sagte sie: „Unsere Katz wäre schon aufgesprungen und hätt die Schwalbe aus der Luft gepackt.“ Hannibal hob kaum den Kopf und blickte verächtlich zu uns herüber.

Ein anderer Besuch erzählte vor kurzem Walgeschichten. Es ist Taucher, Seefahrer, Abenteurer und Ozeanograph oder so etwas, und war beim zwei Jahre währenden Versuch dabei, den berühmten Wal Willie („Free Willie“) auszuwildern. In Wirklichkeit hieß Willie Keko und war menschensüchtig, scheute wilde Orcas und mochte keinen frischen, nur tiefgefrorenen Fisch, weshalb das Aussetzen nicht recht gelingen wollte.

Der Besucher erzählte, wie Keko ihn beim Tauchen oft sanft von hinten an der Schulter stupste. Er blickte sich um und sah in ein türgroßes Maul voller riesiger Zähne. Das bedurfte der Gewöhnung, aber wenn man einmal verstanden hatte, wie zärtlich, feinfühlig und klug Keko war, fürchtete man sich nicht mehr.

Die schönste Geschichte von Keko ging so. Eine Fernsehserie verhalf todkranken Kindern zu ihrem sehnlichsten Wunsch; ein sechzehnjähriger leukämiekranker Bub hatte sich ein Treffen mit dem Wal gewünscht. Man brachte ihn auf eine kleine künstliche Insel vor Island, auf der das Walteam Geräte lagerte. Der Trainer rief, Keko erschien und begrüßte den Kranken. Damit nicht genug, forderte der Trainer den Wal auf, dem Buben ein Geschenk zu bringen. Keko tauchte ab und erschien nach Minuten wieder, näherte sich vorsichtig dem Rand der Insel und legte aus seinem riesigen Maul vorsichtig eine nicht einmal halb handtellergroße lebende Krabbe vor den Buben hin.

Es gibt erstaunliche Dinge zwischen Himmel und Erde, und auch mir widerfuhr kürzlich etwas nicht für möglich Gehaltenes. Ich hob eine Weinbergschnecke auf, um sie vor dem Rad meiner Schubkarre zu retten. Kaum hielt ich sie in der Hand, zischte sie mich an wie eine Schlange. So etwas hatte ich noch nicht gehört. Oder doch? Dunkel erinnere ich an schaurige Erzählungen meiner Mutter, deren Eltern als Wirtsleute Schnecken züchteten. Ich erinnere mich an dampfende, riesige Platten voller Schnecken, die aus der Küche, wo ich mit dem Hund auf dem Boden balgte, in die Wirtsstube getragen wurden.

Dieser Hund, mit 15 ein alter Herr, starb übrigens einen plötzlichen, aber schönen Tod, als er dem Kater eine tote Maus abjagte, die er gierig verschlang. Unser Hund Cato wiederum, der gelbe Labrador, schluckte einmal eine lebende Maus. Es war der 3. Oktober 2004, der Boden war schon hart, ein Mäuslein wurde die Beute des jungen und flinken Cato. Schreiend versuchten wir es ihm abzujagen, aber spielerisch trabte er neben uns am Feldrain entlang, die Maus im Maul, bis es ihm zu blöd war, und er das Vieh kurzerhand schluckte. Unser Hund war ein englischer Prinz, und wir waren sicher, die Maus war die Inkarnation Karls V., aber wir konnten ihr nicht mehr helfen.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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