Auch ich habe ein Recht auf Narzissmus!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 459

Armin Thurnher
am 03.07.2021

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Was ich ganz schlecht kann, ist, Huldigungen entgegenzunehmen. Liebesbeweisen gegenüber erweise ich mich als ungelenk, Komplimente wehre ich nicht schroff ab, sondern eher ungeschickt, aber das ist wohl nur eine Sonderform von Narzissmus.

Trotzdem – was heißt trotzdem! – deshalb möchte ich mich heute einmal bei Ihnen bedanken. Bei Ihnen, die mir in einer Zahl schreiben, die ich bisher nicht kannte, und mir bequemerweise meistens zustimmen, wenngleich mich manche unter ihnen in der einen oder anderen Frage auch ermahnen.

Wäre ja noch schöner, wenn wir alle einer Meinung wären. Leider kann ich nicht umhin, einen etwas skeptischen Ton in die Sache zu bringen (sonst wäre es nicht ich, sonst würden Sie mich nicht mögen).

Zuerst noch möchte ich wieder einmal jenen Menschen danken, die mich nicht nur täglich lesen, sondern mir auch tätig helfen, indem sie mir meine Tipp- und sonstigen Fehler mitteilen. Sie tun das unauffällig, diskret, per Mail, und es sind bis zu zehn Peinlichkeiten, die ich dann stillschweigend korrigiere. Natürlich gibt es auch jene Spezies, die aus einem vermeintlichen oder echten Fehler gleich selbst eine öffentliche Sache machen. Sie wollen mich nicht nur verbessern, sie wollen auch anderen ein Beispiel geben und selbst etwas Profit aus der Sache melken. Das soll mir recht sein, wenn es meiner Besserung dient, denn zu Aufklärung gehört eben auch Publizität, und wer wäre ich, anderen das Recht abzusprechen, Fehler öffentlich zu machen!

Nur kurz darf ich zum jüngsten clamorosen Fall anmerken, dass das Wort Depp, das ich als Alemanne »Tepp« schreibe, aus Überzeugung von Jugend an, und auch in Alliteration zum geläufigen und gerade hochaktuellen »Trottel«, laut Duden in beiden Varianten möglich ist. Auf Twitter wurde es mir lautstark als Fehler vorgehalten. Nun sei es mir fern, den Duden als Autorität anzuerkennen, aber gewisse sprachliche Tatsachen bekommen sie mitunter schon noch auf die Reihe. Man darf Ihnen halt nicht alles glauben, vor allem in Genderfragen ist höchste Skepsis angebracht.

In Tepp- und Trotteldingen hingegen kann man sich auf sie verlassen, während zu meiner Enttäuschung der Grimm sich zwar kursorisch dem Trottel widmet („die in den ostbair.österr. alpengegenden beheimatete bezeichnung für den kretin“) sogar die Variante »drottl« erwähnt, für Feinspitze sogar ein Hitlerzitat bereithält (man weisz ja nicht, was in dieser bürgerlichen welt gröszer ist, die trottelhaftigkeit, die schwäche und feigheit, oder die durch und durch verlumpte gesinnung AD. HITLER mein kampf [1933]), den Deppen oder auch Teppen jedoch völlig ignoriert. Völlig!

Sie bemerken, dass diese Kolumne ein Wort, einen Namen und eine Person völlig ignoriert, das Kind vom Ballhausplatz, das Staunen Europas, das Wunder der Welt. Heute rede ich einmal von mir. Auch ich habe ein Recht auf Narzissmus! Ich bin übrigens einer Betroffenengruppe beigetreten: den anonymen Opfern von Lob, Huldigungen und Verehrung. Erste Aufgabe des Gruppenleiters war ein Morgengebet: „Herr, ich danke dir so sehr, dass du mich für mich erschaffen hast“. Das sage ich ein Dutzendmal, ehe ich den Tag beginne, schon geht es mir besser und ich kann in jedem Ausschuss erscheinen.

Auch mit ironisch überzogenen Verehrungsgesten vermag ich nun schon besser umzugehen. Kürzlich schrieb ein Enthusiast, vor mir könne man nur niederknieen; das irritierte mich kaum noch.

Zwar habe ich einen ganzen Roman über Verehrung geschrieben, nämlich über die Schwierigkeit, sich über jene kritische Einstellung hinwegzusetzen, die einen erst dazu brachte, ein Objekt der Verehrung zu finden, das deren wert ist. Ich untersuchte das an mir selbst und meiner Verehrung für den Pianisten Alfred Brendel, was man offensichtlich in der Länge eines Buches machen kann. Es hat zwölf Jahre gedauert, doch nun ist es ausverkauft, wie man mir sagt. Goethes Stella hingegen lag hundert Jahre nach ihrem Erscheinen einem Bericht von Walter Benjamin zufolge noch stapelweise in Berliner Buchhandlungen herum. Antiquarisch können Sie das gute Stück (meinen Roman, nicht Goethes Drama) gewiss noch erwerben, wie auch irgend eines meiner anderen Bücher, wenn Sie mich schon verehren!

Wo der versprochene skeptische Ton bleibt, fragen Sie?

Hier kommt er: Man kann doch keine Kolumne darüber schreiben, wie sehr man es mag, gemocht zu werden! Und dann noch hergehen und die Liebe von Menschen für eine Art Heizdecken-Verkaufsausflug zu nutzen und versuchen, ihnen Dinge anzudrehen. Das ist es aber, was die digitale Welt mit uns macht, mit uns allen. Sie macht uns zu Verkäufern und Hausierern unserer selbst. Und natürlich möchte ich, dass Sie diese Kolumne abonnieren (kostenlos!), den Falter bestellen und meine Bücher kaufen (nicht kostenlos).

Wo ist Trost? Ich fand ihn kürzlich in einer kleinen Rotbauchunke. Das sind jene schwarzen, mit Feuerzeichnug geschmückten Amphibien, bekannt aus der Phrase „Unkenrufe“, die Unheil ankündigen sollen, obwohl der Ruf der Rotbauchunke von ungemein melodischer Zärtlichkeit ist. Ein warmer, unaufdringlicher Flötenton, der nichts bezweckt, als von anderen Unken gehört und liebevoll erwidert zu werden. Danke, Unke.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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