Der feste Trottel. Über einen Satz des Sebastian Kurz.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 458

Armin Thurnher
am 02.07.2021

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Es ist keine Frage von Mögen und Nichtmögen. Bekanntlich mag ich Sebastian Kurz nicht. Aber nicht aus persönlichen Gründen, denn seine Person liegt jenseits meiner Möglichkeiten. Bundeskanzler Sebastian Kurz, das ist eine Überforderung, eine Provokation, eine Zumutung. Es ist eine contradictio in adjecto, die bloß keiner mehr hört.

Je gewandter der Kerl wird, mit fortlaufender Amtszeit ist das fast unvermeidlich (Amtszeit ist Einschulungszeit), desto mehr. Schon die Art, wie er versuchte, aus dem scheußlichen Sexualverbrechen und dem Mord an einem 13jährigen Mädchen politisches Kleingeld zu schlagen, war an Würdelosigkeit kaum mehr zu unterbieten. Dass die Assistentinnenschaft der Würdelosen, von Edtstadler bis Wöginger, seine Stichworte nachplappert, gehört zum Spiel.

Diese machtversessene und machtvergessene Partie zieht das Niveau von Regierung auf subterrane Ebenen hinunter, die es einem schwer machen, auf Metaphern aus der Population des Erdreichs zu verzichten. Und sie zelebrieren ihren eigenen unterirdischen Status mit dem Gestus moralischer Überlegenheit – es ist eine verdrehte Welt von vorn bis hinten. Sehr gut passte dazu der Auftritt des Kanzlerdarstellers im Untersuchungsausschuss. Die ÖVP, im Glück, als erste Fragen zu stellen, und begleitet vom zufriedenen Feixen eines an Aufklärung desinteressierten, am Schutz der – falls türkisen– Auskunftsperson aber höchst interessierten, befangenen Nationalratspräsidenten Sobotka, schlug mit der Zeit gleich auch die Würde das Hauses tot.

Sie machte klar, dass es bei diesem Kanzler nichts aufzuklären galt. Der hatte zwar bei seiner ersten Befragung so getan, als kenne er Thomas Schmid kaum, jenen Mann, den er – real, nicht formal – zum ÖBAG-Chef machte und dem er versicherte, er bekomme eh alles, was er wolle, worauf dieser schrieb, er liebe seinen Kanzler, was aber ganz und ganz einseitig war, denn Kurz kennt den Mann, dem er alles zu geben bereit war, was dieser wollte, ja nur von ferne, gleichsam aus der Zeitung. Das hatte er dem Ibiza-Untersuchungsausschuss gesagt, und das trug ihm den von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft untersuchten Vorwurf ein, es habe sich um eine falsche Zeugenaussage gehandelt. Ein Verdacht, der sich aufgrund der bekanntgewordenen Chat-Dialoge geradezu aufdrängt.

Wir haben ja keinen Zweifel daran, dass Herr Kurz nicht immer sagt, was er denkt, ja bisweilen das genaue Gegenteil dessen, was er denkt, und sich damit so verhält, wie sich der kleine Maxi den Politiker vorstellt. Seine Kleinmaxi-Kompatibilität ist vermutlich das Geheimnis seines Erfolgs. Nicht anpatzen! Wir doch nicht, nein, wir sind die mit dem neuen Stil, sagte er. Als mehrfach von ihm und seinen Paladinen Angepatzter darf man sich mitgemeint fühlen.

Das alles wissen Sie, das alles kotzt mich an wie eh und je, das alles muss ich Ihnen immer wieder sagen, ihm brauche ich es nicht zu sagen, ihm gegenüber habe ich keinerlei Besserungsabsicht, ich bin ja nicht blöd, dass ich mich auf diese Weise instrumentalisieren lasse.

Ich darf nur auf einen interessanten Satz verweisen, den Kurz im Zusammenhang mit der „Frage“ eines türkisen Ausschussmitglieds von sich gab. Diese türkisen Politiker sind ja, wenn es um Türkise geht, nichts anderes als ein Zeugenschutzprogramm. Schwarze Vorgängergenerationen hätten dafür sich noch geniert. Türkis geniert sich für nichts.

Der Website orf.at entnehme ich folgenden Vorgang:

»(Kurz sagte) „Der Vorwurf, dass die Volkspartei bestechlich ist, sei an „Absurdität nicht zu überbieten“: „Zu glauben, dass jemand eine Straftat begehen würde, sein Leben wegzuwerfen, ins Gefängnis zu gehen – alles für eine Spende an die Volkspartei“, sei völlig absurd. „Dafür, dass der persönlich überhaupt nichts davon hat, sondern nur die Institution (die ÖVP, Anm.), da müsst der schon ein fester Trottel sein“, so Kurz auf Fragen von ÖVP-Mandatar Klaus Fürlinger.«

Damit bestätigte er alles, was ich immer über ihn sage. Gab es vor dem Jahr 2000 politische Korruption vor allem im Interesse der Partei (auch die Macht roter Bonzen war immer Macht für „die Partei“, dachten sie zumindest), änderte sich das etwa ab Karl Heinz Grasser, und Politiker glaubten sich befugt, kraft ihrer Intelligenz und Schönheit auch die Lizenz gezogen zu haben, schnell reich zu werden. Man bereicherte sich nun ungeniert selbst, schob aber dabei doch immer irgendwie eine Partei vor.

Allein diese Idee kommt nun dem Chef nein, nicht der Österreichischen Volkspartei, der NeuenVolkspartei/Liste Sebastian Kurz, so absurd vor, dass er ihren Träger als „festen Trottel“ bezeichnet.

Wer nicht brutal egoistisch handelt, ist ein Tepp. Wer etwas nicht für sich tut, sondern für eine Institution, Idee, Organisation, kurz, für andere, der ist ein „fester Trottel“. Was brauchen wir den Vorwand von Partei, Staat, Gemeinschaft? Da müssten wir ja feste Trottel sein! Uns hat der grenzenlose Egoismus des Herrn mit der kastanienbraunen Haarskulptur zu genügen, der was kein fester Trottel ist, sondern ein ungefestigtes Schlaucherl, das sich um so mehr zu erkennen gibt, je mehr es sich verstellt.

Was immer es ist, von einem solchen will ich nicht regiert werden.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!