Hanger. Diskurszerstörung als Herrschaftsform.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 450

Armin Thurnher
am 23.06.2021

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Phantastisch, wie öffentliches Sprechen zerstört wird. Wir haben in den vergangenen paar Jahren dabei Riesenfortschritte gemacht. Die Partei des Fortschritts ist die Neue Volkspartei, irrtümlich noch ÖVP genannt, obwohl sie auf dem Wahlzettel der Nationalratswahl als „Neue Volkspartei, Liste Sebastian Kurz“ figurierte. Deswegen nenne ich diese Gruppierung auch NVP, was immer wieder Menschen verblüfft, die dem Bluff des Sebastian Kurz aufgesessen sind.

Regelmäßig vor Regionalwahlen müssen Landeshauptleute dieser Partei Auskunft geben, ob sie nun Schwarz oder Türkis sind. Die Ungewissheit beginnt also schon ganz oben. Und sie ist bewusst gestreut. Was ist aus dieser Volkspartei geworden?

Solche Besorgnis mag aus meinem Mund merkwürdig klingen. Versucht man, einen Schritt zurückzutreten und den Kopf aus dem jeweiligen Schurbelwirbel herauszuheben, in den einen diese Leute hinein zu ziehen versuchen, kann einem erst recht schwindlig werden. Das fällt nicht ganz leicht, denn genau darum geht es diesen Leuten, von Sebastian Kurz abwärts. Andreas Hanger  ist die aktuelle Erscheinung eines Unternehmens, das sich dem Abbruch des politischen Diskurses widmet.

Es begann mit der Idee, moderne, US-amerikanische Propagandamethoden zu verwenden, diese aber diszipliniert durchzusetzen. Die Idee war nicht neu, auch die SPÖ hatte längst das Konzept traditioneller Politik aufgegeben, wenngleich sie erst mit Werner Faymann die Begründung von Politik durch politische Ideen ad acta legte und sie durch totale Medialpartnerschaft ersetzte.

Ihr Prinzip der freundschaftlich-verwandtschaftlichen Haberei („Onkel Hans“ nannte man den Herausgeber der Krone, woraus sich selbstverständlich Nepotismus als Politikform ergab) mutet wie Gartenlaube an, vergleicht man es mit der beinharten Cash-and-Carry-Medienpolitik des Kabinetts Kurz. Man scheißt die Boulevard Medien zu mit seiner Kohle, um sich dann vom Parfüm der wohlwollenden Berichterstattung umnebelt zu präsentieren. Es duftet in dieser Republik wie in der Parfümerie Augias. Genau genommen ist es natürlich unsere Kohle, mit der hier zugeschissen wird, denn es handelt sich um großzügig verteiltes Steuergeld.

Das Rezept ist nicht neu, neu ist die Konsequenz. Sozialdemokratische Medienpolitik verfuhr ähnlich, ließ aber doch den politischen Gegner am Leben und spendierte allfälligen nicht zu Vereinnahmenden ein paar Brosamen, immer in der Sorge, dabei nicht auffällig zu werden und das Missfallen der Konkurrenten zu erregen, die messerscharf jeden Euro öffentlicher Mittel registrierten und für sich beanspruchten.

Diese Inkonsequenz ist weg. Kritikern wird die Kohle gestrichen. Siehe News, siehe Falter. Das macht aus einem halb charmanten, halb korrupten Schlaucherlsystem eine gefährliche Veranstaltung.

Das System Kurz besteht darin, diese Konsequenz auch auf öffentliche Auftritte aller auszudehnen, die es repräsentierten. Vor Kurz war Politik meist mit dem Charme des schlampigen Dilettantismus aufgetreten. Jede journalistische Praktikantin vermochte politische Repräsentanten mit ein paar halbwegs geschickten Fragen gegeneinander auszuspielen, worauf die gleichen, die den Streit angezettelt hatten, den Schreckensruf ausstießen: Sie streiten schon wieder!

Damit machte das System Kurz Schluss, indem es Einheit verordnete. Man erklärte den kommunikativen Ernstfall. Wo zuvor heiteres, aber harmloses Chaos geherrscht hatte, gab nun die Zentrale die Parole aus. Parole, das heißt Sprechweise. Man lernte von Trump und der amerikanischen Rechten. Man schiss nicht mehr nur die Medien zu mit Kohle, man adelte, wie man auf dem Land sagt, mit dem Güllewagen die gesamte Öffentlichkeit, dabei dem bekannten Rezept des rechtsextremen Trump-Beraters Steve Bannon folgend.

Was der Auftritt von Figuren wie Andreas Hanger dabei bedeutet, kann man nicht klar genug sagen. Diese Typen gehen mit Gusto in der Rolle auf, die ihnen der Herr am Ballhausplatz vorschreibt. Sie machen den Ventilator, gegen den die Scheiße geworfen wird. Ihr Mediencoaching folgte offenbar sprachlich und gestisch einem Prinzip: Rotiere wie ein Propeller, schlage um dich. Deshalb das hilflos anmutende Gefuchtel des Hanger, das jeder rhetorischen Kunst Hohn spricht, weil die Geste so offenbar von jedem Sachgehalt losgelöst ist. Ohne Beziehung zu Hangers Gefuchtel, aber beziehungslos wie dieses schlagen auch seine Worte um sich. Hangerworte sind Erschlagworte. Derschlagworte.

Es gibt nur eines, was an der Erscheinung dieses Mannes präzise ist: sein Auftrag. Dieser besteht darin, einerseits öffentliches Sprechen zu einem sinnentleerten Akt zu machen, dem mit Kritik nicht beizukommen ist, sodass die Kurz-Partie unkritisierbar wird. Andererseits soll damit der Feind (nicht mehr der Gegner) fertiggemacht, erschlagen, vernichtet werden.

Nicht neu für die Politik, sagen sie? Mit dieser Konsequenz, mit diesem Nihilismus jedem Sinn gegenüber und mit dieser Verachtung der traditionellen Rolle demokratischer Politik, jeder Verantwortlichkeit und jedem Muster des öffentlichen Rollenspiels gegenüber ist das wohl neu. Bisher nahm man an, Staatsleute spielten der Öffentlichkeit Wohlanständigkeit mit dem Hintergedanken vor, ein Muster abzugeben, und durch dieses Vorspielen dann dem Vorgespielten doch wieder nahezukommen. Nicht ungefährlich, dieses Spiel, wenn die Rollen zu gut sichtbar auseinanderklafften, gab es Revolution.

Politische Bösclowns wie Trump, und mutatis mutandis Hanger, geben dieses konventionelle Spiel auf (Sobotka, Edstadler, Blümel, Landwirtschaftsministerin Löwinger und auf seine softe Weise Kurz brillieren naturgemäß ebenfalls in diesem Genre). Sie wollen nur zerstören, um ihre Macht zu erhalten. Und wenn die Demokratie im Weg steht, dann zerstören sie halt diese. Und zwar diszipliniert. Das verleiht den hangerschen Worten und Gesten etwas Gespenstisch-Absurdes, ja Sadistisches. Die Brutalität, mit der uns dieser Bösclown malträtiert, hat etwas von Clockwork Orange.

Er meint es nicht so? Er meint es genau so. Er will den Falter diskreditieren, ja zerstören.  Uns, die wir unter Entbehrungen (diese Phrase muss ich mir gestatten, denn es war wirklich nicht immer leicht) seit Jahrzehnten gegen die österreichische Medienkorruption nicht nur anfuchteln, uns, die wir versuchen, dieser Medienkorruption eine andere Praxis entgegenzusetzen, will er als korrupt hinstellen, als so wie eben alle anderen auch. Florian Klenk, den die Kurzisten als Gegner fürchten und mit Klagen eindecken , porträtiert er als Inseratenkeiler, um ihm die Glaubwürdigkeit zu nehmen. Das sind Angriffe, die clownesk daherkommen, aber die Absicht haben, tödlich zu verletzen.

Es könnte uns wurscht sein, wir könnten sagen, was regen wir uns auf, wir machen doch nur den Schmähbruder stark, wer nimmt den ernst, was kümmert es die Eiche etcetera. Leider nicht möglich. Denn es geht nicht nur um Hanger und den Falter. Es geht darum, dass diese Leute mit ihrem System nichts anderes wollen, als die Grundlage jedes öffentlichen Gesprächs zu zerstören und ein Milieu zu schaffen, in dem es egal ist, was wahr ist und was nicht. Ein Paradies für Lügenkönige, in dem Recht zu Unrecht wird, Unrecht zu Recht, und in dem Kurz regiert.

Deswegen geben wir hier keine Ruhe. Fortsetzung folgt.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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