Erinnerung an Robert Hochner

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 441

Armin Thurnher
am 12.06.2021

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Ich verdanke dem heute vor zwanzig Jahren gestorbenen ORF-Moderator Robert Hochner sicher eine der würdigsten Stunden meiner journalistischen Existenz. Falls Sie es nicht wissen, er rief mich zu sich, als sein Tod nur mehr eine Frage von Tagen war, und gab mir sein letztes Interview, das wir in zwei Teilen brachten. (hier und hier). Darüber wurde und wird geschrieben. Hochner selbst begründete es unter anderem damit, er wolle nicht, dass Fellner das Ding in die Hände bekäme und dann so etwas draus mache wie „Hochners Vermächtnis“.

Robert Hochner beim Moderieren der ZiB 2

Dreimal dürfen Sie raten, was geschah. Fellner bot mir Geld, falls ich ihm das Interview überließe, als ich ablehnte, stoppelte er irgendwas aus alten Statements zusammen, gab es als „Hochners Vermächtnis“ aus und druckte es so in der von ihm herausgegebenen Illustrierten „News“. Hochners Witwe Clarissa Stadler klagte Fellner, übrigens erfolglos. Gerhard Weis, Generalintendant der ORF – damals hieß es noch so – stoppte auf meine Intervention wenigstens die Werbung für Fellner.

Mit Gerhard Weis konnte ich gut reden. Er hatte mir und dem Kollegen Martin Staudinger einmal ein Interview gegeben, als er noch Radiodirektor war. Dass wir das Interview erstens so publizierten, wie er es gegeben hatte, dass wir zweitens keine erpresserischen oder andere Forderungen damit verbanden, und dass wir drittens keine parteipolitische Motivation erkennen ließen, verblüffte Weis so, dass er mich fortan für einen guten Journalisten hielt und immer wieder mit mir redete.

Ich glaube, er genoss die für ihn völlig ungewöhnliche Situation, dass da einer war, der nichts von ihm wollte und auch keine Hintergedanken hatte, außer jenen Gedanken, die ich mir halt über Medien so mache. Sie haben keine Ahnung, wie unverschämt diese Leute sind, sagte er über die Fellners, wenn ich ihm diverse Kooperationen des ORF mit ihnen vorhielt, und so genau wollte er es mir dann auch wieder nicht erzählen. Die skandalöse Hochner-Werbung stoppte er, immerhin.

Übrigens gelang es uns öfter, diese Verblüffung bei Gesprächspartnern hervorzurufen. Was einiges über den damaligen Zustand des österreichischen Journalismus sagt. Otto Schulmeister zum Beispiel, der legendäre Chefredakteur und Herausgeber der Presse, konnte nicht glauben, dass wir sein Gespräch mit Franz Schuh genau so brachten, wie die beiden es führten. Er blieb lebenslänglich erstaunt und wurde ein verquerer Fan.

Am Ende war auch Robert Hochner so ein Fall. Ich hatte vorher das ein oder andere Gespräche mit ihm geführt, was man heute nicht mehr weiß, da der Falter der vordigitalen Ära nur für jene wenigen existiert, die entweder dabei waren oder wissen, dass es Archive auch in nicht-digitaler Form gibt. Wir vom Falter beschäftigten uns von Anfang an programmatisch mit Medien, einem Thema, das bei anderen Medien damals hauptsächlich unter „Kollegenschelte“ lief.

Man muss auch sagen, dass es nicht selbstverständlich war, mit dem Falter zu sprechen. Wir unsererseits fühlten nicht die Verpflichtung, mit allen zu reden, sondern nur mit denen, die uns interessierten. Manche Mächtige weigerten sich programmatisch, etwa Gerd Bacher oder lange Zeit auch Christian Konrad; als dieser dann doch weich wurde und der Kollegin Horaczek ein Interview gewährte, rief er mich eigens an, nur um mir zu sagen, er habe mit dem Falter gesprochen. Was mich offenbar weniger überraschte als ihn.

Hochner, ich gebe es zu, schien mir anfangs etwas schnöselhaft. Seine Art, mit Pfeife, englischem Sakko und Herald Tribune ostentativ wichtig in Cafés herumzuhocken, wirkte auf uns eher räudige Typen alles andere als cool. Auch schien uns ein Moderator einer ORF-Nachrichtensendung, und sei er noch so charmant, intelligent und originell, nicht der bewundernswerte Inbegriff der Menschheit, sondern halt auch einer, der in einem Mainstreammedium seinen Job macht. Cool waren doch wir, die wir auf den Mainstream pfiffen!

Den Job machte Hochner prima, keine Frage, und dass er sich am ORF und den dortigen, immer wieder ins Parteipolitische und Kleinkarierte lappenden Gepflogenheiten stieß und rieb, machte ihn mir sympathisch. Auch im Gespräch war er geistesgegenwärtig und gut, und natürlich war seine Prominenz für ein kleines Medium wie den damaligen Falter ein Geschenk.

Dass er den Job aufgab und sich als Chefredakteur der AZ versuchte, konnte nicht gutgehen und war weniger seiner Selbstüberschätzung zuzuschreiben als vielmehr seinem Versuch, dem ORF zu entrinnen. Natürlich waren seine Popularität und Bekanntheit der Hauptgrund für Hans Schmid, der die AZ von der SPÖ übernommen hatte, Hochner zu engagieren. Es konnte nicht klappen, nicht nur, weil Print und Fernsehen anderes erfordern.

Hinter Hochner lauerte immer eine tiefe Traurigkeit, man kann es Depression nennen. Er war bei aller scheinbarer Leichtigkeit und Ironie auf Du und Du mit einer Schwere, die auf ihm lastete. Prominenz und Glamour mochten das Gewicht zweitweise leichter machen; von dieser Art Trost war bei der AZ nichts zu holen, obwohl Schmid seine werblichen Möglichkeiten als Eigentümer einer großen Werbeagentur nutzte und Hochners Porträt österreichweit plakatieren ließ.

Hochner kehrte in den ORF zurück, erkrankte schwer und starb bald danach. Dass er mir und dem Falter sein letztes Interview gab, und wie er das begründete, vergesse ich ihm mein Leben lang nicht. Es war, wie Krone-Chef Hans Dichand – auch so einer, der mir das Gespräch verweigerte – auf sich bezogen zu sagen pflegte, ein zu großes Geschenk.

Die Größe konnte ich an meiner Angst ermessen, es zu versemmeln und an meinem Zittern, das Tonband würde versagen (was mir einmal zuvor passiert war, ausgerechnet mit Wolfgang Fellner; wir wiederholten das Interview, das wäre mit Hochner nicht mehr möglich gewesen). Ich bereitete mich nicht vor, oder nur so, dass ich mir überlegte, wie ich ihm nicht im Weg stehen würde bei dem, was er sagen wollte. Und wie ich die Geistesgegenwart aufrecht erhielte, zu reagieren und ihm ein Gegenüber abzugeben, das ein wirkliches Gespräch zuließe. Kein Abfragen vom Zettel, kein Zitatemelken. Nichts, was ich im Nachhinein ummontieren und aufputzen konnte oder wollte.

Das war ich ihm schuldig, und er ließ sich darauf ein mit aller Kraft, die er noch hatte. Es ging gut. Es war intensiv, denn wir waren immer zu dritt mit dem Tod. Tatsächlich wurde daraus, was er sich als „ein Fresko“ gewünscht hatte. Man kann es nachlesen.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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