Bananen für Blümel

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 411

Armin Thurnher
am 07.05.2021

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Gestern hatte ich die Ehre, mit der berühmten US-amerikanischen politischen Philosophin Nancy Fraser ein Gespräch zu führen. Sie hat Überlegungen zu Corona angestellt, die in dieser Radikalität selten geäußert werden, und sie ist eine vehemente Kritikerin des Neoliberalismus. Es war ein feines Gespräch, fand ich, viel zu kurz, wie man es immer bei solchen Gesprächen empfindet, wenn man nicht einmal ein Drittel der Frage stellen konnte, die man vorbereitet hat. Darüber reden wir vielleicht noch ein andermal.

Fraser sagte in unserem Gespräch, wir leben in einer Übergangszeit, die neoliberale Hegemonie gehe zu Ende, aber es sei unklar, was komme. Mit dem Wort Übergangszeit zitierte sie Antonio Gramsci, jenen italienischen Marxisten, der in Mussolinis Kerker starb und dessen „Gefängnishefte“ zum Thema Hegemonie Studienmaterial für Generationen von Linken bilden. Die Überganszeit ist dadurch gekennzeichnet, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann. Man weiß nicht, wie es aussieht, wird es ein reformierter Kapitalismus sein, progressiv oder autoritär, wird es ein neudefinierter oder nur neufrisierter Sozialdemokratismus sein oder enden wir alle als Vasallen chinesischer Dominanz.

Abwarten, grünen Tee trinken. Vielleicht kommt ja doch der Ökosozialismus.

In Österreich hält zwar der Weltuntergang seine Probe, aber wir können uns die großen Übergänge in der Regel aus der Loge unserer Zeitversetzheit ansehen. Während anderswo in Europa die Hegemonie Neobonapartismus (Macron), neogrüner Hegemonie (Deutschland) und expropriativem Taschendiebsfaschismus (Ungarn, Slowenien) zuneigt, pflegen wir in Österreich eine andere Variante: die des neoliberal-rückständigen Lauserregimes.

 

Die Türkisen treiben ihre Schamlosigkeit in wahrhaft schwindelnde Höhen. Sie genieren sich für überhaupt nichts mehr. An ihren Kopfhaltungen sollt ihr sie erkennen, und daran, wie sie dastehen und dasitzen. Das alles haben sie sorgfältig eintrainiert, sodass die verbalen Frechheiten, die damit einhergehen, kaum mehr auffallen. Von den Taten zu schweigen.

Finanzminister Gernot Blümel, dessen 86fache Vergesslichkeit im Ibiza-Untersuchungsausschuss nur dadurch getoppt werden konnte, dass er das Ansinnen des Verfassungsgerichtshofs(!) ignorierte, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss Akten zu liefern, diesen Blümel hat man dabei sofort vor Augen, wie er dasitzt oder im Parlament  in türkisen Socken dalümmelt, eine wohlbeabsichtigte Provokation aus Selbstgefälligkeit, ein postpubertäres Machtposieren, mit dem die Bubis signalisieren, wie sehr ihnen dieses Rechtsstaatsgetue am Arsch vorbeigeht, während ihr Laptop, den sie gar nicht haben, mit dem Kinderwagen spazierenfährt, derweil zuhause Durchsuchung ist.

Ja, dieser Blümel braucht auf nichts zu antworten, denn er ist ein Ausbund von Unverschämtheit, der auch nichts dabei findet, den Bundespräsidenten zum Hilfssheriff zu degradieren, auch das eine Zumutung der besonders tiefen Art, die Beobachter doch dadurch erhöhen, dass sie begeistert bemerken, das sei noch nicht dagewesen. Klimakatastrophe auch hier: Totalverlotterung der politischen Sitten in der Alpen-Bananenrepublik.

Die Schwindeleien von Blümels Spezl, dem Bundeskanzler, passen dazu. Der Leider-Ja-Schredderer setzt Österreichs Standing in der EU durch frivole Impfstoff-Tricks aufs Spiel, poussiert mit Putin wegen Sputnik, woraus natürlich nichts wird, und hofft bei jeder Pose, die er einnimmt, bei jeder Maske, die er abnimmt, bei jedem Mikrophon, das er mit narzisstisch präparierten Phrasen ansäuselt, nur eines: dass seine Popularitätskurve wieder steigt.

Keine Sorge, unser von ihm in Medien investiertes Steuergeld sorgt dafür.

Dazu noch der verhaltensauffällige böse Onkel der Knaben, Wolfgang Sobotka, der sich in einer einzigen Woche derart disqualifizierte, dass er woanders nicht einmal mehr zu Regionalradios vorgelassen würde, geschweige denn ein Amt bekleiden könnte, dieser Sobotka amtiert und provoziert weiterhin, wie er will. Ein Nationalratspräsident, der im Fernsehen einfach daherlügt, in deutschen Untersuchungsausschüssen gebe es keine Wahrheitspflicht: ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham. Wenn man noch lachen oder sich noch schämen könnte.

Dass diesen Kerlen und den zugehörigen Kerlinnen nicht ein einhelliger Dauerchor medialer Rücktrittsrufe entgegengellt, sagt alles über dieses Land, in dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk – abgesehen von den üblichen Verdächtigen – behutsam durch solche Stromschnellen navigiert, weil sich der Generaldirektor naive Hoffnungen auf eine Wiederwahl macht. Oder vielleicht gar nicht naive, denn er wird den Knaben so viel versprechen wie er kann, um es dann nicht zu werden oder doch, eh schon wurscht. Die Knaben werden sich in ihrem neoliberalen Bubensadismus über seine Qualen genauso amüsieren wie über die Qualen jenes Vikars, den der noch immer unbehelligt amtierende Öbag-Direktor als steuernder Finanzbeamter unter freundlich teilnehmender Chat-Zustimmung des Bubenkanzlers derart mit Steuererhöhungen für die Kirche bedrohte, dass diesem der Schweiß ausbrach und er vor Angst zitterte. Gib Vollgas!

Habe ich neoliberal gesagt? Postfeudale Rotzer, vielleicht trifft’s das besser. Wie lange noch werden sie unsere Geduld missbrauchen? Lange, und sie werden dabei viel zerstören, denn die Geduld Österreichs ist länger als seine Wut tief.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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