Neue Serie! Fifty Shades of Fellner. Heute: Der rasende Präsident

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 409

Armin Thurnher
am 05.05.2021

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Ob es wirklich 50 Folgen werden, sei dahingestellt. Dass das Grau gegen Zappenduster tendiert, ist lässt sich nicht bestreiten. Mein Erinnerungskistchen gäbe 50 Folgen allemal her, und so werden einige meiner Fellner-Texte in loser Folge veröffentlicht, an dieser Stelle, Seuche bleibt Seuche. Fellner ist eine Krankheit, unter der Österreich seit ihrem Auftreten leidet. Leider ist die Herdenimmunität längst erreicht, das heißt, alle sind hinlänglich infiziert, um die Seuche gar nicht mehr zu bemerken. Der hier zitierte Text erschien aus Anlass einer jener Jubelfeiern, die Fellner als Anlässe zelebrierte, um zu zeigen, wie sehr er sich die Stadt und das Land untertan gemacht hatte, und zu denen ich mich als leidensfähiger Berichterstatter öfter begab, als es mich freute und meiner Seelenruhe guttat.

Einige dieser Berichte erschienen in der vordigitalen Ära, aber die mir erinnerungswürdig scheinenden unter ihnen werde ich hoffentlich finden. Dieser Bericht erzählt von der Zehnjahres-Feier der Illustrierten News. Wenn er feststellt, Fellner habe sich auch das Profil untertan gemacht, so stimmt das gesellschaftsrechtlich gesehen nicht mehr, gesellschaftlich dafür umso mehr. Fellner machte eine Art des Journalismus heimisch, die nur Vorkriegsvorbilder hatte (davon ein andermal). Zuerst finanzierte ihn die Sozialdemokratie, er aber bediente sich jedes Geldgebers, den auch er bedienen konnte, bis wir alle so bedient waren, dass uns nur mehr strikteste Quarantäneregeln hätten retten können. Aber die waren noch nie unsere Stärke. So hat Fellner uns alle korrumpiert, jene, die sich von Anfang an mit ihm beschäftigen wie mich, und jene, die sich jetzt unversehens über ihn erheben, da er zum MeToo-Fall wurde.. Wenn das kein epochaler Triumph ist!

Der Text nannte sich „Jubiläum. Mein Leben mit dem Erfolg. Erratische Erinnerungen anlässlich einer Erzählung von Wolfgang Fellner über zehn Jahre News“, erschien im Falter 38/02 vom 18. 09. 2002, und ging so:

»Austern. Austern satt. Sie waren mein einziger Trost bei dieser Veranstaltung von monumentaler Trostlosigkeit. Ich würgte hinunter, soviel ich konnte. Der Ekel verging trotzdem nicht. Im Gegenteil. Angesichts der versammelten Menschenauswahl wurde er durch die Erkenntnis noch gesteigert, selber einer von denen zu sein. Einer von viertausendfünfhundert Prominenten. Von „ganz Wien“, wie die Sprachregelung lautet. Sie (das heißt wir, das heißt es) waren am 12. 9. 1992 „auf den Beinen, um im Palais Auersperg den nun auch öffentlichen Start von News zu feiern“ und „rissen sich um nur 2000 NEWS-Hefte der ersten Ausgabe“.

Diesen gerissenen Formulierungen hat, die Leserschaft ahnt es bereits, der Generalherausgeber Beine gemacht, Wolfgang Fellner persönlich, in der letzte Woche erschienenen Jubiläumsausgabe von News. Ein ganzes Jahrzehnt als Sonderheft, mit Gutschein billiger. Es war zwar meiner Erinnerung nach nicht das Palais Auersperg, sondern das Palais Liechtenstein, in dem die erste Ausgabe von News offiziell präsentiert wurde, aber Fellner hat mit allem Recht: „Der News-Erfolg war von Beginn an überwältigend.“ Dafür sorgten schon die Prominenten. Halb überwältigten sie, halb ließen sie sich überwältigen.

News Nr. 1. Der Coverheld war bei der Präsentation zugegen, darunter tat es Wofe nicht. Er signierte gern, leider hing das Exemplar verloren. Foto: Archiv

Thomas Klestil, „der rasende Präsident“, wie ihn News auf dem ersten Cover nannte, gab im weißen Business-Hemd und in optimistischer Macher-Pose nicht nur das erste Cover-Model von News. Er signierte bei der Präsentation auch auf Wunsch Magazine. Meiner Freundin sah er mit leicht verschwimmendem Blick (damals war er noch glücklich verheiratet) tief ins Auge und fragte, wie er denn unterschreiben solle. Das Heft mit dem „Thomas“-Autogramm ist heuer leider zum Flutopfer geworden. Damals spülten wir mit Champagner nach.

Was bleibt, ist der Eindruck von News als Medium des Gegengeschäfts. News verleiht Prominenz und News benützt sie. Das Magazin hat am Spieltisch der Eitelkeiten die Rolle der Spielbank. Verlieren können höchstens die Spieler, die keinen Kredit mehr bekommen, nie das Casino. Umgekehrt lebt das Casino von den Einsätzen der Spieler; Jörg Haider ist der Oberglücksspieler bei News, sein Ziel und der Zweck von News verschmelzen zu einem einzigen, ununterscheidbaren Gemenge. Wie einst Gernot Rumpold als Haiders Wahlmanager über die vielen News-Covers und Storys sagte: „Wir hätten es nicht besser machen können.“

Umgekrempelt habe News die österreichische Medienlandschaft, sagen viele befragten Promis im Jubiläums-News. Was sollen Sie sonst sagen? Es ist doch von Anfang an wahr gewesen. Der Generalherausgeber (GHG) berichtet: „Helmut Zilk, Franz Vranitzky und Thomas Klestil sprachen bereits von einer neuen Medienära.“ Das muss wohl stimmen, denn Jahre später hörte ich mit eigenen Ohren, wie ein Bundeskanzler namens Klima von einer neuen Medienära sprach. Lieber als jene, sagte er, die zum Zerschlagen aufrufen (solche wie mich), möge er jene, die, wie die Fellners, „etwas aufbauen“. Das war im Burgtheater, bei der Präsentation des Nachrichtenmagazins Format, das wiederum Klima auf dem Cover hatte (neben kurzlebigen Leichtgewichten wie Schröder und Blair). Denn auch die edle österreichische Institution Burgtheater war bei den Bemühungen der Fellners drangekommen, mit ihren periodischen Promi-Auftrieben Duftmarken im österreichischen Kulturkontinent, sprich in der Wiener Innenstadt zu hinterlassen.

Sage keiner, die Fellners wären nicht kritisch: Gnadenlos outete der Präsident sich und seine Eheprobleme in News. Gnadenlos präsentiert News die Fotos von Klimas neuer Freundin. Das sind eben ethische Standards: Man wird nicht weich, bloß weil einem Promis einen Gefallen tun. Dass Klima sich mit Boxhandschuhen fotografieren ließ, schützt ihn noch lange nicht vor der Paparazzi-Wahrheit, wenn er mit der Freundin segeln geht. Dafür werden die Damen im Ranking „Die 100 wichtigsten Frauen Österreichs“ auf Platz 14 (Edith) und Platz 51 (Sonja) gesetzt; Margot Klestil-Löffler belegt Platz 15. Größer als ihre Macht ist nur noch die Weisheit der Fellners.

Ein paar Monate nach dem Erscheinen von News fragte mich ein News-Redakteur, ob und an welcher Stelle ich Österreich bewegen wolle. Ich verstand erst nicht, was er meinte, sagte aber dann, es sei mir egal. Ein paar Wochen später war ich Nummer 486 unter jenen Menschen, „die Österreich bewegen“. Danach schrieb ich in meiner Falter-Glosse, auch auf Sizilien gälten manche Käse erst als delikat, wenn sie sich auf den Hand bewegten. Nur sei noch keine auf die Idee gekommen, die Maden durchzunummerieren. Im nächsten Jahr war ich nicht nur aus der Liste der Österreich-Beweger eliminiert, mein Bild erschien in der Rubrik „Absteiger des Jahres“.

So neu ist das auch wieder nicht. Aber als Prinzip ergibt es vielleicht eine neue Medienära: Spiel mit, oder es wird dir mitgespielt. Die neue Ära begann übrigens nicht, wie ich bisher meinte, in der Salzburger Rennbahnsiedlung, wo die Fellners ihre Schülerzeitung Rennbahnexpress gründeten, sondern in der Innenstadt von NYC, im 20. Stock des Time-Inc.-Towers, wie GHG Fellner berichtet. Doch ach, „der Traum, einen Verlag wie Time Inc. in Österreich je realisieren zu können, schien unerfüllbar.“ Heute aber ist Österreich erfüllt, alle Magazine erscheinen in der News-Gruppe, auch das Profil gehört zum Mediamil-Komplex, sind eh nur alte Haberer, „Redaktionsteams, die in Wahrheit immer Freunde waren“, wie der GHG weiß.

In Wahrheit hat sich das Prinzip Fellner durchgesetzt, der Traum vom Gegengeschäft. Flugkilometer und Lauda-Prominenz: Medien-Österreich ist umgekrempelt. Am Ende konnte sich Fellner selbst auflösen und in sein Phantom verwandeln. Er erschien bei der Vizekanzlerin und beim Klubobmann der FPÖ, wonach der FPÖ-Justizminister seine Bedenken gegen die Fusion von News-Gruppe und Trend-Profil-Gruppe ad acta legte. Leider hatte Fellner seine Prominenz nicht bedacht und wurde im Vorzimmer Riess-Passers erkannt. Es müsse sich, sagt er darauf nicht maulfaul, um sein Phantom gehandelt haben. Ein Dump, wer Böses dabei denkt!

Die wahre Umkrempelung der Medienlandschaft besteht darin, den unbequemen profil-artigen Journalismus durch starken Vorbilddruck eingeschüchtert und durch Eingemeindung abgeschafft zu haben. Journalisten spielen fortan die Rolle von Meisterköchen: Hauptsache prominent. Bei einer News-Feier in der Oper waren sie (die Köche) wie Perlen hinter den Logen aufgereiht und kochten auf, Promis von News-Gnaden für Promis von News-Gnaden; die Journalisten betreuten derweil ihre Logen. Jetzt gehören alle zu News dazu. News ist die große österreichische Seelenkoalition, der Zustand permanenter Kooperation, permanenten Prominenzgehandels und permanenten Mitspielens. Phantome ihrer selbst. Wenige sind es, die nicht mitspielen. Als Robert Hochner dem Falter sein letztes Interview gab, weil er auf Cover von News nicht „Hochners Vermächtnis“ lesen wollte, las sein Publikum auf dem Cover von News die Worte „Hochners Vermächtnis“. In der News-Chronik scheint Hochner nicht 2001 auf, als er starb, sondern 1999: „Robert Hochner spricht in News berührend über seine Krebs-Erkrankung.“

Lassen wir das. News ist so etwas geworden wie der österreichische mediale Aggregatzustand. Fellners New Yorker Traum reifte und fiel uns als entsetzliche Wiener Wirklichkeit auf den Kopf: News ist ganz einfach Teil unserer Normalität. Unter Promis kann es sowieso keinen Zweifel geben: So müssen Medien sein. So müssen erfolgreiche Medien sein. Heinz Sichrovsky, der Kulturchef, der einst Thomas Bernhard auf der Gasse nachstellte und dessen Ablehnungsversuche als Interview ausgab, gilt heute als „Edelfeder“ und prägte „den unnachahmlichen, leicht ironisch-witzigen News-Schreibstil“. Das hilft zu ertragen, dass News dieser Tage zehn Jahre alt wird. Demnächst erscheint auch ein unnachahmliches Buch mit den besten News-Storys, und wenn sie ein Fest feiern, gehe ich sicher wieder hin. Hoffentlich gibt’s wenigstens Austern.«


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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