Abschied von Rudolf Burger. Elegie

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 398

Armin Thurnher
am 21.04.2021

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Rudolf Burger Ende der 1980er Jahre auf jenem ikonischen Foto, das gerne auch das Falter-Cover zierte. Foto © Rainer Dempf

Zeus bedeckte den Himmel mit Wolkendunst, als die Nachricht

auf dem Display erschien;  Rudi Burger ist tot.

Eben hatten einander wir noch gesehen, man präsentierte dein

Buch. Du sagtest zu mir –  darüber wollte mit dir ich noch

reden – (ich schrieb einen Text über dich, dich kritisch würdigend

wie man sagt, aber voll guten Willens) du nämlich

sagtest, ich hätte dich „exkulpiert“, weil der Text im Falter erschien.

„Lebte Hanna noch, hätte sie sich so gefreut.“

Groß war dein Schmerz, als sie starb, und groß war dein Schmerz, als

Freunde, die linken Freund ausstießen dich, weil du

nicht mehr einer von ihnen sein konntest, sein wolltest, wer weiß das.

Denken wechselt den Weg. Weggefährten verlier’n sich.

Rudi! Wer wäre ich, dich zu exkulpieren; aber

mit der Linken hast du   willentlich es dir verscherzt.

Was du nicht wahrnahmst, oder vielleicht erst am Ende

dass auch vom Gegner Respekt   galt deinem Intellekt.

Provokationen liebtest du, unschuldsmienig tratest du

an, als Czernin sein Buch  präsentierte über Franz,

Kanzler Vranitzky als „Haidermacher“. Hei, da tratest das

Gastrecht mit Füßen du   und zerlegtest Czernin mit

Plechanow. Nachklang war’s deines frühen Marxismus; Dialektisch

dachtest du immer auch wenn   Jünger dir näherkam und Benn.

Franz den Kanzler, den mochten wir beide, viele Jahre

diskutierten bei ihm wir zusammen in Dürnstein.

Dort kam zusammen, offen und folgenlos Weltreden führend

Kirche und Industrie  Heer und Philosophie.

Identitätspolitik, du erlebtest sie an deiner Uni, als

Magnifizenz, deren Macht   widerstrebte dir nicht.

Damals wohl brach das Band mit dem Falter, der, wie du’s sahst,

dir in den Rücken fiel.   Wir aber hatten einander

Solidarität nie geschworen. So gab eins das andere. Und ein

Missverständnis reiht   an das nächste sich an.

Falter-Autor der frühen Jahre, das warst du, und prägtest

scharf, polemisch und spitz   manchen Konflikt; mit Geste in

großen Essays. Bei Waldheim waren wir einig; aber Schüssel

brachte den Bruch. Seinen Bund   – Haider, die Rechte – sahst du

kühl, episodisch. Haider, die ausgebrannte Rakete,

Nazis und Rechte ein Reich,  wie Karthago versunken.

Darin waren wir nicht mehr einig, nicht im Urteil

übers Gedenken-Geschäft.   Niemals aber verloren

Umgangsform miteinander wir. Wohl, dass uns manches

aneinander missfiel, nie jedoch die Person.

Dumm wäre alles andre gewesen, sah doch jeder, was für ein

Kopf du warst. Geschmerzt   hat mich doch dein Boykott

unseres Blatts, das so lang das deine gewesen. Manchmal

schriebst du mir ein Billet.  Füllfeder, mikroskopisch die

Schrift, elegant und wertschätzend, manchmal boshaft der Inhalt.

Rudi, du mochtest an mir   Leichtigkeit scheinbar ohne

Mühe, wie du mir sagtest. Rudi, ich mochte an dir – nimm’s nicht

schwer – ja, dein Gefühl,  das du so gut hast versteckt.

Wie sonst hätte die Abwendung alter Freunde derart dich

treffen können und wie   wärst du so froh gewesen

über das Buch, das der treue Kraller herausgab, dir zu

Ehren, voller Respekt dort,  wo mit Ablehnung meintest

rechnen zu müssen du. Was für ein schöner Abend, die

Bäckchen glühten dir,  alle ludest zum Essen du,

jedem hattest du ein persönliches, ein versöhnliches Wort.

Was für ein letztes Mahl!   Reichtum in dürftiger Zeit.

Rudi, im Land, dem Selbstinfantilisierung zu Recht du

attestiertest, im Land   geistfremd phäakisch lederhosig

warst ein Fürst du im Reich des Geistes, kräftiger Denker

autonom bis zum Schluss    den du nach eigenem Wunsch

zogst, so frei im Tod, wie du im Leben es stets hast

nicht nur gefordert. Nein,   vorgelebt, vorgedacht hast du’s.

Früher wäre ich jetzt mit dir ins Fernsehen gegangen, nach

Mitternacht in den Streit   um die Frage: kann sein, dass

Rudi Burger tot ist? Es kann sein, aber es kann auch

nicht sein. Was du schriebst,   Rudi, das lebt. Noch eine Zeit.

Ade.


 Der Philosoph Rudolf Burger starb am 19. April im Alter von 82 Jahren in Wien.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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