Patzfamilie Kurz: ein Fall aus der Krabbelstube des neuen türkisen publizistischen Stils

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 388

Armin Thurnher
am 10.04.2021

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Da hat sich unser Bundeskanzler wieder etwas erlaubt. Er hat auf Twitter offiziell und zustimmend einen Schüleraufsatz verbreitet, der offenbar seinem Geschmack entspricht. Nun ist seine Twitter-Tätigkeit nicht gerade von Licht umstrahlt. Anders als sein Vorbild Donald Trump lässt er twittern, aber so genau wusste man das auch bei Trump nicht.

Der Mediengeschmack des Kanzlers Kurz

Jedenfalls verbreitete Bundeskanzler Kurz begeistert einen kleinen Aufsatz, der nicht einmal in einem Volksschul-Medienworkshop „Jugend forscht“ das digitale Licht der Welt erblickt hätte. Er erschien in einem Medium, das die NVP nach dem bewährten Vorbild von „unzensuriert.at“ gründete, und das ebenfalls einen ominösen Namen trägt: „Zur Sache“.

Vermutlich spielt die NVP auf den schon etwas abgelegenen Erfolgsfilm „Zur Sache, Schätzchen“ an und möchte damit den Geist ihrer diversen Bussi-Lieblings-Tweets evozieren.

„Zur Sache“ wird geleitet von Claus Reitan. Reitan ist ein altgedienter Journalist, stets diente er der alten ÖVP, jetzt, im türkisen Frühling, dient er als letzter Herrenreiter der neutürkisen Bataillone. Dabei tut er vornehm, als treibe er nicht Parteipropaganda, sondern Journalismus. Reitan hat eine kleine, ungeschützte Schreibwerkstätte eingerichtet, in der hoffnungsvolle Jungpatzer das Handwerk des Anpatzens für Kurz lernen. Von mir aus. Aber müssen sie das Zeug auch publizieren?

Das vom Kanzler retweetete Bubenstück bestand aus nichts als leeren, blöden Fragen unter dem Titel „Das Kartenhaus der Opposition bricht zusammen“, der wohl nur durch das aktuelle Cover des Magazins Politico zu erklären ist. „Zur Sache“ zeigte die Opposition in Gestalt dreier Personen, auf möglichst doof aussehenden Fotos: Steffi Krisper von den Neos, Jan Krainer von der SPÖ und Florian Klenk vom Falter.

Cover von POLITICO, Illustration @ Zoë van Dijk

Ich wusste zwar nicht, dass der Falter unter die Oppositionsparteien zu rechnen ist, kann aber dem Patztext von „Zur Sache“ entnehmen, dass der NVP der eigene, im Ibiza-Ausschuss trotz Sobotcatenaccio unverdrängbar zutage tretende toxische Sumpf nicht mehr wurscht ist.

Schauen wir uns schnell das Textchen durch. Aufgepasst, Lehrer Reitan und ihr Kurz-Patzln von „Zur Sache“!

Erstens: „Das Kartenhaus der Opposition bricht zusammen“, lautet die Überschrift des Textes, aber es bleibt bei der Behauptung. Dazu wäre zu bemerken, dass Phrasen wie zusammenbrechende Kartenhäuser generell vermieden werden sollen, speziell, wenn man selbst in einem sitzt.

Zweitens: Fragen wie „Wovor fürchtet sich die Opposition?“ oder Warum nur erlahmt ihr Eifer, kritische Fragen zu stellen? (beim „erlahmenden Eifer“ erwacht das Phrasenschwein mit Quiekton), sollten zumindest ansatzweise beantwortet werden, sonst zeigen sie nur die Ratlosigkeit der fragestellenden Kurz-Patzln.

Drittens: auch Behauptungen, es gehe „um ein doppeltes Spiel (Quiek!) von SPÖ und NEOS“ bedürften eines wenn auch noch so zarten Tatsachensubstrats. Warum interessiert sich die Opposition wohl weniger für Julian H., den Hersteller des Ibiza-Videos, und mehr für türkise Korruption? Der Versuch der türkisen Patzln, den Boten als den eigentlichen Schuldigen hinzustellen, wird selbst bei der gefügigsten Basti-Presse belächelt.

Viertens: das Wort „Interessant:“ samt Doppelpunkt an den Anfang eines Satzes zu stellen, macht diesen uninteressant.

Fünftens: Plumpe Schuldumkehr funktioniert auch nicht immer, und Passivkonstruktionen erweisen sich im Zusammenhang mit ihr als verräterisch. „So wurde von der Opposition versucht, Verbindungen herzustellen, wo es nachweislich keine gab.“ Gemeint ist wohl die geschobene Postenbesetzung des Thomas Schmid. „Wieso passierte das aber ausgerechnet jetzt nicht mehr?“ Meinen die Kurz-Patzln hier, es würden nunmehr keine Zusammenhänge nachgewiesen, wo sie gerade behauptet hatten, diese seien nicht nachgewiesen worden, wenn sie schreiben: „Wieso wird gerade jetzt von der Opposition versucht, die Aufklärung über mögliche Verbindungen zu unterbinden?“

Sechstens: Schwurbeln, wo man vorgibt, Argumente zu bringen, ist keine gute Idee.

Siebtens: Mit Vollgas anpatzen mag das Gefühl des Kanzlers heben, hilft aber ebensowenig. Man muss das wörtlich wiedergeben:

»Partei-Sponsor

Eine mögliche Antwort für das Verhalten von SPÖ-Krainer findet sich im Video selbst. Interessant: Wie diese Woche erschienene Ausschnitte des Ibiza-Videos zeigen, wurde von den Journalisten der Süddeutschen, dem Spiegel und dem Wiener Regionalblatt Falter, ein von Heinz-Christian Strache als solcher bezeichneter und genannter Partei-Sponsor im Mai 2019 nicht erwähnt. Dabei handelt es sich um die allseits bekannte Unternehmerfamilie „Porsche“ als mögliche Spender für eine Partei. Laut Strache wären „die Personen bereit, bis zu 20 Millionen in den Wahlkampf dieser Partei zu investieren“. Wieso aber wurde gerade nur dieser Name von den Redaktionen im Mai 2019 nicht veröffentlicht?«

Dieses Kauderwelsch der Kurz-Buam hätte Lehrer Reitan wenigstens ein bisschen redigieren sollen. Krainers Verhalten soll also durch das Ibiza-Video erklärt werden, in dem ein Parteisponsor genannt wird. Hätte dieser Sponsor die SPÖ finanziert? Das bleibt unklar. Sieht man den auf Twitter veröffentlichten Originaltext des Ibiza-Transkripts an, versteht man einiges: Strache beschrieb, wie seiner Ansicht nach Spenden an die ÖVP gehen.

Florian Klenk hat bekanntlich das Ibiza-Video vor Veröffentlichung gesehen, aber weder veröffentlicht noch redigiert. Wieso sollte er dann diesen angeblichen Spender erwähnt oder nicht erwähnt haben? Und was beweist das gegen Krainer? Wurscht, Hauptsache die Kurz-Patzln unterscheiden Dativ nicht von Genitiv („dem Spiegel“, „dem Regionalblatt“) und kriegen sich nicht ein vor Stolz über die Anwendung des Worts „Regionalblatt“. Weiter im Text der Kurz’schen Hauspostille:

»„Journalistische Sorgfaltspflicht“ bei FALTER

Ein möglicher Grund ist in der Struktur der Falter-Verlags-Gesellschaft m. b. H. zu finden. Der Bruder des Geschäftsführers der Porsche Gesellschaft m. b. H. und Aufsichtsrates der Porsche Holding GmbH – Dr. Hans-Michel Pïech – besitzt auch 12,51 % der ST Verlagsbeteiligungsgesellschaft m. b. H. Diese hält wiederum 100 % der Anteile an der Falter-Verlags-Gesellschaft. Interessant: Somit hält ein bekanntes Mitglied der Autokonzern-Dynastie Porsche mehr Anteile an der Regionalzeitung Falter, als der Chefredakteur Florian Klenk (10,00 %).

Offene Fragen

Wurde also der von H.C. Strache genannte vermeintliche Partei-Sponsor Porsche, im Mai 2019 nicht genannt, weil es eine klar nachweisbare Verbindung zwischen dem Autokonzern und dem Regionalblatt Falter gibt? Florian Klenk – Chefredakteur des Falters – war verantwortlicher „Mit-Aufdecker“ des Ibiza-Videos. Intervenierte er, damit der Name „Porsche“ im Mai 2019 nicht genannt wurde? Gab es jetzt Absprachen zwischen Krainer, Krisper und Klenk? Ist es wirklich Zufall, dass SPÖ und NEOS im Ibiza-U-Ausschuss gerade jetzt die Zulässigkeit des Video-Urhebers anzweifeln? Oder verfolgt die Opposition wieder eigene Interessen und versucht den Falter zu schützen, um einen Verbündeten für ihre Sache nicht zu beschädigen?«

Das ist eine Welt aus Irrwitz, Gemeinheit und Dreck, wie sie dem Kanzler gefällt. Ohne den Hauch eines Beweises, ohne einen Ansatz, die in den Raum gestellten Fragen Florian Klenk selbst zu stellen, patzen ihn die Kurz-Buben einfach an und insinuieren, er berichte nicht unabhängig, sondern bilde mit Krainer und Krisper eine Allianz zum Schutz des VW-Konzerns. Das heißt, sie versuchen, ihn in seiner wichtigsten journalistischen Kompetenz zu beschädigen, der Integrität als Aufdecker. Woher wissen die Kurz-Patzln übrigens so punktgenau, wen Strache mit „Porsche“ meinte? Schließlich gibt es zwei Zweige in der Familie, die Pïechs und die Porsches, beide personell gut ausgestattet. Die ÖVP hat das Ibiza-Band sicher so intensiv studiert wie kaum jemand in dieser Republik, Zeit hatte sie ja genug, die Kurz-Patzln werden also wissen, wie sie zu ihrer Annahme kommen. Fest steht: so weit alles gelogen.

Interessant: man kennt das Prinzip von Kurz’ Freunden, Orbán, Janša, Trump, Einschüchtern von Medienleuten durch öffentliches Vorbringen von Lügen. Diskreditieren ohne Beweise. Abqualifizieren ad personam. Versuch der Schuldumkehr in Permanenz. Schuldumkehr: bekanntlich urteilte das Handelsgericht vor kurzem, dass der Falter sagen darf, die Volkspartei wollte bewusst die gesetzlichen Wahlkampfkosten überschreiten und die Öffentlichkeit täuschen.

Die Eigentümer des Falter, zu denen auch ich gehöre, haben noch nie auf dessen journalistische Berichterstattung Einfluss genommen. Das macht ihn stark und unterscheidet die Publizistik dieses Regionalblatts von der Politik einer Lokalpartei. Alle sollen in deren Sicht käuflich oder korrupt scheinen. Indem sie alle anpatzen, meinen sie, ihre eigene Reputation wiederherzustellen. Die Republik der Blümel, Schmid, Sobotka und Kurz verträgt es nicht, wenn ihr jemand, der nicht korrupt ist, mit anderen, integren, publizistischen Mitteln entgegentritt. Der muss dann angepatzt, diffamiert, kaputtgemacht werden.

»Was klar ist. Genau hier muss angesetzt und alle tatsächlichen Verbindungen und Interessen klar hervorgehoben werden.8.4.2021 | Peter Stöckl«

Meine Tipps für Reitan und die Kurz-Patzln sind diesmal übrigens gratis. Es liegt in unserem eigenen Interesse, nicht allzu tief unter Niveau angeworfen zu werden. Falls uns Herr Kurz aber wirklich einmal einschüchtern möchte, soll er früher aufstehen.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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