Die türkise Familienbande spielt Sobotcatenaccio

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 386

Armin Thurnher
am 08.04.2021

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Wie verkommen kann eine Republik sein? Wie korrupt ihre Medien? Wie apathisch ihr Volk? Dass sie nicht die Verantwortlichen für jene monomentale, multiple Frechheit einfach hinwegfegen, die in diesem Satz steckt: „Thomas Schmid lässt seinen Vertrag auslaufen“?

Thomas Schmid lässt seinen Vertrag auslaufen. Das ist einmal eine gute Nachricht! Der Chef der ÖBAG, der österreichischen Beteiligungsgesellschaft, der Aufsicht über die Beteiligungen an jenen Betrieben, die der Republik gehören ist, also der Mann, der unser aller Geld verwaltet, wählt ein friedvolles, stilles und wohlbestalltes Ende seine fruchtbaren Periode als Chef eines Amtes, in das er sich kraft seiner Qualitäten als Amtserschleicher auf unnachahmliche Weise hineingeschwindelt, hineingepresst, hineingeschleimt und hineingedrückt hat.

Thomas Schmid lässt seinen Vertrag auslaufen. Vor allem ist daran zu beachten, dass er souverän und selbstbestimmt handelt. Der Mann, der gerade sich und sein Amt unrettbar beschädigt hat, braucht auf keine fremden Interessen Rücksicht zu nehmen. Er ist Familie und weiß genug über seine Buddys, den Kanzler und den Finanzler, die ihn in diesen Job hineingeschoben haben, obwohl sie unter Wahrheitspflicht im Ibiza-Untersuchungsausschuss beteuerten, ihn kaum zu kennen und jedenfalls mit den Vorgängen nichts zu tun zu haben. Schmid weiß genug, dass sie ihn einfach auslaufen lassen müssen, um nicht selbst auszulaufen.

Außerdem gilt es, die diversen, von Schmid virtuos mit Familie besetzten Aufsichtsräte weiterhin in familiärem Sinn zu besetzen. Karl Kraus sprach vom Doppelsinn des Worts; von der Mafia wusste er noch nichts. Was für eine Familienbande! Gestern setzte der Finanzonkel im Ibiza-Ausschuss seine Verarschung des Publikums fort.

Das im Kostüm des Nationalratspräsidenten agierende Zornbinkerl aus Niederösterreich, Herr Sobotka, Typus Bodyguard, brutal aber musikalisch, mischte Beton an und sah zu, dass der Opposition nicht die Gnade zuteil wurde, unangenehme Fragen zu stellen. Egal, Finanzonkel Blümel hätte sich sowieso der Antwort entschlagen oder vergessen, wessen er sich entschlägt, weil er sich ja nicht selbst belasten will, in einem Verfahren, das seine gut vorbereitete Unschuld strahlend erweisen wird. Alles ganz normal, ganz neunormal.

Es ist alles sehr kompliziert, pflegte Fred Sinovac zu sagen, der legendäre Erfinder des chinesischen Impfstoffs (Kanzleronkel verhandelt).

Ich liebe diese Leute, weil sie mir immer neue Einfälle schenken. Gestern kam mir ein hübsches Wort für die segensreiche Tätigkeit des befangensten aller Präsidenten zu. Im italienischen Fußball der 1960er-Jahre wirkte in Italien der Trainer Helenio Herrera und trainierte den Verein Inter Mailand. Dessen Spezialität bestand unter Herrera darin, kein Tor zu bekommen. Inter riegelte zu diesem Zweck das Spielfeld vor dem Strafraum ab und zerstörte, was an Schönheit des Fußballspiels noch vorhanden war. Man nannte diese Taktik Catenaccio, was so viel bedeutet wie Türriegel.

Das passt für unser befangenes, spiel- und aufklärungszerstörendes Zornbinkerl. Sobotka spielt Catenaccio. Sobotcatenaccio. Blümel schlägt die Bälle weg.

Auch Sobotka ist wie Schmid einer, der sich demokratischen Gepflogenheiten entzieht: er ernennt sich als Präsident des Ibiza-Untersuchungsausschusses selbst, weil er die juristische Standarddefinition von „befangen“ einfach ignoriert und als für sich ungültig erklärt. Befangen ist bekanntlich, wer nur im Anschein der Befangenheit steht, und das Alois-Mock-Institut, dem Sobotka ebenfalls vorsitzt, nahm Spenden von Novomatic, dem Glücksspielkonzern im Mittelpunkt des Untersuchungen des Ibizaausschuss. Befangener als Sobotka kann man also nicht sein.

Während Schmid seinen Vertrag gemütlich auslaufen lässt, lässt Sobotka uns und unser demokratisches Recht auf Aufklärung behaglich ins Leere laufen. Die Vorwürfe gegen das Mock-Institut seien strafrechtlich nicht relevant und fielen außerdem nicht in den Untersuchungszeitraum, heißt es.

Die ÖVP, so hörte man außerdem aus dem Ausschuss, sei in dieser neuen Phase „in die Offensive gegangen“. Sobotcatenaccio spricht eine andere Sprache. Das Raubein Andreas Hanger, dessen sprachliche Mittel so beschränkt sind, dass sie fast automatisch gelb-rot provozieren, kaum dass er versucht, sie anzuwenden, dient dabei als Lebendbeton, als hängender Ausputzer, direkt hinter dem Libero.

So verarscht und um unser Eintrittsgeld betrogen wurden wir schon lange nicht mehr. Kurz zaubert mit Sputnik faul herum, Blümel vergisst seinen nicht vorhandenen Laptop im Kinderwagen, im Ausschuss spielen sie Sobotcatenaccio, in der Hofburg ist Ruh, die Bischöfe ringen die Hände und versprechen schärfere Rosenkranzgebete, aber sie wissen, Gottes Freude am Ballhausplatz lacht sie in seiner Weisheit Vollgas aus. Unheilige Familie, quo me vertam?

Und alles starrt aufs Recht, als wäre von dort etwas zu erwarten. Starren wir mit und lassen wir die Kolumne auslaufen. Vielleicht sagt uns die morgige in Punkto Recht mehr.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!