Neuer-Stil-Kunde: wie uns Andreas Hanger als Little Sobotka erschien.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 383

Armin Thurnher
am 03.04.2021

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Ehe aus kalendarischen Gründen der Osterfriede über uns hereinfällt oder wir auf ihn hereinfallen, wie auch immer, möchte ich noch eine Gedenkminute für einen Typus von Politiker einlegen, wie er uns vor allem auf Seiten der sogenannten Neuen Volkspartei neuerdings immer wieder begegnet, seien ihre Repräsentanten nun neu, gesalbt, gesegnet oder einfach bei Geburt ins Chuzpe-Fass gefallen.

Es ist ein neuer Stil, der sich hier auftut und so alt ist, dass Fred Feuerstein im Vergleich dazu aussieht wie ein Hipster. Aber dieser neue Stil hat ein unübertreffliches Format. Er ist so unverschämt, dass er nicht einmal im Ansatz darauf Wert legt, elegant auch nur scheinen zu wollen.

Der Neue Stil haut einen einfach unpoliert in die Fresse. Der Neustilist zeigt sich für Politik dadurch qualifiziert, dass er sich überhaupt gar nichts scheißt. Weder um das, was er gefragt wird, noch um das, was sich die Leute denken, wenn sie ihm zuhören. Der Neustilist lädt einfach Beton ab, blitzhärtendes Material, das im Gesicht des Gegners landet, wuchtig wie eine Granitplatte.

Verglichen damit ist das rhetorisch säuselnde Leugnen, der zynische Herzerldialog oder die zuckergussverzierte Ablenkung, wie sie der Gesalbte unter den Kanzlern praktiziert, neostilistische Konditorkunst. Aber der Kanzler ist ja auch ein Liebling unter den Plattenwerfern..

Vergangene Woche ist so viel passiert, dass der Moment, da uns ein neuer Virtuose des politischen Granitplattenwurfs in die Fresse des Gegners erstanden ist, in Gefahr ist, allzu schnell vergessen zu werden. Gedenken wir an diesem Fest der Besinnung kurz seiner.

Andreas Hanger in der ZiB 2 vom 29. 3. 2021 Foto Screenshot @ ORF

Es war am 29.3. bei Armin Wolf in der ZiB2, als uns dieser neue neostilistische Athlet erschien. Kenner wussten, er agiert als Stellvertreter des Wolfgang Sobotka im Ibiza-Untersuchungsausschuss, aber er zeigte diesem bei Gott ausgepichten Betonierer, was eine Zyklopenmauer ist, und er erschütterte schon durch seinen entschlossenen Gesichtsausdruck alle, die ihn zum ersten Mal sahen. Andreas Hanger ist sein Name, ein Wirtschaftstreibender, dessen politische Karriere im ominösen Waidhofen an der Ybbs (Sobo-Town) begann und in Amstetten kulminierte. Derzeit sitzt Hanger als Nationalratsabgeordneter der NVP im Parlament.

Armin Wolf stellte ihm die No-Na-Frage, ob ihn nicht graue, wenn er die türkisen Postenschacher-Chats lese, aber so ein Softie ist Herr Hanger nicht. Er hat vielmehr ein Stahlskelett von Meinung, das er sich nicht durch blöde Fragen verbiegen lässt.

Er antwortete also: „Also Herr Wolf, ich muss Ihnen einleitend sagen, das sehe ich ganz anders, die Bestellung von Thomas Schmid, und ich habe das ja auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss mitverfolgten dürfen, ist in einer Form abgelaufen, das (sic!) internationalen Maßstäben entspricht, er wurde dann vom Aufsichtsrat bestellt, das ist aus meiner Sicht sehr eindeutig und sehr klar abgelaufen.“

Dass Hanger Thomas Schmid im Ausschuss verfolgt oder gar mitverfolgt habe, ist in Anbetracht fehlenden Verfolgungswillens unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass er und sein Präsident dort Thomas Schmid vor jeder Verfolgung zu schützen versuchten.

Dass dessen Bestellungsverfahren internationalen Maßstäben entsprochen hätte, wurde genau durch jenen Punkt widerlegt, den auch Armin Wolf Herrn Hanger entgegenhielt: dass dieser die Ausschreibung selbst verfasste und die erforderliche internationale Erfahrung daraus strich, weil sie ihm nämlich fehlte.

Ja, das ist sehr eindeutig und sehr klar abgelaufen: korrupter geht es kaum. Aber Hanger nimmt einfach nicht zur Kenntnis, was Sache ist und haut unverdrossen seinem Gegenüber steinhart das auswendig gelernte Sprücherl in die Fresse.

Mit Fakten kann man einen Hanger nicht erschüttern (dass das einschlägige Diskussionsformat auf Servus TV nach ihm benannt sei, ist übrigens ein unhaltbares Gerücht.) Folgender Dialog verdient es, für die letzten Tage der türkisen Menschheit festgehalten zu werden, denn er zeigt uns, was diese Partei von uns, der Öffentlichkeit und der Wahrheit hält.

Hanger: Der Herr Magister Schmid hat sich ja nicht selber diese Ausschreibung geschrieben…

Wolf: Natürlich hat er das.

Hanger: Nein, das wurde mit einem Personalberatungsunternehmen gemacht, über ein Nominierungskomitee in den Aufsichtsrat und dort wurde er dann bestellt…

Wolf: Und Schmid hat gesagt…

Hanger:…dass natürlich entsprechende Vorbereitungsarbeiten notwendig waren, ist auch klar…

Wolf: …bitte, und Schmid hat gebeten, die internationale Erfahrung als Vorbedingung herauszustreichen, weil er keine internationale Erfahrung hat.

Hanger: Faktum ist, und da habe ich mich noch einmal versichert, dass diese Ausschreibung, auch der Ausschreibetext nach internationalen Maßstäben passiert ist, Magister Schmid wurde dann auch einstimmig im Nominierungskomitee vorgeschlagen und wurde dann bestellt, das entspricht internationalen Maßstäben. Und vielleicht noch das Allerwichtigste, Magister Schmid macht eine hervorragende Arbeit, er ist zwei Jahre im Amt, Vermögenswert der Staatsbeteiligung ist um fünf Milliarden gestiegen, also ich denke, wir sollten den Herrn Magister Schmid an seinen Taten messen und nicht an irgendwelchen Gerüchten, die im Vorfeld immer wieder lanciert werden. –

Faktum ist, an Hangers mit dem Mienenspiel eines habituellen Rechthabers vorgebrachter Rede ist kein Wort wahr. Nichts entsprach internationalen Maßstäben, alles hat sich Schmid selbst für sich zurechtgelegt, auch das Personalberatungsunternehmen. Die fünf Milliarden, die Hanger gebetsmühlenartig vorbrachte, haben mit der Arbeit von Herrn Schmid bekanntlich nichts zu tun. –

Ja, klar, sagen Sie jetzt. Aber was soll das alles bedeuten? Das: Eine Partei, die solche Brachial-Nichtargumentierer, solche Verhöhner jeden Dialogversuchs, solche Little Sobotkas in die politische Arena schickt und so zu reden lehrt, zeigt uns, wie sie die Sache anlegt: Beton in die kritischen, Geld in die braven Medien, Augen zu und durch. Rücktritte? Wo denken Sie hin! Politische Kultur? Höchstens für Kulturverliebte!

Wo glauben Sie denn, wo wir sind? Wir ziehen das frech durch. Wir sind dafür weder hinreichend legitimiert noch ausreichend begabt, aber das ist uns wurscht. Wir haben Basti, die Umfragedaten, das Geld und die Macht und damit hauen wir euch in die Fresse, ihr Osterhasen!


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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