Mein Chat zu Sobotka: Goodbye Parliament, hello Cello! Ich bete dafür.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 378

Armin Thurnher
am 29.03.2021

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Die neuen Chats vom Handy des Thomas Schmid sind wunderbare Dokumente, an denen sich die Öffentlichkeit noch lange erfreuen wird. Denn die fälligen umgehenden Rücktritte des Handybesitzers  und der beiden involvierten Herren Kurz und Blümel werden unterbleiben. Stattdessen werden wir mit allerhand geworfenem Nebel eingehüllt und mit Angriffen auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft abgelenkt werden. Selten wird das von Karl Kraus stammende Wort von der „verfolgenden Unschuld“ so viel Geltung haben wie in diesem Fall. Wir können also genauso gut von einem anderen Dauerbrenner reden, der beim fälligen Ablenken und Wassern eine tragende Rolle spielen wird, dem Nationalratspräsididenten Sobotka.

Es gibt Menschen, die würden besser zu Hause bleiben und sich, so sie es können, einer anderen Sprache widmen, einer, die ohne Worte auskommt. Der Musik zum Beispiel. Wie schön, wenn einer Cello spielen kann. Dabei hält man nämlich, abgesehen von gewissen Ausformungen neuer Musik, in der Regel den Mund.

Foto © ORF

Sobotka kann Cello spielen, das hat er studiert. Er hat ein schönes Zuhause, das er aus uns unbegreiflichen Gründen flieht, weil er sich lieber in der Öffentlichkeit aufhält als dort, wo er es fein hat. Wäre er dort, wo er es fein hat, hätten auch wir es fein.

So aber bildet er sich ein, er wäre als Präsident des Österreichischen Nationalrats eine Idealbesetzung, was er zuvor schon als niederösterreichischer Landesrat und als Innenminister nicht war. Als Landesrat blieb er in Erinnerung, weil er beträchtliche Summen von Wohnbaugeldern verspekulierte; als Innenminister versemmelte er die Briefwahl des Bundespräsidenten durch Desorganisation und schlecht klebende Kuverts.

Immerhin brachte er etwas zustande: als destructivus austriacus sprengte er im Dienste seines Lehensherrn Erwin Pröll für dessen Favoriten Sebastian Kurz die Koalition Kern-Mitterlehner, die nach allem, was wir uns ausmalen können, mit der Pandemie besser fertiggeworden wäre als die Buberl- und Mäderlpartie, die jetzt regiert und sich mit wenigen Ausnahmen durch „Weggenossenschaft mit Kurz“ qualifiziert. Das Wort bekommt in Zeiten des Rufs „Weg mit Kurz“ eine interessante neue Bedeutung. Abgesehen davon hilft Weggenossenschaft bei der Absolvierung diverser Pilgereien, nicht aber beim Ausüben eines Regierungsamtes. Von einem Maturantinnenhaufen der türkisen Neigungsgruppe zu sprechen, wäre auch wieder ungerecht, denn es befinden sich zahlreiche Akademikerinnen unter den Maturantinnen, wenngleich nicht alle ihrer Doktorate einer näheren Prüfung standhielten.

Das war noch der geringste Schaden. Herr Sobotka wurde für seine destruktiven Dienste mit dem Posten des Nationalratspräsidenten belohnt, nachdem dieses Amt in der ganzen türkisen Weisheit des Sebastian Kurz als Verschubgeleise für die zwischenrangierte Elisabeth Köstinger dienen musste („mein Traumlebensjob“ oder so ähnlich nannte sie ihre Kurz-Episode im Parlament), die sich als Landwirtschaftsministerin in Brüssel immer wieder bei allen ökologisch denkenden und sozial orientierten Menschen Europas beliebt macht, weil sie eine Politik der guten alten österreichischen Gutsherren- und Großbauernklasse vertritt.

Wir bleiben bei Sobotka, leider. Statt dass er wenigstens Ruhe gäbe auf seinem Posten, für den er durch NICHTS qualifiziert ist, machte er sich wichtig und übernahm auch noch den Vorsitz im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Mit dem klaren Auftrag, die Untersuchungen möglichst parteiisch zu führen, die Verschleppungs- und Zeitschindeversuche der NVP-Fraktion zu unterstützen und die Aufklärungsinitiativen von SPÖ, Neos, FPÖ und auch der Grünen zu unterbinden. Die rechtlich glasklare Lage, dass er, mit dem Anschein der Befangenheit behaftet (weil Präsident des Alois-Mock-Instituts, das Geld von der Novomatic nahm), im juristischen Sinn befangen ist, gibt er vor, nicht zu verstehen. Unkenntnis des Gesetzes schützt aber nicht vor Konsequenzen, das wird er auch noch merken.

Derweil startet er eine Offensive und gibt jedem Journalisten, der nicht schnell genug auf einen Baum kommt, ein kurioses Interview, bei dem seine Impertinenz mit seiner Unfähigkeit, Deutsch zu sprechen, im ständigen Widerstreit liegt.

Kürzlich sprach er mit der Kleinen Zeitung. Es ging um Corona, die Mühsal des Föderalismus, und Sobotka wollte sagen, es sei gleich, wer Schuld habe, er plädiere für Unaufgeregtheit. Heraus kam: „Ich habe wenig Verständnis für die Schuldfrage und appelliere an Unaufgeregtheit.“ Reinstes Sobotkinesisch, aber doch Zeugnis einer gewissen Grundverwirrtheit, die wegen seines zur Schau getragenen überzogenen Selbstbewusstseins offenbar nicht allgemein bemerkt wird. An Aufgeregtheit oder Unaufgeregtheit kann man nicht appellieren, nur an vernunftbegabte Wesen, die Appelle verstehen. Sobotka gehört gewiss nicht zu ihnen, insofern ihm nach eigener Aussage das Verständnis für die Schuldfrage fehlt. Wie kann ein Mensch, der nicht versteht, was Schuld ist und was nicht, eines der wichtigsten politisch-juristischen Gremien des Landes leiten, den Ibiza-Untersuchungsausschuss? Nur, weil die Verwirrung im Land so groß ist, dass es niemanden mehr zu geben scheint, an den man appellieren kann, mit dem türkisen Spuk Schluss zu machen.

Demnächst wird Herr Sobotka im Ibiza-Untersuchungsausschuss wieder seinen Kanzler begrüßen dürfen. Dieser wird sich fragen lassen müssen, ob er betreffend die Chats mit dem Öbag-Chef Thomas Schmid die Wahrheit gesagt hat.

Ich kann mir folgenden Dialog vorstellen:

Fragestellerin: Herr Bundeskanzler, haben Sie Thomas Schmid auf die Frage nach den Job-Kompetenzen geantwortet: „Kriegst eh alles, was du willst? Bussi Bussi Bussi?“

Sobotka: Herr Bundeskanzler, das müssen Sie nicht beantworten. (zur Fragestellerin) Fragen Sie zur Sache, bitte!

Fragestellerin: Herr Bundeskanzler, am 24. Juni vergangenen Jahres haben Sie diesem Ausschuss auf die Frage geantwortet, ob Sie mit Thomas Schmid darüber gesprochen haben, bevor er Ihnen gesagt hat, er möchte sich für diesen ausgeschriebenen Posten bewerben: „Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzlich interessiert, und es war sicherlich auch so, dass immer wieder davon gesprochen wurde, dass er ein potenziell qualifizierter Kandidat wäre.“ Wir haben jetzt da dieses SMS …

Sobotka: Ich würde Sie bitten, Sie müssen einen Beweis vorlegen, sonst ist es eine Unterstellung. Herr Bundeskanzler, Sie müssen darauf nicht antworten…

Fragestellerin: Zur Geschäftsordnung!

Sobotka: Bittesehr.

Undsoweiter, die Zeit verrinnt, ad nauseam.

Da hilft kein Cellospiel und kein Gedicht, kein Interview und kein Tobsuchtsanfall. Ich werde einen überkonfessionellen Gebetskreis zur Befreiung des Volkes von diesem Nationalratspräsidenten gründen, den er uns gesandt hat, um uns zu prüfen.

Es ist genug, Herr.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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