Pizza-Saga III: Neapel, Katzen und der Rat von Lesern.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 377

Armin Thurnher
am 28.03.2021

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Vor vielen Jahren begann ich mit dem Publizieren von Rezepten, zuerst für den Falter. Nein, das erste wirkliche Rezept war eines für Vorarlberger Kässpätzle und erschien im Kochmagazin Gusto, das damals Werner Meisinger redigierte, der heute im Falter geistreiche und witzige Rezepte publiziert. Ein Kenner.

Ich rechne und rechnete mich weniger unter die Kenner oder Könner, eher unter die Küchen-Eklektiker. Aber manchmal gelingt auch mir ein Gericht. Kässpätzle fast immer. Als im Visa-Magazin Rezepte erschienen sollten, war gerade niemand anderer zur Hand, also fiel es mir zu. Irena, akademisch ausgebildete Künstlerin, interessierte sich schon länger für die Produktion von Lebensmitteln, die wie man sagt, naturgerecht hergestellt werden, fern von industrieller Produktion, ohne Tieren Leid zuzufügen und ohne Produzentinnen und Produzenten auszubeuten.

Sie kochte die meisten Gerichte, machte das Foodstyling und die Fotografie. Wobei wir künstliche Tricks ablehnten, die manchmal in der Foodfotografie angewendet wurden, schon deswegen, weil wir die Speisen gerne selber essen. Wir hatten so etwas im Kopf wie einen Kochkurs der vernünftigen Herangehensweise, Die Lebensmittel sollten auf jeden Fall Bio, am besten Demeter sein, weil das in punkto Bio einfach die Luxusklasse darstellt, leicht nachzukochen, gesund und nicht zu teuer. Mittlerweile stellt, was von 25 Jahren noch Avantgarde schien, common sense dar. Vor zehn Jahren berichtete sie in einem der ersten Artikel über mobiles Schlachten auf dem Bauernhof; jetzt wird eine Initiative dazu im Parlament behandelt. Die Agrarindustrie ist dennoch weit davon entfernt, gestoppt zu sein. Gesammelt haben wir dann die Rezepte in diesem Kochbuch publiziert.

Irgenwann – wie man darin sieht (Kapitel Focaccia) begannen wir auch mit Pizza. Wir begannen, denn das Rezept erlebte zahlreiche Evolutionen. Ich durfte meistens nur belegen, der Teig war Irenas Sache, und erst ihre Handverletzung machte es möglich, dass auch ich einmal an den Teig durfte. Zufällig stand gerade Simone Padoans Teig auf dem Programm.

Der hatte sie interessiert, weil er eine weiche Pizza macht, den Fotos nach etwa so wie meine Mutter. Diese Behauptung muss aber noch in Padoans Lokal I Tigli in San Bonifacio bei Verona überprüft werden. Jedenfalls entsprach der Anblick von Padoans Teigkunstwerken gar nicht meinen amerikanischen Vorstellungen.

Und dann war da noch Neapel. Über Neapel hatten wir einiges gelesen und an Bildern gesehen, was uns trotz des weichen Randes eine hauchdünne, knusprig-leichte Urpizza erwarten ließ. Endlich unter dem Vesuv angekommen, schickte man uns in ein Lokal, das angeblich zu den besten gehört, welche die ganz originalneapolitanischen Pizza anbieten.

Neapolitanische Pizza in der Pizzeria Palazzo Petrucci

Wir durchquerten die halbe Stadt zu Fuß bis zum wunderschönen Palazzo Petrucci im Universitätsviertel. Die Pizza in der gleichnamigen Pizzeria war nicht schlecht, aber anders als erwartet war auch sie so durchgehend weich wie wir mürbe vom Fußmarsch. Sie schmeckte gut, aber unser Ideal war sie nicht. Wir mögen Pizza zart, aber dünn und knuspi, am Rand weich, aber nicht brotig.

Wir streben aber hier kein Geschmacksdiktat an. Padoan, der beste Pizzabäcker Italiens 2020, macht seine Pizza durchgehend dick und zart.

Mit seinem Rezept werde ich Sie nicht verwirren, wir mussten mittendrin auf unsere Version umsteigen, weil irgendwas mit den Mengenangaben nicht stimmte. Es war zu wenig Mehl. Ein paar gute Tipps lernten wir doch von ihm: Den Teig zart auseinander drücken und ziehen, nicht heftig walken. Die Pizza mit Tomatensauce vorbacken, den restlichen Belag erst in der Halbzeit des Backens aufbringen. Wenn man weiße Pizza macht, zuerst nur mit Olivenöl backen, nach ein paar Minuten herausnehmen erst dann und mit Käse und Kirschtomaten belegen und wieder ins Rohr schieben.

Alt, aber verdienstlich: unser kleiner, alter Cuppone-Pizzaofen

Das ist gar nicht so wenig. Aus Klagenfurt schrieb mir der treue Leser Peter Steurer folgende nützliche Erfahrungen, die ich auch deswegen bringe, weil nicht in jedem Haushalt ein kleiner Pizzaofen steht wie bei uns(die Hefemenge kommt mir recht minimalistisch vor, aber warum nicht probieren? Katze „Corona“ ist sexy).

»- Ad Mehl haben Sie schon alles gesagt, ich empfehle Caputo Pizzeria,

am besten ein 10kg-Paket schicken lassen, damit kommt man einige

Monate aus (das hatte auch die Kollegin Tóth empfohlen)

– Germ: 5 Gramm reicht für 1kg Mehl. Und unbedingt frischen verwenden.

– Teig: Ein bisserl Zucker und eine schöne Menge Olivenöl dazu. Nach

dem Kneten 16 Stunden bei ca 17 Grad, dann (in Kugelform) nochmals 3-4 Stunden bei Zimmertemperatur.

Teig dann von innen nach aussen bearbeiten, den Rand nicht mehr berühren.

– Ofen: zwingend 1-2 Stunden Ofen und Stein aufheizen, Pizza dann bei

Maximaltemperatur, Grill und was geht (nur keine Heissluft, macht den

Stein kaputt) und maximaler Rosthöhe (Fingerverletzungen sind

unvermeidbar) für 3-4 Minuten backen, dazwischen einmal um 180 Grad

(vertikal) drehen und den feuchten Büffelmozzarella erst in dieser

Halbzeit hinzufügen. Alles so schnell wie möglich um keine Hitze zu

verlieren

– Der Versuchung widerstehen die Pizza braun/zu knusprig zu backen.

Man verliert die mühsam stundenlang angegärte Luft im Teig und also

den besten Rand den man haben kann. Knusprig wird sie trotzdem, aber

nicht trocken. Auch die Beläge sollten maximal hellbraun werden

(frische Kräuter also erst nach dem Backen).

– Belag: nach 100+ Pizzen im letzten Jahr sind wir immer mehr vom

klassischen weg-, und zur Pizza „bianca“ (nix Paradeis) hingekommen.

Unser Favorit heisst nach unserem jüngsten Katzenzugang (siehe

Bild; schöne Grüsse an den klugen Kater!) „Pizza  Corona“: Sauce mit

Frischkäse, Sauerrahm, ein Klacks Senf und viel Schnittlauch; darauf

einfach nur bester Wildlachs.

Steurer’sche Katze „Corona“

– Käse: Trockener (!) Mozzarella und Parmigiano/Grana sind Pflicht,

Peccorino optional. Damit die anderen Auflagen „schützen“/belegen.

Final Büffelmozzarella, siehe „Ofen“.«

Steurer empfiehlt folgendes Video, das mir auch auf Twitter schon empfohlen wurde. Ich schließe mich der Empfehlung an. Für Teigbehandlung und den Umgang mit dem Pizzastein sehr nützlich! Gemeinsam sind wir stark. Danke. Fein, solche Leser zu haben.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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