Wiedergelesen: Martina Salomon interviewt Wolfgang Sobotka

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 372

Armin Thurnher
am 23.03.2021

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Man könnte es den österreichischen El Clasico nennen. Real gegen Barca, was ist das schon? Rapid gegen Austria, nur mehr matter Abglanz besserer Zeiten. Aber Salomon – Sobotka, das ist ein Match, da sprühen die Funken, da leuchtet das Licht der Aufklärung, da blitzen geistvolle Formulierungen, kurz, das sind Gespräche, die das Wort wert sind und auf die eine Nation voll banger Vorfreude wartet.

Die Kurier-Chefredakteurin Martina Salomon, bekannt für ihre geradezu notorische Verfolgung der türkisen Regierungsmannschaft und ihre habituelle Kritik an Kanzler Kurz, trifft in diesem Gespräch auf ein Wesen, das sie „streitbaren Politiker“ nennt und „raubeinigen Ex-Innenminister“. Im Kurier-Gespräch vom 21.3, teilt sie mit, „betont er freimütig, emotional zu sein“: Wolfgang Sobotka.

Das ist wunderschön gesagt, denn wer betont, betont am besten freimütig, und gerne hören wir aus diesem „betonen“ bereits den Beton heraus, den der Freimut anmischt, nicht aus einem Sklavenbewusstsein heraus, nein, in frischer und ungefragter Gutsherrlichkeit bekennt das Raubein, emotional zu sein. Raubein, so nennt man im Fußball euphemistisch jene Metzger, die nicht auf den Ball gehen, sondern auf die Knochen, am besten, um sie zu brechen. Entschlossene Knochenbrecher, die dabei durchaus emotional werden können, wie sie ihren sich am Boden windenden Opfern gegenüber freimütig betonen.

Der österreichische Staatsmann 2021 Foto: Screenshot © Kurier, Interview mit Martina Salomon

Ungerecht schon wieder! Versucht doch Sobotka gerade, „sich ein neues Image aufzubauen“. Auch das ist glänzend formuliert, denn für uns braucht er sich nicht mehr um ein Image zu bemühen, dieses emotionale Raubein, sein Image ist ein solider, rauer Scherbenhaufen, von Raubein persönlich zusammengetreten. Aber für sich wird er wohl ein neues Image brauchen! Glaub an dich, Raubein!

Dann geht’s los, mit einer richtig kritischen Frage, einer sogenannten Blutgrätsche, einer Bombe, wie man sie sich normalerweise für das Ende eines Gesprächs aufbehält, wenn es eh schon wurscht ist. Frau Salomon jedoch weiß, das Raubein wird ihr nicht davonlaufen und fragt, all ihren Mut zusammennehmend: „Herr Präsident, Sie gelten als verbaler Haudegen. Stört Sie dennoch der raue Ton im Parlament?“

So einen Florettstoß muss man als Haudegen erst einmal parieren. Was hätte schlimmer sein können als dieses spitz zilpende und doch zart untergriffige „dennoch“? Sie sind doch sonst ein netter Kerl, warum laufen sie immer so puterrot an und brüllen unqualifiziert herum? Damit hätte er umgehen können, aber die Doppelfinte: Sie sind ein verbaler Haudegen, aber „dennoch“ ein Sensibelchen, gewiss verzagen Sie vor dem Gebrüll der brutalen Raubeine Meinl-Reisinger und Rendi-Wagner? – damit musste er erst fertig werden.

Was sagt man da? Man muss schon die geschliffene Fechtkunst eines Sobotka besitzen, um zu einem Einfall zu kommen wie: „Zwischen Emotionalität und Aggressivität ist ein schmaler Grat.“ Und diesen Grat wandelt keine Gemse so leichtfüßig wie Sobotka.

Das Echo kommt in Gestalt einer untergründigen Volte: „Aber das Parlament ist doch ein öffentlicher Raum?“ Darauf war Gemse Sobotka nicht gefasst, fast wäre er ausgerutscht. Ein paar Geröllbrocken kollern talab. Aber dann fasst er Tritt: „Nicht alle sind so diszipliniert wie wir“, das stimmt, woanders wird in Parlamenten gerauft, während bei uns nur mit Fäusten gedonnert und mit rotem Plutzer gebrüllt wird, wir sind die mit der Zivilisation, und, nein, er sagt es nicht, das Unwort der Stunde, er sagt nicht Eigenverantwortung, er sagt: „Es muss jeder mit sich selbst ausmachen, was er noch verantworten kann.“

Sobotka mit Sobotka am Tisch, Raubein tritt gegen Raubein, da wäre man gern ein Mäuschen, wie der mit sich selbst ausmacht, was er noch verantworten kann. Trägt er dabei Raubeinschützer? Aber wir haben noch andere Themen. Unerschrocken eilt Sobotka von einem zum nächsten, die Interviewerin ihm immer knapp auf den Fersen. Untersuchungsausschuss, da war doch was!

Richtig. Also sprach Old Raubein: „Man hat mir als Vorsitzendem ständig Befangenheit vorgeworfen, was weder inhaltlich noch formal stimmt.“ Das ist schon ziemlich gut, denn juristisch ist die Sache glasklar: wo der Anschein von Befangenheit besteht, da herrscht Befangenheit. Sobotkas Präsidentschaft im spendenaffinen Mock-Institut reicht dafür dreimal. Das kann sie ihm nun wirklich nicht durchgehen lassen, oder?

Und wirklich, Frau Salomon packt jetzt die ganz große Keule aus: „Wobei Sie tatsächlich in einer problematischen Doppelrolle als Vorsitzender und Auskunftsperson auftreten mussten.“ In diesem „müssen“ klingt die ganze Tragik des doppelten Sobotkchens auf: Vorsitzender mit dem Anschein der Befangenheit, Auskunftsperson und leidenschaftlich türkiser Unparteiischer, Spendennehmer und Schiedsrichter, und alles widerwillig-willig – da werden die Grate schmal, vor allem die Rückgrate.

Schmal, aber umso steifer, denn Frau Salomon fragt ihn glatt (Gipfel der Insubordination): „Es wurde aber zum Beispiel offenkundig, dass die Novomatic als Kooperationspartner des von Ihnen gegründeten Alois Mock-Instituts über 100.000 Euro bezahlte.“ Gemse Sobotka strauchelt nicht: „Aber nicht im untersuchten Zeitraum.“

Herrlich. Herr Rat, ich habe schon das Auto geklaut, aber nicht im untersuchten Zeitraum! Ich habe den Kläger aufs Haupt geschlagen, aber nicht im untersuchten Zeitraum! Beantrage Freispruch! Wer mit solcher Souveränität über die eigene Unschuld, Unparteilichkeit und Unverdächtigkeit verfügt, dem kann man ruhig sagen: „Man wirft Ihnen auch ruppige Vorsitzführung vor.“ Man weiß dann schon, was man zu hören kriegt: Ich ruppig? Raubein ruppig? „Ich habe vielleicht einmal eine deutliche Antwort gegeben. Ich bin auch kein Übermensch.“

Ja, diese Antworten sind von übermenschlicher Deutlichkeit, sie verhöhnen das Parlament, die untersuchenden Abgeordneten und sogar die Interviewerin des Kurier, die sich aber willig verhöhnen lässt, indem sie dem Raubein auch noch die finale Suggestivfrage einschenkt: „Sind Sie ein Häferl?“

„Nein, man ist kein Häferl, wenn man sich nach stundenlangen Untergriffen einmal klarer äußert“, antwortet das Häferl.

Er will ja bloß den Staat neu ordnen, die Koalition fortsetzen und der EU ein bisschen auf die Sprünge helfen. Dass er am Schluss zu seinem Lebenstraum, zur Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten noch eine patzige Gönnerhaftigkeit bereithält, rundet das Bild ab. „Wir haben einen Bundespräsidenten, der seine Arbeit gut macht. Das ist für mich keine Option, weil ich mein jetziges Amt länger ausfüllen möchte.“ Wenn er wollte, würde er sich hinstellen und Nicht-Häferl Van der Bellen aus dem Amt fegen. „Das ist für mich keine Option“, heißt nur „derzeit“, denn vorher muss er den Antisemitismus bekämpfen. Wenn Sobotka das nicht tut, macht das nämlich niemand, und: „Dafür habe ich eine Studie aufgesetzt.“ Für den Kampf dagegen, hoffen wir.

Die Interviewerin hängt da längst in den Seilen, plattgemacht vom Häferl, das vor klaren Äußerungen nur so überging und sie eh nicht brauchte. Er machte alles mit sich selber aus. Weil er es verantworten kann. Wer so verantwortet, braucht nicht zu antworten.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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