Der kluge Kater erkundigt sich nach Tante Elfi und dem Problem des Gedichts
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 340
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Kater: Wir müssen reden.
Ich: Wenn du mir schon so kommst!
Kater: Du hast Andeutungen gemacht.
Ich: Ich versuche doch, mich klar auszudrücken.
Kater: Die einen sagen so, die anderen sagen so.
Ich: Zu welchen gehörst du?
Kater: Mal so, mal so. Ich kann dir sagen, was ich wissen will: Es geht um Tante Elfi.
Ich: Ja, und?
Kazter: Du hast Aufklärung versprochen. Wer ist diese Elfi?
Ich: Habe ich das nicht schon einmal erzählt?
Kater: Tu nicht herum, kann sein, und wenn, habe ich es vergessen. Das Volk begehrt Aufklärung!
Ich: Wäre es nur so!
Kater: Ich meine, elfimäßig.
Ich: Tante Elfi ist eine Person in meinem Twitter-Büro, für eine gewisse Art Gedichte zuständig.
Kater. Eine wirkliche Person?
Ich: Die einen sagen so, die anderen so.
Kater: Lass uns ernsthaft reden, dann sind wir schneller fertig.
Ich. Du hast angefangen, also muss du damit rechnen, dass es seine Zeit dauert.
Kater: Du drückst dich ungenau aus. Existiert Elfi als reale Person, abgetrennt von dir?
Ich: Nein.
Kater: Dann ist sie also eine Erfindung von dir?
Ich: Nein, das auch nicht.
Kater: Du kannst diesen sokratischen Zinnober abkürzen, indem du einfach erzählst, was los ist.
Ich: Also gut. Elfi entstand, als eine Kollegin, die so tut, als möge sie Gedichte nicht …
Kater: Was ist denn das für eine?
Ich: Eine, die selber dichtet, oder dichtete, sich aber nicht damit heraustraut und jetzt gegen alles wütet, was aussieht wie ein Gedicht.
Kater: Ich dichte nicht. Also gut, diese Kollegin …
Ich: … betrat eines Tages, als ich eines meiner Scherzgedichte herumreichte, mein Büro und sagte: das ist ja wie von meiner Tante Elfi. Sie dachte, damit macht sie meiner Dichterei ein Ende, aber …
Kater: Ach, als man noch Büros betrat! Das muss ziemlich lange her sein. Wer war das?
Ich: Tut nichts zur Sache. Elfi, stellte sich auf meine Nachfrage heraus, war eine Ruftante, die in der Familie jeder kennt, zu allen Geburtstagen und Familienfeiern mit Verslein zur Stelle, alle stöhnen auf, keiner mag ihr sagen, dass es peinlich ist.
Kater: Ist das bei allen Menschen so?
Ich: Nein. In meinem Fall darf ich berichten, dass meine Mutter für solche Dinge zuständig ist, und es bei Feiern im Verwandtenkreis immer als sehr entspannend und erheiternd empfunden wurde, wenn sie deklamierte, auch wenn alle wussten, was es war, Gelegenheitsgereime. Man klammert sich ja bei solchen Feiern an Formales, wie bei Begräbnissen. Auch Goethe oder Auden waren sich für Gelegenheitsgedichte nie zu schade.
Kater: Lass uns nicht abheben und bei Elfi bleiben. Indem du den Namen Elfi angenommen hast, bekennst du also, schlechte Gedichte zu machen.
Ich: Nein. Nur Gelegenheitsgedichte.
Kater: Du schreibst doch auch Gedichte, was ist der Unterschied?
Ich: Ja, aber nicht auf Twitter.
Kater: Wieso bildest du dir ein, ein Dichter zu sein?
Ich: Weil solche Gedichte schon veröffentlicht wurden und ich dafür sogar bezahlt wurde. Finanzamtsmäßig beglaubigter Dichter.
Kater: Mir wern kan Untersuchungsausschuss brauchen. Aber diese Elfi-Sache, warum machst du die? Deine Freundin behauptet, du machst dich damit zum Affen.
Ich: Ach was. Die ist im Zweitberuf Verhaltenstrainerin. Du weißt doch, dass ich erst vor etwas mehr als einem Jahr in dieses Twitter eingestiegen bin.
Kater: Deswegen musst du ja nicht dichten.
Ich: Eh nicht. Aber es gibt ein paar Gründe. Zum Beispiel, dass es Freude macht. Nicht nur mir, es steckt andere geradezu an. Es gab schon Limerick-Kaskaden, oder gereimte Dialoge, Presse-Redakteure sind für solches Pingpong anfällig. Mein an Sobotka gerichtetes ritualisiertes Rücktritts-Verslein findet jeden Morgen nicht nur große Zustimmung, sondern vielfältiges, teils auch gereimtes Echo, es schwillt an zu einem poetischen Weg-mit-dir-Geblök. Alle möglichen Leute tun mit.
Kater: Gegen das massenhafte Mittun warst du sonst immer äußerst misstrauisch, aber lassen wir das. Und diese Limericks, was ist das?
Ich: Eine Art von Jux- und Nonsensereimen, die sich aus mehreren Gründen gut für Twitter eignet. Ein Limerick passt samt Titel und Autorinnenzeile bequem in einen Tweet. Und er ist grundsätzlich unernst, eignet sich also in jedem Fall für unsere Politik.
Kater: Die formalen Anforderungen für diese Verse?
Ich: Sind streng, aber nicht unflexibel.
Kater: Eine junge Rapperin hielt sie kürzlich für deinen missglückten Versuch, Raps zu schreiben. Gibt dir das nicht zu denken?
Ich: Ja und nein. Das Schlechte riskiere ich, weil es schnell gehen muss. Das liegt nicht ab, das geht einfach hinaus, nur sieht man beim Gedicht leichter, wenn es nicht gut ist, was man vom gemeinen Tweet nicht behaupten kann.
Kater: Was treibt dich an, die Geschwindigkeit der Reaktion?
Ich: Es ist eine Art öffentliches Training, mit der Zeit beginnt eine Stimme in dir, Reime und Anapäste auszuprobieren.
Kater: Was? Wieviele Stimmen hörst du denn so? Muss ich den Arzt rufen?
Ich: Anapäst ist das dominierende Versmaß im Limerick. Und Stimmen: viele, I contain multitudes. Schreibe eh, bis der Arzt kommt.
Kater: Verrückt.
Ich: Ist es auch, wie jede ritualisierte Übung, in der Früh Smartphone Glotzen zum Beispiel, stundenlang den Blick nicht vom Schirm Abwenden.
Kater: Du willst mir aber nicht erzählen, dass diese Gedichtlein Mahnrufe für ein besser reflektiertes Twitterverhalten darstellen.
Ich: Ich hab’s versucht, aber wenn es nicht einmal du kaufst…
Kater: Also was willst du damit. Ein linker Wolf Martin werden?
Ich: Was wäre schlecht daran?
Kater: Dass du einen linken Dichand brauchen würdest. So wird das nix, ich bekomme nur Hunger dabei. Ich komme auf das Thema zurück, da kannst du sicher sein!
Ich: So viele Fragen offen wie Dosen zu. Wir machen einmal Fisch auf, Senior, was sagst?
(to be continued)
Distance, hands, masks, be considerate!
Ihr Armin Thurnher