Meine fünf Minuten Ruhm mit DJ Ötzi. Folge III und Schluss: Die Aufzeichnung

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 333

Armin Thurnher
am 12.02.2021

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(Was bisher geschah. Aufgrund einer unbedachten Bemerkung war ich bei Stermann und Grissemanns Show Willkommen Österreich mit DJ Ötzi gelandet, den ich nach einer Idee der Produzentin Heidi List am Klavier begleiten sollte. Heute: Dritter Teil und Schluss.)

Das klingt wirklich gut, sagte der Regisseur nach der Probe. Sie brauchen keine Angst zu haben, es ist ja nur eine Aufzeichnung. Wir wiederholen es so lange, bis es klappt. Mit dreihundert Leuten vor der Nase, denke ich. Die werden uns was pfeifen.

Wir ziehen uns in die Lounge zurück. Es dauert noch eine Stunde, bis die Show anfängt. Heidi sieht nicht wirklich entspannt aus, noch ist es nicht gelaufen. Niemand isst ein Brötchen, niemand trinkt ein Bier. Oder doch? Peter Hörmanseder und Robert Stachel von Maschek sind da, Hörmanseder wird wohl eines getrunken haben. Inzwischen ist auch Gerry Friedle eingetroffen, mit Frau. Sie managt ihn. Auf dem Monitor sehen wir, wie Stermann und Grissemann drinnen das Publikum auf Touren bringen, die Leute müssen für die Aufzeichnung warmgemacht werden. Gerry Friedle, der Ötzi, ist wirklich sehr nett. Man kann es nicht oft genug sagen. Seine Frau ist eine Stille, sie scheint ein wenig besorgt.

Maschek gehen auf und ab und memorieren ihren Sketch. Drinnen ist die Stimmung prima. Als erster kommt Ötzi dran, ich muss warten. Auf dem Monitor sehen wir uns seinen Auftritt an. Grissemann zwickt ihn ein wenig, und schon verfällt Ötzis Frau, sie hat Angst, dass man ihren netten Mann vorführt. Dafür gibt es keinen Anlass, Grissemann zwickt doch jeden, Stermann gibt den Netten, das weiß man. Es ist ihr trotzdem nicht recht. Klamme Stimmung deswegen draußen vor dem Monitor. Ich bin nicht in Trösterstimmung, bin selber nervös.

Ganz anders drinnen, das hört man. Ötzi gibt weiße Kappen aus, alle setzen weiße Kappen auf. Dann muss ich hinein. Den schmalen Gang hinter der Bühne kenne ich schon, der Assistent führt mich durch, schubst mich ins Scheinwerferlicht, schon sitze ich auf dem heißen Stuhl. Nein, danke. Erster Willenstest: Eine weiße Ötzi-Kappe, eine sogenannte Eierschale, lasse ich mir nicht aufsetzen.

Im Gespräch gibt es einen schwierigen Moment. Genaugenommen zwei. Der erste, als mir eine Pointe einfällt. Grisseman sagt zu Ötzi: „Ich geh!“ (ins Konzert, meinte er). Ich darauf: „Was, jetzt schon?“ Und merke gleich, die Art von Pointe lässt du lieber bleiben, sonst rasiert er dich. Eh hielt er mir gleich vor, dass ich ihn wieder einmal Stefan genannt habe. Ich tue das nicht absichtlich, es ist ein Dämon in mir, ich schwöre es, der Stefan-mit-Christoph-verwechsel-Dämon. Wir kamen darüber hinweg.

Der zweite Moment kam, als ich dem Ötzi gestand, das sich seinen Stern-Song nicht gekannt hatte. Sowas von weltfremd, rief er erschüttert, der naturgemäß noch nie einen Text von mir gelesen hatte, aber den Falter kannte. Sicher! Dass man seinen Megahit nicht kennen konnte, das wollte ihm nicht in den eierbeschalten Schädel.

Ich war sehr froh, dass auch das ohne Groll vorüberging, denn einer der Gründe, warum ich das Ganze auf mich nahm, war die unvorhergesehene Paarung aus „volkstümlicher Musik“ und „Falter“. Ihren Reiz gewann das scheinbare Mismatch aus einem Diktum des Andreas Gabalier, der den Falter unter großem Boulevard- und Publikumsjubel in der Stadthalle gedisst hatte, weil der Falter wiederum ihn gedisst hatte, wegen Bundeshymne und so. Die ÖVP-Frauen wissen eh.

Ötzi-Thurnher, das war die Kombination dessen, was nicht zusammengehört, unkorrekter Stadl und überkorrekter Linksintellektueller, so hatten das Stermann-Grissemann-Heidi gesehen, so sah auch ich es, und DJ Ötzi spielte zumindest mit. Man könnte ja weiterdenken, was das für volkstümliche Gedichte, schlechte Reime und anderes inkommensurables Zeug bedeuten könnte, das ich in jüngerer Zeit riskiert habe, aber die Gelegenheit, über derartige unpassende Paarungen öffentlich nachzudenken, reift noch. Sie kommt bald.

Jetzt aber werden wir hinübergebeten, zum Klavier. Hinter uns Russkaja, diese gewaltig fetzige Band, davor Ötzi auf dem Barhocker, und ich am Keyboard. Dunkel. Schmalzige Intro, ich solo, zartbesaitet, die fabelhafte Violinistin spielt mit, ich mache ein bisschen Oktaven-Staccato-Sternenstaub und ein bisschen Diskant-Getriller, um die Weltall-Beschwörung leichthin zu ironisieren, was aber eh nur mir auffällt, und dann hebt Ötzi an, er lässt sich auf das Gutternigg-Arrangement ein, ganz langsam singt er, einfühlsam, so hat er es noch nie gesungen, und denen im Saal haben sie gesagt, Feuerzeuge heben, was zeitgenössisch heißt, Handys rauf, Taschenlampe an. Geht trotzdem ans Herz.

Fotos: Screenshots ORF/Youtube

Die Spannung ist da, und sobald die Sache rockig wird und das Licht angeht, sieht man, dass der Funke überspringt. Ötzi kann das. Der könnte Küchenmöbel zum Singen bringen. Die paar Hundert in der Halle hat er, mich auch, und die hinter mir tun den Rest. Ich muss nur auf meinen Gesichtsausdruck aufpassen, ja nicht den Rockstar mimen, das habe ich mir vorgenommen.

Georgij Alexandrowitsch Makazaria, der freundliche singende Russenriese und Russkaja-Gründer, steht links neben mir. Als wir zu spielen beginnen, legt er einen kleinen Zettel auf das Keyboard. Ich beachte es nicht weiter. Jetzt aber hechtet er unversehens neben mich, fischt den Zettel, hält ihn sich vor die Augen, legt ihn wieder hin und schnellt zurück.

Wie soll man da die Tasten treffen? Schon schießt der Russentorpedo wieder nach vor, ich habe Angst, er checkt mich samt Keyboard weg. Dann merke ich, er hat den Refrain aufgeschrieben und weiß, sie werden sein Vor- und Zurückhechten später herausschneiden. Nicht aber meine leicht geduckte, der Angst vor physischem Kollateralschaden geschuldete Haltung. Rechts von mir Ötzi mit Mikro, der jetzt auf und ab springt, links der hechtende Makazaria, hinter mir die Band, vor mir dreihundert Handys – Gott weiß, wie ich da durchkam, Opferlamm auf dem Altar der Volkskultur, auf den ich mich freiwillig gelegt hatte.

Nachher klopfen sie mir alle auf die Schulter, außer Grissemann, der ist schon fort, angeblich ein Wasserrohrbruch zu Hause. Ich bin zufrieden, unfallfrei durchgekommen zu sein, mein Ruf als Musiker ist ruiniert, der als seriöser Intellektueller auch, aber, wie es im Kino heißt, mit Verlust ist zu rechnen. Du bist eine coole Socke, sagt Heidi. Du bist schuld, sage ich, aber ich bin ihr nicht böse. Aus der Million wurde nichts, aber mit diesen drei Texten habe ich die Youtube Abrufe auf über 30.000 getrieben. Das soll mir der Toni Innauer einmal nachmachen!

Nachher konnte ich mich nicht einmal mit den Gratulanten niedersaufen, denn es war Montag, und ich musste nach Hause, den Seinesgleichen-Kommentar für den Falter schreiben.

(Nachbemerkung: Ich bin froh, mir heute Worte zu Blümel-Schramböck-Nehammer-Anschober-Pilnacek-Fuchs-und-wie-sie-alle-heißen-ach-ja-Kurz erspart zu haben. Das wird natürlich nicht so bleiben können. Und am Sonntag oder so kommt der Epidemiologe!).

Finis. L.s.D.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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