Meine fünf Minuten Ruhm mit DJ Ötzi. Folge II: Wir müssen proben! Wo ist Ötzi?

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 332

Armin Thurnher
am 11.02.2021

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(Was bisher geschah. Ich hatte eine Einladung zu Stermann und Grissemann. Produzentin Heidi List hatte ich im Scherz angeboten, Klavier zu spielen. Sie nahm mich beim Wort. Der Gast, den ich begleiten sollte, war DJ Ötzi. Ich war dabei, das für eine kurze Kolumne zu schreiben, aber die Erinnerung ist ein Hund. Man soll ihn nicht aufwecken. Jetzt werden drei draus.)

Ich begann mich damit vertraut zu machen, dass Heidi wirklich wollte, dass ich mit DJ Ötzi auftrete. Ob der von seinem Glück weiß? Wir werden sehen. Jetzt hieß es, den Song zu üben. Die Version, die mir der freundliche Kapellmeister Gutternigg geschickt hatte, war wirklich kinderleicht, ich dachte mir ein paar Kitschigkeiten für die Intro aus und versuchte, die rockigen Teile mit Hilfe eines Metronoms hinzukriegen. Es war so wie es war.

Als alter Musikschüler und Kammermusiker wusste ich, wie das war: der öffentliche Auftritt nimmt dir die Hälfte dessen weg, was du kannst. Du musst es doppelt so gut können. Ich hatte in der Jugend auch einmal in einer kleinen Band gespielt, Theatermusik mit Schlagzeug und E-Gitarre gemacht, der Gitarrist war dreimal so musikalisch wie ich, kein Ahnung von Noten, ich spielte ihm ein paar Akkorde vor, er spielt einfach mit. Substanzen befahlen: improvisiert drei Stunden rockig über Beethoven-Themen. Ist eine eigene Geschichte.

Ich übte zuhause auf dem Klavier mit diesen Noten den Stern-Song. Was würde ich dort für ein Klavier haben? Ein richtiges Klavier hatte ich mir gewünscht. Klar ist es richtig, sagte Heidi. Ich hoffte auf eine gewichtete Tastatur. Eines dieser Yamaha-Dinger, die den Anschlag schön ganz nett simulieren, mit Pedal und allem, und nicht einen dieser drucklosen Synthesizer, dazu würde es wohl reichen.

Würde ich diese Wahnsinnstruppe, diese wahnsinnig energetische Russkaja im Rücken haben oder zur Seite? Keine Ahnung, aber die blasen mich nur so weg, das empfand ich als beruhigend, denn dann wäre nicht zu hören, was ich da klimperte. Andererseits war zu befürchten, dass mit meiner Affenmachung gerechnet wurde, was ich wiederum zu vermeiden trachtete. Aber vermutlich ließ sich eine sichtbare Positionierung nicht vermeiden. Und dann DJ Ötzi. Was das für einer war? Keine Ahnung. Ziemlich viele Unbekannte.

Wir müssen ja proben, rief ich. Proben? Ja, eine Stunde vor Beginn der Aufzeichnung findet eine Probe statt. Du kannst dann immer noch entscheiden, ob du das willst, sagte Heidi. Wir finden es alle sehr super, dass du das machst. Nimm dir ein Taxi 60101 und ruf ich an, wenn du da bist, ich zahl es dann.

Das Taxi hält vor Maria Jacobi Gasse 2, der angegebenen Adresse, aber Heidi hebt nicht ab. Ich zahle das Taxi derweil selbst und suche das Studio, finde aber nur das Café. Eine freundliche Kellnerin geht mit mir hinaus und zeigt mir den unscheinbaren Eingang. In der spärlich beleuchteten Lobby sitzt Heidi mit einer Kollegin. Sie hat ihr Telefon stummgestellt und ist entsetzt, dass sie meinen Anruf übersehen hat.

In diesem schwach beleuchteten Vorzimmer stehen eine Garderobe, Tischchen, ein Warmhalteregal mit Speisen, ein Kühlschrank mit Getränken, eine Polstermöbelgarnitur und ein großer Bildschirm, der nicht eingeschaltet ist. Heide erklärt erklärt mir die Routine. Auf Catering habe ich keinen Appetit. Alkohol ruiniert bei mir die Feinmechanik, kommt also nicht in Frage, obwohl mich mich ganz gern mit einem Bierchen beruhigen würde.

Ist Ötzi da? Er sollte schon längst da sein! Heidi ruft an, er ist im Anrollen. Können wir hineingehen, uns das Setup ansehen? Klar, wir gehen. He, das ist aber ein großer Saal! Aha, da steht die Band. Dort ist der Schreibtisch, hinter dem die beiden Sitzen.

Assistenten mit Kabeln, Kameraleute, der Regisseur, Beleuchter. Wo ist das Klavier?

Kommt schon, ruft Heide, und da kommt es schon, zwei Roadies schieben es durch die große Seitentür herein. Ein Synthesizer, wie befürchtet. Was anderes habt ihr nicht? Nein, das ist das beste, was wir auftreiben konnten. Es hat kein Pedal! Doch, das wird separat hereingebracht. Das müssen wir mit Klebeband fixieren, damit es mir nicht davonrutscht. Gaffertape ist im Übermaß vorhanden.

Ich soll vor Russkaja sitzen, den Russenrockorkan im Rücken, damit man mich gut sieht. Hatte ich befürchtet. Es gibt kein Zurück.

Nach Erscheinen der gestrigen Seuchenkolumne schickte mir Arrangeur Hans-Georg Gutternigg dieses Bild, das ich Ihnen nicht vorenthalten will. Foto @ Hans Leitner

Wir haben eine Stunde, um zu proben. Endlich kommt Ötzi. Der Gerry. Ein Freundlicher, wie alle gesagt haben. Ein Netter. Er freut sich, dass ich das mit ihm mache, sagt er, eine Ehre. Ok, probieren wir es. Aha, langsam wollt ihr es machen, sagt Ötzi. Warum nicht? Er hat das schon tausendmal gesungen, wahrscheinlich könnte er es auch im Krebsgang oder gespiegelt zum besten geben. Er setzt sich auf einen Barhocker neben mich, intim, wie zu Hause oder so, und schaut mir genau auf die etwas klammen Finger.

Wir spielen es einmal durch. Aber hallo, beim zweiten Refrain soll ich nicht mitspielen – das geht sich nicht aus, da finde ich nie wieder rein, das müssen wir ändern. Ich spiele nur die Akkorde. Gut, ändern wir, sagt Kapellmeister Gutternigg. Russkaja ist flexibel. Ötzi gefällt die langsame Version. Mein Geklimper auch. Guat, sagt er. Des klingt doch Spitze, wirklich. Alle tun begeistert. Nur jetzt mich nicht verunsichern, dass ich vielleicht noch auf Ideen komme und zurückziehe. Ob ich es machen will, fragt keiner mehr.

Ich nehme die Reden nicht ernst, finde den Klang des Ganzen aber akzeptabel. Ich meine, ich sehe diese Leute zum ersten Mal, bin kein Musiker, 70 gottverdammte Jahre alt, habe so etwas noch nie gemacht, dafür klang es ja ganz ok. Wenn’s nach mir gegangen wäre, hätten wir jetzt angefangen zu proben, aber die Zeit war schon um.

Wir müssen jetzt das Publikum hereinlassen, sagt jemand.

(Schluss folgt.)


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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