Meine Sternstunde. Erinnerung an meine fünf Minuten Ruhm.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 331

Armin Thurnher
am 10.02.2021

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Kollege Klenk gastierte gestern Abend als brillanter Kriminalerzähler in der beliebten Show »Willkommen Österreich«, bei Dirk Stermann und Christoph Grissemann, dessen Vornamen ich stets zu nennen vermeide, weil ich dabei zu peinlichen Fehlern neige. Diesmal ist, glaube ich, bis hierher alles gut gegangen. Maria Happel, die ebenfalls da war, trug einst einmal (bei einer Nestroy-Preis-Verleihung) zu meiner Freude von mir verfasste Nonsense-Hexameter vor. Die ebenfalls anwesende Lilian Klebow kenne ich aus dem Fernsehen. Ich erwähne das, weil mir bei dieser Gelegenheit mein eigener Auftritt bei diesem Duo einfiel, eine durchaus merkwürdige Begebenheit vor zwei Jahren.

Irgendwann muss ich sie erzählen, und weil politisch und seuchenmäßig gerade Ebbe herrscht, kann ich es genauso gut heute tun. Ich bitte jetzt schon um Nachsicht, dass diese komplett seuchenfreie Geschichte zwei Folgen in Anspruch nehmen wird, denn sie war kurios genug, dass ich mir kurz danach Notizen machte, um eines Tages darüber berichten zu können. Buchen Sie bitte es als Unterhaltungsversuch.

Es war bei der Falter-Weihnachtsfeier im Dezember 2018. Ich hatte gerade mit Kollegin Miriam Damev, einer studierten Konzertpianistin, vierhändig eine Mozartsonate vorgespielt, einigermaßen unfallfrei und musikalisch gar nicht übel, wie ich fand. Wir hatten geübt! Entsprechend euphorisiert sagte ich zur Kollegin Heidi List: „Wenn ihr wollt, spiele ich auch bei »Willkommen Österreich« Klavier“.

Ich hatte einigen Wochen zuvor eine Einladung zur Satireshow der beiden Kabarettisten Stermann und Grissemann erhalten, weil ich gerade einen Roman herausgebracht hatte, sowie einen Band mit meinen Kolumnen, und weil ich 70 Jahren alt geworden war. Auch schon was. Heidi schreibt im Falter die Sexkolumne und arbeitet für die Filmfirma, die diese Show für den ORF produziert.

Als der Termin der Show näherrückte, hatte ich meinen Weihnachtsfeierspruch längst vergessen. Mit mir gemeinsam, entnahm ich der Programmvorschau, sollte ein deutscher Schlagersänger im Programm sein, einer, der mit Leuten wie Sido und ähnlichen Kalibern aufgetreten war. Unversehens verschwand sein Name, den ich längst vergessen habe, aus der Vorschau. Auf einmal stand ein anderer Name da: DJ Ötzi.

Heidi mailte mir die Frage, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm gemeinsam aufzutreten und seinen Hit »Ein Stern, der deinen Namen trägt« am Klavier zu begleiten. Den Song kannte ich nicht. Siedend heiß aber erinnerte ich mich an mein unbedacht abgegebenes Angebot. Ich schaute auf Youtube, was für ein Song das war. Ich kannte ihn wirklich nicht. Eingängige Melodie, DJ Ötzi strahlend groß im Bild, dazwischen Frauen, die sich scheinbar ihrer Kleider entledigten, aber dann doch nicht, dazu ein grinsender Gitarrist mit dem immergleichen Riff.

27.2.2019, DJ Ötzi und AT bei Stermann und Grissemann. Foto: Youtube

Ich brauche Noten, sagte ich zu Heidi. Und ein Klavier. Es wird alles geben, versprach Heidi, alles was du willst. Das wird großartig. Es war eine Woche vor der Aufzeichnung, aber es gab weder Noten oder sonst etwas. Der Bandleader von Russkaja hatte andere Sorgen. Ich ging in die Popabteilung der Wiener Notenhandlung Doblinger, wo man sich unter Umständen einzelne Noten ausdrucken lassen kann. Der »Stern« fand sich nur in einem umfänglichen Band mit einer Blütenlese unserer Schlager, von Udo Jürgens bis Andrea Berg („Du hast mich tausendmal belogen…“). Ich ließ ihn mir 30 Euro kosten und bekam eine Karaoke-CD gratis dazu.

Ich habe die Noten, mailte ich Heidi. Werden wir in C-Dur bleiben? Erstmals meldete sich der Kapellmeister der Studioband Russkaja, deren Auftritte ich im TV stets bewundert hatte. Ob ich die Noten fotografieren und ihm schicken könne? Gern. Eigentlich hatte ich von ihm die Noten erwartet. Mit mir kann man es ja machen. Es war fünf Tage vor der Aufzeichnung.

Sag ihm, er soll es mir nicht zu schwer schreiben, richtete ich Heidi aus. Ich googelte die Band im Internet und sah, Hans-Georg Gutternigg, das ist der Mann, der die Potete spielt, dieses selbsterfundene Instrument, eine Kombination aus Trompete und Posaune, hatte musikalische Erfahrungen beim Jazzpianisten Joe Zawinul und dem Dirigenten Franz Welser-Möst gesammelt. Was immer das hieß, es klang beruhigend.

Nach zwei Tagen kamen die Noten. Wenigstens an meine Bitte hatte sich der Kapellmeister gehalten: schlichter ging es kaum. Die Noten enthielten alles, was man brauchte, Akkorde, Anweisungen, Stimmen für Posaune, Geige und Schlagzeug, aber keine Gesangsstimme. Ich stell’s mir so vor, schrieb der Kapellmeister trocken dazu:

Intro Rubato quasi Cadenz mit Arpeggios

A Refrain langsam

B rubato Strophe Sprechgesang wie bei einem Wienerlied

C leiser Refrain im moderatem Tempo

4 Achtel Drums als Einzähler + Interlude

D zwei Refrains mit Russkaja

Ich solle das Ganze auszieren, wie ich wolle. Meine Rückfragen, ob Ötzi, der den Song in allen mir zugänglichen Versionen flott absolvierte, darauf gefasst sei, langsam zu singen, bleib unbeantwortet. Heidi fand es super, dass ich das mache. Das würde Youtube-Aufrufe sonder Zahl setzen. Werde ich dann Millionär, fragt ich vorsichtig . Eher ja, antwortete sie. Weltherrschaft sei jedenfalls garantiert. Sie hatte immer noch Angst, ich würde absagen. Ich auch.

Fortsetzung folgt.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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