Der kluge Kater mischt sich in die Debatte über Wut auf den Journalismus ein

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 327

Armin Thurnher
am 06.02.2021

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Kater: Sag einmal, was machst du da mit dieser mehrteiligen Wutrede?

Ich: Ich führe eine Debatte. Das ist das Gegenteil einer Wutrede. Ich rede über Wut.

Kater: Mit dir selber? Ich darf da gar nicht mitreden? Was sind das für Debatten?

Ich: Ich wollte einfach wieder einmal ein paar Dinge sagen, die mir wichtig sind. Auf Podien zu solchen Themen bin ich oft genug gesessen, und die beim Fernsehen interessiert das nicht.

Kater: Du hast ja mich.

Ich: Ja, scheint so, als könne man dich nicht draußenhalten.

Kater: Nein. Ich schreite ein, weil ich eine Tendenz zur Volkshochschule bei dir bemerke!

Ich: Was hast du gegen Volkshochschulen, arroganter Mottenpelz?

Kater: Das will ich nicht gehört haben. Mir liegt daran, die Vielfalt deiner Kolumne retten. Wo sind die fetten Kochrezepte, wo bleibt die Poesie?

Ich: Die ist, um Reinhard Priessnitz zu zitieren, nur ein Gurkerl im Knie.

Kater: Also, du bist schon ein schlampiger Hund. Kürzlich hast du Bloch mit Benjamin verwechselt. Auch wenn die in deinem Regal und deiner Biografie Rücken an Rücken nebeneinanderstehen, peinlicher geht’s nimmer! Übrigens sagt Priessnitz das über die Philosophie!

Ich: Du hast zwar kein Recht, mich einen Hund zu nennen, auch wenn du es freundlich meinen magst. Aber du hast recht, ohne Korrektur neigt man zum Fehlerhaften.

Kater: Das hast du wieder einmal unübertroffen geschwollen formuliert. Aber es bringt mich zur Sache. Auch Korrektoren sind Teil des Journalismus, und du agierst hier völlig korrektorenlos.

Ich: Interessante Bemerkung. Ich habe mein Volkskorrektorat.

Kater: Was ist denn das?

Ich: Das sind Menschen, die mich per Mail oder sonstwie auf Fehler aufmerksam machen, die ich dann korrigiere.

Kater: Dann ist ja alles gut, und du brauchst keine Redaktion mehr.

Ich: Falsch, mein Lieber. Es ist zwar schön, dass diese Menschen mir freiwillig helfen, und es zeigt auch, was Solidarität und Teilnahme vermögen. Es fehlt aber die Verbindlichkeit. Wenn sie auf Urlaub sind, die Lust verlieren oder einfach nichts mehr tun, bin ich wieder am Anfang. Eine Redaktion ist ein Organismus, der sich verbindlich gegenseitig kontrolliert. Mich zum Beispiel, ehe ich etwas veröffentliche.

Kater. Du meinst, eine Internalisierung der Zensur?

Ich: So könnte man es sagen, wenn man bösartig wäre. In Wahrheit ist es ein Prozess der Vorsicht, der Verzögerung und Reflexion. Man hört eine zweite Meinung, ehe man etwas publiziert. Jedes Medium hat so etwas wie eine Linie, innerhalb derer aber Meinungsfreiheit herrschen sollte.

Kater: Es soll Chefredakteure geben, die Menschen auf ihre Linie zwingen, mehr oder weniger sanft. Wenn die eine Parole ausgeben, dann folgen alle.

Ich: Das sind dann Kampagnen, wie sie die Kronen Zeitung gerne führte. Der alte Dichand, ihr Herausgeber – das klingt schon wie „der alte Fritz“ – musste keinen Befehl ausgeben, man fühlte sich als Redakteur in das ein, was er wollte, und erfüllte es sozusagen vorauseilend freiwillig. Es geht auch ohne Kampagne: den Kurier haben sie auf Türkis gedreht, ganze ohne Kampagne. Einfach die Führung austauschen, fertig.

Kater: Wenn man die Fähigkeit zur einfühlenden Linientreue nicht hat, ist man gefeuert?

Ich: Oder erst gar nicht im Team. Man verinnerlichte sozusagen das, was bei den Parteizeitungen das Zentralkomitee oder die Parteileitung vorgaben. Sah ganz anders aus, funktionierte aber nach einem ähnlichen Prinzip.

Kater: Gibt es nicht bei jeder Zeitung Menschen, die so eine Linie vorgeben?

Ich: Ja. Man nennt sie Herausgeber.

Kater: Du bist ja auch so einer. Was tust du dann, und was hast du für eine Linie?

Ich: Es gibt eine unausgesprochene Linie, die immer neu ausgestritten werden sollte. Die Linie bilden in unserem Fall die Prinzipien des kritischen Journalismus. Ich habe noch nie jemanden nach einem Parteibuch gefragt, nicht einmal nach seinen Präferenzen. Wenn ich die Leute nicht am Stil erkenne, bin ich selber schuld.

Kater: Lass bitte nicht derart den Krausianer heraushängen. Du weißt, wie zweischneidig dieses Zitat ist: „Dass einer ein Mörder ist, muss nichts gegen seinen Stil beweisen. Aber der Stil kann beweisen, dass er ein Mörder ist.“

Ich: Nein, das Stil-Fass bleibt heute zu. Lass es mich versuchen, so zu sagen. Naturgemäß versammelt man zuerst einmal Leute in einer Redaktion, die politischen Prinzipien folgen, die man selbst für richtig hält. Und naturgemäß haben da Leute den Vortritt, die einem selbst ähnlich sind. Da ich das weiß, habe ich immer darauf geschaut, dass sie mir nicht zu ähnlich sind. Im Zweifel nahm ich lieber jemanden, der mir intelligent widersprach, als jemanden, der mir weniger intelligent beipflichtete.

Kater. Du bist ja ein veritabler Held des kritischen Diskurses!

Ich: Ich möchte bitte, dass du wenigstens so tust, als würdest du mich ernst nehmen. Dir gegenüber habe ich Druckmittel.

Kater: Ah, und deiner Redaktion gegenüber nicht? Kündigungen hast du wohl nie ausgesprochen, heilig wie du tust.

Ich: Sogar mehrere. Aber in meiner mehr als 40jährigen Laufbahn blieb ich damit deutlich im einstelligen Bereich.

Kater: You are fired!, alle paar Jahrzehnte… Aus dir wird kein Trump mehr.

Ich: Das hast du gut verstanden. Dafür darfst du wir was aussuchen. Ich habe da noch ein paar spezielle Snacks.

Kater: Wenn du wieder einmal so einen Kabeljau zubereitest wie neulich, wären mir ein paar Abschnitte recht. Aber leinengefangen, bitte.

Ich: Ich fürchte, es bleibt bei unserer klassischen Alternative. Ich geb dir Pute.

Kater: Na gut. Noch was: das mit der redaktionellen Linie, die sich von Mal zu Mal selbst herstellt, musst du mir noch erklären.

Ich: Versprochen. Es hängen ja auch sonst noch einige Fragen in der Luft. Seuchen mögen sich ziehen, aber Seuchenkolumnen haben ein Ende. Fortsetzung folgt, mit dir, ohne dich.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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