Wer hätte das gedacht? Corona ist eine Krankheit zur Aufklärung!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 310

Armin Thurnher
am 20.01.2021

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Das Virus bringt’s ans Licht. Dieses SARS-CoV2 Virus samt seinen Mutationen ist eine Krankheit zur Aufklärung, eine Aufklärungskrankheit, besonders seine Mutationen, die jetzt die Geduldsfäden unseres Oberepidemiologen bis zum Zerreißen beanspruchen.

Stellen wir uns einmal kurz vor, was wir alles ohne das Virus nicht hätten!

Zum Beispiel die Inauguration des Herrn Joseph Biden. Die wäre wahrscheinlich eine triumphalistische Veranstaltung des Herrn Donald Trump geworden, voll unerträglicher Arroganz und aus allen Social-Media-Kanälen triefendem Hohn.

Corona hat das verhindert.

Des weiteren würden die neofeschistischen Chauvinismusspiele in Kitz wieder einem neuen Höhepunkt zutreiben; jetzt haben sie aufgrund der Seuche ihr Publikum, ihren Kesselcharakter und all den rotweißroten Partyspaß verloren, dieses unnachahmbare Gebräu aus Schröcksnadel, speichelleckenden Reportern, ichgeilen Promis und marodierenden Adabeis, das mir einst das Wort „Feschismus“ eingab.

Ohne Corona hätten wir keine Pressekonferenzen gehabt, und viel mehr Politikberater. Kürzlich aber war er wieder da, der Politikberater aller Politikberater, der Hofer war’s, der mich auf etwas aufmerksam machte, was mir ohne Politikberater völlig entgangen wäre.

„Am Sonntag kam es (im virologischen Quartett) allerdings zu einer personellen Veränderung, was laut Politikberater Thomas Hofer auf eine ,Korrektur‘ hindeutete“, las ich auf orf.at. Ja wirklich, da standen sie plötzlich, der Michael Ludwig und der Hermann Schützenhöfer. Der erste im trotzigen Vollbewusstsein seiner Staatsmannschaft, der zweite völlig losgelöst im Schwurbelrausch der Lizenz, live auf Sendung zu sein.

Ludwig aber blieb sachlich und schmierte dem heiligen Sebastian nicht zurück, was dieser ihm und dem Roten Wien den ganzen Sommer lang hingeschmiert hatte.

Ob sich solche Zivilisiertheit auszahlen wird?

Hentai Haruspex. Der Haruspex ist offenbar auch in der Welt der Gamer ein Thema. Foto @ Monkeychuka

Wie wird er es deuten, unser Haruspex, unser eingeweideschauender Politikberater, was es uns sagen mag, dass Werner Kogler und Karl Nehammer verschwunden waren? Und Haruspex Hofer sprach aus dem Bauch heraus: „Man hat hier wohl etwas korrigiert, was im Grunde längst überfällig war … Es sieht danach aus, als wolle man aufeinander zugehen, was aus meiner Ansicht zwar zu spät kommt, aber auch jetzt noch richtig ist.“

Das sehe ich aus meiner Ansicht genauso, lass’ ein gutes Aufeinanderzugehen nie vorbeigehen, dafür ist es nie zu spät, es ist immer auch jetzt noch richtig, und wer weiß, vielleicht wird einmal ein Schulterschluss daraus. Die Welt ist alles, was überfällig ist.

Kitzbühel, das war stets so ein überfälliger Schulterschluss. Im neuvirologischen Quartett blieben die rotweißroten Backen ungeschminkt. Aber die Backenstreifen waren unsichtbar sichtbar, was bedeutet, dass der Bundeskanzler eingesehen hat, dass die Zeiten des Imagewertabmelkens ein bisschen vorbei sind, und dass man, wenn man den anderen schon vorkommen lässt, damit auch die Chance ergreift, ihm beizeiten den Schwarzen Peter hinüberzuschieben.

Vom Schulterschluss zum Schulterschuss. All die vielen Fragen, die wir nie gestellt hätten, werden uns von Corona beantwortet. Zum Beispiel, ob es so etwas wie Fairness geben kann, oder ob die natürliche Ordnung der Privilegiengesellschaft auch dann eingehalten wird, wenn der knappe Impfstoff dem medizinischen und dem pflegenden Personal und den gefährdeten Alten vorbehalten sein soll. Nix da: die sogenannten Großkopferten, die Schlaumeier, die Vordränger, die Sich-Für-Was-Besseres-Halter drängten sich vor und geierten sich einen ersten Impfschuss; wer würde ihn denen wieder aus dem Körper saugen? Niemand, im Gegenteil, man wird ihnen den zweiten dann auch nicht verweigern können, dem Kardinal, dem Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde samt Familie, den Bürgermeistern von Feldkirch, Kematen, Eberschwang und sonstwo.

Wie schön, zu sehen, dass der Mensch zwar kein rationales Wesen, aber ein egoistischer Fratz ist. Ja, Corona klärt uns über uns selbst auf, mehr als wir das gebraucht hätten. Es zeigt uns, dass Lösungen nicht gefunden werden und alles auf den Zeitpunkt wartet, wo endlich „wieder Normalität“ einkehrt. Noch so eine Lehre des Virus: diese Normalität gab es vorher nicht und nachher wird es sie genauso wenig geben. Willkommen in der demokratischen Kastengesellschaft!

Käme jemand auf die Idee, Lösungen für die Schule zu suchen? Für jene Kinder, die dringend einer flexiblen Antwort bedürfen, die von unterprivilegierten Familien, die am härtesten durch den Ausschluss vom „normalen“ geschehen betroffen sind? Sei es gestaffelter Betrieb, sei es Lernen mit älteren Mitschülern, in kleineren Gruppen, gestaffelt, mit befähigten und willigen Eltern, was auch immer.

Ich bin weit weg von alldem, sehe nur, dass viel zu wenigen etwas einfällt. Aber wer verlangt schon einen Schulplan von Leuten, die nicht einmal einen Impfplan zusammenbringen? Die höchstens Planungssicherheit erbetteln, wo es unter vervirten Umständen keine geben kann.

Noch weniger, und das ist die bitterste Aufklärung, die uns das Virus bringt, wird das Thema Solidarität auf die Tagesordnung gebracht. Einkommensverluste sind in der Unterschicht höher, in der Oberschicht, die mit Homeoffice besser zurechtkommt, geringer. Sie sind bei Unselbständigen höher, bei den Selbständigen geringer. Die kleinen Händler, Geschäfte und Restaurants trifft es hart, große Ketten und Konzerne profitieren zum Teil sogar erheblich. Jobs gehen verloren, es wird Konkurse geben, es wird Heulen und Zähneknirschen herrschen. Es wird gerechten und rechten Zorn geben.

Ist es denkbar, in einer Ausnahmesituation wie einer Pandemie die Frage nach Ausnahmehilfsmaßnahmen zu stellen, und zwar nicht nur staatlicher Umverteilung, die dann eh wieder von der Masse bezahlt wird. Sondern nach kräftigen Solidaritätsbeiträgen der Profiteure? Ist das heilloser Sozialismus oder pandemische Aufklärung?

Ich glaube, ich muss einen Politikberater anrufen.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!