Das türkise Kompetenz-Unschärfeprinzip

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 306

Armin Thurnher
am 16.01.2021

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Kürzlich machte ich eine bahnbrechende Entdeckung: Das SarsCov2-Virus ist ein Wahrheitsvirus. Es bringt die Wahrheit über unsere Regierung ans Licht. Das Virus verwandelt sich in verschärfte Varianten, weil die ihm zugängliche Bevölkerung kleiner wird, wenn die Impfung immer mehr Leute immunisiert. B 117, klingt wie eine harmlose Landstraße, bringt aber ordentlich Unruhe ins virale Geschehen. Und so wie sich neue unruhestiftende Virenvarianten herausbilden, so wird uns in verschärften Wahrheitsvarianten immer klarer, mit wem wir es zu tun haben.

Aktueller Erkenntnisstand: Wir haben es nicht mit einer Regierung zu tun, sondern mit einem Kanzleranbetungskränzchen. Das wussten wir schon vor dem Virus. Was wir aber nicht wussten: mit welchen Herrschaftstricks der Mann in der Mitte des Karussells seine Macht absichert. Bisher konnte man denken, der Message-Salon formuliert die Botschaften und gibt die Tagesparole aus, die von einzelnen Ministrantinnen (Männern mitgemeint, früher sagt man Minister) dann nachgebetet wird. Gern auch ritualförmig. Sie knien dazu nur gedanklich nieder, physisch stehen sie an mit Plexiglasscheiben (Spucknäpfe nennt sie der Epidemiologe meines Vertrauens neckisch) versehenen Rednerpulten, hinter sich einen Flaggenwald, als wären sie gerade mit vierten Plätzen von olympischen Spielen heimgekehrt.

Auf Beamtenebene kontrollieren Generalsekretäre das Personal wie einst Aufseher die Sklaven auf Plantagen und sehen zu, dass nichts aus dem Ruder läuft und keine Eigenmächtigkeiten aufkommen; die Macht ist im Zentrum. Hinter den Kulissen tauscht das Zentrum Geldscheine gegen freundliche Botschaften und nennt es Medienpolitik.

So funktioniert die Macht der Generation Türkis, dazu das Peter-Prinzip, alle eine Etage über ihren Fähigkeiten, dachte auch ich bisher, aber B 117 öffnete mir die Augen. Der wahre Trick, so entdeckte ich, besteht nicht nur darin, prinzipiell ungeeignete Personen auf Ministrantinnenposten zu heben. Sie müssen auch spezifisch ungeeignet sein. Die permanente leichte Peinlichkeit, die deshalb über allem liegt, ergibt zusammen mit der gleichzeitig angewandten kommunikativen Disziplin eine unwiderstehliche Mischung. Wenn sich die Nichteignung einer Person zum Skandal entwickelt, wie im Fall der Frau Aschbacher, wird diese flugs durch einen sogenannten Experten ersetzt. Das Publikum jubelt, aber das Prinzip ist verletzt.

Nicht ganz. Es gibt zwar nunmehr zwei türkise Experten in dieser Regierung, aber ihre Expertise entspricht nicht ihrem Amt. Der eine ist der Experte für Geografie und Migration Heinz Fassmann, der folgerichtig das Bildungsressort verwaltet, der andere ist Martin Kocher, Experte für Wirtschaft und Finanzen, der logischerweise das Arbeitsressort betreut.

Ganz schön gefinkelt. Gernot Blümel, dessen Spezialgebiete Hautnähe zum Kanzler (zwischen uns passt kein Blatt Papier) und Gedächtnisschwäche sind, wurde vom Kunst- zum Finanzminister. Kunst mir die EU finanzmäßig ein bisserl sekkieren, sagte der Kanzler, und Blümel konnte nicht einmal das.

Die Wirtschaftsministerin Schramböck hingegen wäre die ideale Unterrichtsministerin. Dass sie von Wirtschaft keine Ahnung hat, zeigte sie nicht nur durch den Monsterflop Kaufhaus Österreich. Schule, das könnte sie, zumindest im türkisen Sinn. „Die Schule produziert am Markt vorbei“, trötete sie vor einiger Zeit. Ich aber sage euch: wer so gut versteht, was Schule sein und können soll, der darf dafür keine Verantwortung übernehmen. Das verlangt das türkise Kompetenz-Unschärfeprinzip.

Ellie Köstinger, die geborene Nationalratspräsidentin, darf das ebenfalls nicht sein! Mit roten Bäckchen schwor sie uns seinerzeit, das Parlament sei kein Zwischenparkplatz, viel zu sehr lodere Respekt für diese fundamental wichtige Institution in ihrem Busen, als dass sie es nur ein paar Wochen als Ausweiche benützen würde. Nach ein paar Wochen war sie fort, in einem dieser mit unmerkbarem Namen ausgestatteten und mit inkompatiblen Kompetenzen überhäuften Ministerien. Ich glaube, es ist das Seilbahnministerium. Sie passt nicht hin, aber es passt zum Prinzip.

Nehammer, Wehrmann, wie er leibt und lebt, ist als Innenminister fehlbesetzt, man sieht ihm sein Unglück bei jeder Maskenkonferenz an. Aber er darf nicht Verteidigungsminister sein! Frau Tanner hingegen würde in die Landwirtschaft gehören, oder vielleicht ins Ministerium für Frühpensionen? Dort darf sie genauso wenig hin wie alle anderen. Das Prinzip ist dagegen. Susanne Raab? Da ist guter Raab teuer. Karoline Edtstadler hingegen müsste Justizministerin sein, schon ihres Mascherlpostens als Staatsanwältin wegen; aber in Europa leuchtet ihre Inkompetenz einfach besser.

Wir reden heute nur von den Türkisen, sonst müsste man naturgemäß an Werner Kogler denken, den Leider-Nicht-Rhetorik-Minister, und an Rudi Anschober, den naturgemäß idealen Unterrichtsminister. Seinem pastoralen Charme könnte nicht einmal die Lehrergewerkschaft standhalten. Aber aus Prinzip nicht!

Sebastian Kurz selbst wäre die Idealbesetzung für den Propagandaminister, wenn er das im Prinzip nicht eh schon wäre: Propagandachef der Chefpropaganda.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen, sagte der Philosoph Theodor W. Adorno, ein bekannter Miesepeter. Ich aber sage euch, das falsche Leben ist das Richtige! Nur mit diesem Prinzip regiert man ein glückliches Land, das sich in seinem unscharfen Unglück suhlt. Nur so gibt man ihm, was es nicht braucht. Was für eine Idylle! Wenn nicht dieses blöde Virus wäre …


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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