Corona-Impfen: Phrasen und Phasen

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 304

Armin Thurnher
am 14.01.2021

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Es gibt einen Impfplan, aber er ist nebulos. Es gibt Impfzentren, aber es braucht viel mehr. Ärzte sind verunsichert und kennen sich nicht aus. Epidemiologe Robert Zangerle informiert über den Stand der österreichischen Impfdinge und bringt Licht in die Sache – so gut es eben geht.   A.T.

»Wo kann ich mich für die Impfung anmelden? So hat am 12. Jänner eine ältere, sehr rüstige, sehr wache Frau aus Innsbruck, auf die Frage einer Reporterin von Tirol Heute (ORF) ob sie sich impfen lassen wird, geantwortet. Diese Frage blieb aber im ganzen Beitrag nicht nur unbeantwortet, sondern wurde sträflich missachtet. Diese Frage bewegt im Augenblick sehr viele, die in Österreich wohnen. Bund und Länder haben vereinbart, dass der Bund die Beschaffung verantworte, die Länder hingegen die Verteilung und das Impfen.

Also wende ich mich an das Land, oder? Finde aber keine Telefonnummer und rufe deshalb die Info-Hotline zur Impfung gegen das Coronavirus des Gesundheitsministeriums und AGES 0800-555-621 an. Dort erklärt man mir auf sehr freundliche Art, „dass es noch keine Anmeldungen gebe“ und verweist mich auf eine Webseite der Tiroler Landesregierung: „Die Online-Voranmeldung für eine Covid-Impfung wird ab 1. Februar 2021 auf dieser Seite möglich sein“. In Vorarlberg und Wien sollen jeweils Onlineplattformen für Vormerkungen ab 18. Jänner zugänglich sein. Es bleibt beim Alten, nicht gut vorbereitet. Wir wissen das längst, deshalb bemühen sich viele, den Verantwortlichen klar zu machen, dass wir ihren häufig großspurigen Ankündigungen nicht nur nicht mehr trauen, sondern beherzt versuchen, sie in effizienteres Handeln zu drängen.

Gestern wurde hier nach dem Verbleiben des Impfplans gefragt. Das war nicht rhetorisch gemeint, sondern einem Informationsdefizit geschuldet. Eine Impfplan gibt es natürlich aber selbst das neueste Update vom 13. Jänner verwirrt mich durch blank fehlende Informationen: Gehöre ich zu den „vor allem älteren Menschen“ (im 70. Lebensjahr) oder bin ich Teil der allgemeinen Bevölkerung, die am 1. April folgt? Wer soll glauben, dass am 1. April das allgemeine Impfen beginnen soll? Wem sind solche großspurigen Versprechen nützlich? Sind Verantwortliche da durch Licht am Ende des Tunnels so stark geblendet, dass Verblendung vorliegt?

Angenommen, es gäbe keinen Mangel an Impfstoffen, wäre dann alles leichter zu organisieren? Nein. Selbst wenn ausreichend Impfstoff zur Verfügung stünde, könnte kein Land der Welt die gesamte Bevölkerung innerhalb von 2 Monaten gegen Grippe impfen, ohne das Gesundheitssystem massiv zu überlasten. Deshalb wird die Grippeimpfung NUR für so genannte „Risikogruppen“ empfohlen, die sich von Land zu Land etwas unterscheiden. Selbst wenn genug Impfstoff gegen Covid vorhanden wäre, würde man bei perfekter Logistik etwa ein halbes Jahr brauchen, bis alle durchgeimpft wären. Das gilt auch für das diesbezügliche Vorzeigeland Israel. So einen „Idealzustand“ können wir für Österreich aber nicht annehmen. Wie lange wird es also dauern? Auf den ersten Blick ist es vielleicht nicht klar erkennbar, aber die Art der Organisation des Impfens wird dabei die größere Rolle spielen, als die unehrliche Ausrede Impfskepsis.

Unerlässlich für das Funktionieren der Impfstrategie ist das Errichten von Impfzentren, die in Österreich außer in Dornbirn  und in den nächsten Tagen in der Messehalle Wien (erneut megalomanisch, gemeindenäher?), entweder erst im Entstehen sind oder gar nicht geplant werden. Was die sich wohl gedacht haben, als andere Länder im November Impfzentren gebaut haben? So werden wir die Herdenimmunität nicht erreichen! Möglicherweise wird aber das Beispiel anderer Länder Österreich im Frühling so unter Druck setzen, dass die Verantwortlichen die standespolitischen Deals mit den Länder- und Bundesärztekammern, dass „ein dezentrales Impfangebot über die Struktur der niedergelassenen Ärzte geschaffen“ wird, durch umfassendere Modelle ergänzt werden.

Die Auskünfte zu den Priorisierungsregeln (wer hat das Recht, zuerst dran zu kommen) machen oft stutzig, weil unpräzise, Beispiele dazu gibt es en masse. Selbst die Medizinische Universität Innsbruck schreibt diffus von Risikogruppen, die zuerst dran kämen, bitte exakter! Ganz freihändig behauptete Stadtrat Peter Hacker in der ZiB2 vom 12. Jänner, nach der Empfehlung des Nationalen Impfgremiums zur Priorisierung von COVID-19-Impfungen zu handeln: „Dort steht eindeutig drinnen, dass die Bevölkerung über 80 nur dann in der allerersten Prioritätengruppe dabei ist, wenn genügend Impfstoff zur Verfügung steht“. Seine Aussage ist schlicht unwahr, der Mangel wäre im Februar auch noch nicht behoben. In der neuen Version der Priorisierung des Nationalen Impfgremiums wird das durch ein Insert betont.

Übersicht über die Vorgangsweisen der Bundesländer für Menschen 80+

Burgenland: Anmelden müssen sich die 80-Jährigen dann über das für Ende nächster Woche geplante Vormerksystem – soweit das möglich ist. Geimpft wird in Impfstraßen sowie bei Hausärzten.

Kärnten: Beginn der Impfungen bei über 80-Jährigen in wenigen Tagen in den Regionalstellen der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK in allen Bezirksstädten.

Niederösterreich: Baldiges Online Anmeldesystem für über 80-Jährige, Impfung ab Kalenderwoche 6 in Ordinationen von niedergelassenen Ärzten.

Oberösterreich: In den nächsten Tagen können sich über 80-Jährige über eine Hotline anmelden, die Bezirksverwaltungsbehörden entscheidet, an welchem Standort (Bekanntgabe der Orte am 14.1.) geimpft wird.

Salzburg: Im Februar können sich die über 80-Jährigen für die Impfung anmelden, auch von Hausärzten für Impftermin kontaktiert, und auch bei ihnen geimpft.

Steiermark: Gemeinden und Städte sollen rechtzeitig an die betagten Menschen – voraussichtlich schriftlich – herantreten. Impfungen für Personen in systemkritischen Berufen sowie für ältere Menschen werden voraussichtlich im März starten

Tirol: über 80-Jährige sollen ab Anfang Februar die Möglichkeit zum Impfen bekommen. Impfungen selbst werden dann bei den Hausärzten stattfinden oder auch in den Impfstraßen, die sich aktuell noch in Planung und Organisation befinden.

Vorarlberg: über 80 Jährige erhalten in den nächsten Tagen eine Impf-Einladung von ihrer Wohnsitzgemeinde, können sich Ort und Zeit in einer der sieben Impfstationen aussuchen.

Wien: Begonnen wird spätestens Mitte Februar mit Menschen ab 80 Jahren bzw. ältere Menschen mit Zusatzerkrankungen. Impfstraßen in Messehalle

Unter anderem auffallend, dass in Vorarlberg innerhalb weniger Tage das Konzept der Landesärztekammer (versprach Ende Jänner „Risikopatienten“ die Impfung, und dass sich der Hausarzt zuvor bei den Betroffenen melden würde) vom Land außer Kraft gesetzt wurde, gut so!

Zum Aushebeln der Priorisierungsregeln sind starke Kräfte in der Gesellschaft tüchtig unterwegs, so verlangt die Vorarlberger Industriellenvereinigung möglichst rasche Impfmöglichkeit für Schlüsselarbeitskräfte , ÖSV Präsident Peter Schröcksnadel will Sportler flotter immunisieren  und ein Funktionär einer Landesärztekammer (nicht aus dem Westen), aufgrund seiner Tätigkeit als Kategorie III eingestuft, ist über die Priorisierungsregeln unzureichend informiert, wie sonst könnte er schreiben „„Mich fragen meine PatientInnen schon jetzt, ob ich mich impfen lasse und ob sie sich impfen lassen sollen – beides  beantworte ich selbstverständlich mit JA!! Sollte ich aber bis Mitte Jänner nicht selbst geimpft sein, werde ich diese Frage mich betreffend immer öfter mit NEIN beantworten müssen“?

Bis Ende März sollten die Prioritätsgruppen 1 und 2 „weitgehend“ geimpft werden können. Bitte verwechseln sie das nicht mit den Phasen von Gesundheitsmister Rudolf Anschober, was der jeweils damit meint, ist vermutlich nur mit Vorkenntnissen in Kreml-Astrologie zu erfassen.

Oft wird es einem auch schwer gemacht den Priorisierungsregeln zu folgen, gut illustriert an diesem Beispiel: „Meine Mutter ist Ende 80 und lebt in einem Altersheim in XY. Ich besuche sie abwechselnd mit meinem Bruder alle 14 Tage im Heim. Wir beide wurden von einem Angestellten des Heims ,proaktiv‘ darauf angesprochen, dass wir uns als Angehörige auch im Jänner noch impfen lassen könnten. Wir, zwischen 60 und 65 Jahre alt, treffen unsere Mutter mit Mundschutz, vorherigem Test und haben keine Erkrankungen, die darauf hinweisen würden, dass wir zu einer besonderen Risikogruppe gehören.“ Was sollten sie tun?

Wenn es nicht systematisch betrieben würde, könnte man leicht mit einem gewissen Pragmatismus darüber hinwegsehen, wie es die meisten getan haben, als sie von den Impfungen von prominenten Vertretern von Glaubensgemeinschaften hörten. Vor allem zu Beginn der Verteilung des Impfstoffs war zu erwarten, dass häufiger Situationen auftreten, wo Impfstoff frei verfügbar sein würde und dann verworfen werden müsste. Auch ich würde das natürlich sofort verimpfen. Der 85-jährige Thaddäus „Teddy“ Podgorski  fragte launig nach und erinnerte sich an seine Erfahrungen als Jugendlicher: „Da durften meine Mutter und ich nur in einen Luftschutzraum, wenn die Prominenz schon Platz genommen hatte  . Es gilt solche Situationen systematisch zu vermeiden, so brachte die medienwirksame Eröffnung des Impfzentrums in Dornbirn (ohne die 1. Prioritätsgruppe wesentlich zu berücksichtigen!), a priori das hohe Risiko einer Verletzung der Prioritätsregel mit sich. Das geschah dann auch zahlreich mit Gesundheitspersonal der Kategorie III, Überinterpretation der kritischen Infrastruktur bis zum Bring Your Family. Wären dort 1000 80-Jährige gewesen, dann hätten wohl viele Anwesende ihre Impfung verschoben.

Auf die Situation schwangerer und stillender Frauen möchte ich in einem späteren Beitrag eingehen. Dann möchte ich auch der Frage nachgehen, was passieren könnte, wenn ein Impfstoff mit 70-prozentiger Wirksamkeit zugelassen wird.«   R. Z.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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