Katers Medienfragen II: Twitter schmeißt Trumps raus – gut oder böse? Plus ein Doppelkliffhänger

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 300

Armin Thurnher
am 10.01.2021

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Ich: Kater, ich muss es einmal sagen, ich bin dir dankbar.

Kater: Oh fein, aber Wofür?

Ich: Weil du es mir möglich machst, mich mit Themen auseinanderzusetzen, die mir sonst vielleicht ein wenig fad wären.

Kater: Du redest aber nicht vom Kollegen Klenk, von dem du heute deiner Ankündigung zufolge reden solltest.

Ich: Frechkatz!

Kater: Wie bitte?

Ist es nicht ein Triumph der Demokratie, dass Twitter Donald Trump rausschmeißt? Ja, sagt Kater Hannibal

Ich: Das ist analog zu Frechdachs. Habe noch nie einen Dachs gesehen, der so frech war wie du. Nein, wir erleben einen weltgeschichtlichen Moment. Ich muss noch eine Folge einschieben.

Kater. Du meinst Frau Aschbachers Plagiatsaffäre?

Ich: Nicht wirklich. Das ist eher absurdes österreichisches Polittheater. Ein gestörtes Märchen. Christine in Wonderland.

Kater: Der Kanzler ist die Figur, der alles schiefgeht, aber immer alles gutgeht.

Ich: Ein sprachlogisches Wunder, ein Hirnstopper, ja. Frau Aschbacher hat er nicht gekannt, die wurde ihm von den Steirern reingedrückt, und der Bürgerhans muss der Menschheit erklären, dass der Kanzler immer unschuldig ist. Nein, ich rede von einem anderen Hirnstopper, der das Denken der ganzen Menschheit mit seinen Lügen verdrehte wie einen endlosen Münchhausenzopf, an dem er sie in den Sumpf zog.

Kater: Ah, verstehe, Donald Trump! Den hast du doch gestern in der Lyrikecke schon vorkommen lassen.

Ich: Ein tolles Gedicht, fandest du auch? Fantastischer Dichter, dieser Frederick Seidel, und bei uns recht unbekannt.

Kater: Ich muss dir auch ein Kompliment für deine Übersetzung machen, wirklich. Auch dein Lyrikkompagnon Claus Pándi hat es wohlwollend bemerkt. Über die Lyrikecke möchtest du nicht reden?

Ich: Heute nicht. Twitter hat nämlich Trump endgültig den Account entzogen, nachdem ihn auch andere Social-Media-Dienste gesperrt hatten.

Kater. Ein Akt universaler Gerechtigkeit!

Ich: Ja und nein.

Kater: Wieso nein. Sind wir froh, dass wir den los sind!

Ich: Los sind wir den damit noch lange nicht. Aber ich dachte, dir liegt was an Meinungsfreiheit.

Kater. Deswegen freue ich mich ja.

Ich: Du freust dich im Sinn der Meinungsfreiheit, wenn jemandem das öffentliche Rederecht entzogen wird?

Kater: Ja, wenn er es dazu benützt, um Massen aufzuhetzen, Gewalt anzufachen, Lügen zu verbreiten ohne Ende.

Ich: Da hast du Recht. Aber schau einmal, wie Twitter den Accountschluss begründet. Sie zitieren zwei dürftige Tweets und behaupten, es bestehe die Gefahr, Trump hetze weiter zu Aufständen auf.

Kater: Das ist nicht sehr überzeugend. Das tut er schon die längste Zeit. Da hätten sie ihn vor vier Jahren rausschmeißen müssen.

Ich: Die Lage dürfte schon recht ernst sein. Die Washington Post berichtet von Vorbereitungen zu bewaffneten Aufständen. In der New York Times schrieb einer, das sei wie bei Al Capone, den kriegte das FBI auch nicht wegen Mord und Totschlag, sondern wegen Steuerhinterziehung.

Kater: Gut, aber sie haben ihn gekriegt!

Ich: Bemerkst du nicht das Problem? Da meint einer, er spreche in einer Öffentlichkeit, richte sich an seine Anhänger und seine Gegner, tut wie auf einem Forum das, wozu jeder ein Recht hat, und dann – rtsch, odraht.

Kater: Hm. Das ist nicht sehr demokratisch.

Ich: Aber das ist das gute Recht von Twitter. Die Schwierigkeit ist, dass die meisten meinen, sie reden dort in einer öffentlichen Sphäre, aber in Wirklichkeit tun sie etwas ganz anderes.

Kater: Sie reden doch öffentlich? Was tun sie dann?

Ich: Zuerst einmal leisten sie Arbeit für Twitter, denn der Konzern verdient an jeder Handlung, die wir dort setzen, Geld. Wir generieren Aufmerksamkeit und geben unsere Lebenszeit, unsere Kreativität und unsere Daten her, die Twitter dann wieder für Werbung verkauft.

Kater: Ist das nicht legitim?

Ich: Doch. Aber es ist eine private Geschäftsbeziehung, die tut, als sei sie ein öffentlicher Dienst. Es ist jedoch eine rein kommerzielle Beziehung.

Kater: Aber öffentlich?

Ich: Sie findet in der Öffentlichkeit statt, aber mit zwei Schönheitsfehlern. Erstens unterliegt sie nur bedingt einer öffentlichen Kontrolle, weil Twitter selbst die Regulatorien schafft und die noch recht unklar handhabt, wie der Fall Trump zeigt. Zweitens kann sie jederzeit beendet werden.

Kater: Beidseitig, du kannst ja auch kündigen.

Ich: Stimmt. Aber du bemerkst den Unterschied. Wäre Twitter ein öffentlich-rechtlicher Dienst mit transparenten Regeln und öffentlicher Kontrolle, wäre Trump einerseits vielleicht nicht so groß geworden. Andererseits könnten sie ihn nicht so leicht rausschmeißen.

Kater: They don’t call you Bolshie for nothing! Das sind kommunistische Ideen. Außerdem, öffentlich-rechtlich, das bedeutet immer staatlichen Einfluss, parteilich gesteuert, letztlich fad. Das würde nie funktionieren.

Ich: Stimmt schon. Der Algorithmus begünstig Aggression, Brutalität und bestialisiert die Leute. Das ist spannend. Er hat in und mit den Social Media jene Situation mitgeschaffen, die Trump versucht hat, zu seinem Putschversuch auszunützen. Ohne einen so beschaffenen Algorithmus wäre vielleicht der halbe Spaß weg. Aber wer weiß, vielleicht stünde die Demokratie besser da. Man müsste es einmal probieren.

Kater: Man, wer soll das sein?

Ich: Die EU zum Beispiel, analog dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vielleicht muss man mit den Tech-Konzernen verhandeln, sie mit unsanftem Druck für ein Public-Private-Übergangsmodell zu gewinnen versuchen. Die ziehen sonst der Demokratie die Hosen aus, indem sie so tun, als seien sie die Demokratie persönlich.

Kater: Ich wünsche dir alles Gute! Ganz hast mich nicht überzeugt.

Ich: Wir bleiben im Gespräch.

Kater: Und was ist jetzt mit dem Thema Klenk?

Ich: Kommt morgen, versprochen. Doppelkliffhänger!

Kater: Noch eine letzte Frage, weil ich mich in diese Social-Media-Welt erst einarbeite. Diese Leute, die da auf Twitter immer WOW! WOW! rufen, sind das Steirer oder Hunde? Muss ich mich vor denen fürchten?

Ich: Keine Angst, Kater. Die sind lieb. Die wollen nur spielen.

Kater: Glaub ich nicht. Die sollen lieber MIAU! sagen, von mir aus MEOW! Gefiele mir besser. Könnte ich übrigens etwas Schlagobers bekommen? Soviel Reden macht durstig!


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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