Der kluge Kater will auch etwas zum Thema Gegengeschäft sagen

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 272

Armin Thurnher
am 13.12.2020

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Kater: Da hast du ordentlich reingefetzt gestern, das Volk war begeistert. Ich nicht so.

Ich: Kater, das war nicht das Volk, das war Twitter. Dem Volk ist das wurscht, sonst wäre der Sobotka schon lang weg und der Fellner säße friedlich in seinem Reisebüro oder in seiner Immobilienkanzlei.

Kater: A propos Wurscht…

Ich: Nix da. Wenn du schon das Maul aufreißt, sag mir, was dir nicht passt.

Kater: Das Gegengeschäft hast du gestern in Bausch und Bogen in die Pfanne gehauen.

Ich: Stimmt nicht, ich sagte deutlich, es gibt legale Gegengeschäfte.

Kater. Mir scheint, du hast es pauschal mit Korruption gleichgesetzt, wenn nicht gleich mit Erpressung und ähnlichem Finsterzeug.

Ich: Ich erwähne aus medienrechtlichen Gründen stets nur historische Fälle wie Imre Békessy. Man muss sonst elf Jahre warten, und dann noch zwei Jahre Revision, ehe man so etwas sagen kann. Es traut sich niemand von den Medienopfern, für den Wahrheitsbeweis geradezustehen, und die Staatsanwaltschaft hat keine Lust.

Kater: Worauf spielst du an?

Ich: Wir hatten einmal im Falter eine Geschichte über Medienerpressung. Erst als wir Politikern zusicherten, ihren Namen nicht zu nennen, bestätigten sie, wie die plumpe Erpressung läuft.

Kater: Und, wie?

Ich: Ein Verleger geht zum Politiker und nennt ihm die Summe, die er zu zahlen hat. Zahlt er weniger, wird er hinuntergeschrieben. Zahlt er nichts, kommt er nicht vor.

Kater: Die Höchststrafe, sozusagen. Und so werden aus Opfern Mittäter.

Ich: Ja, und mit Firmen geht das Spiel so. Der Verleger besucht mit seinen Anzeigenleuten die Firma und erklärt: „Ihr habt im vergangenen Jahr soundsoviel Geld für Werbung ausgegeben, in soundsovielen Medien. Dieses Geld gebt ihr jetzt mir…“

Kater: Warum sollten sie das tun?

Ich: „Ihr bekommt mehr Inserate, und vor allem bekommt ihr schöne Geschichten dazu. Wenn nicht…“

Kater: … das weiß jetzt sogar ich: dann werdet ihr hinuntergeschrieben.

Ich: Aber sag, was hast du an meiner Kritik auszusetzen?

Kater: Ah, jetzt kriegst du Katzenjammer! Polemikkater, was? Mich stört, dass du so ein gnadenloser Pauschalist bist.

Ich: Sagst du. Ich sage, Kritiker mit Wortlust.

Kater: So sagt jeder lustig das Seine vor sich hin. Ich geb dir ein Beispiel: Jedes Geschäft ist doch ein Gegengeschäft. Gegengeschäft ist, finde ich, überhaupt ein ziemlich blödes Wort. Getauscht wird immer Ware gegen Ware, oder?

Ich: In den meisten Fällen, ja.

Kater: Ist nicht der Tausch die Wurzel jeder demokratischen Gesellschaft?

Ich: Du meinst, weil der Handel, das Tauschgemauschel der Kaufleute so etwas wie Öffentlichkeit hervorbrachte?

Kater: Hör dir nur zu: Tauschgemauschel, Gegengeschäftigkeit, das sind deine Wortschöpfungen. Immer ein bisserl mies, wie der alte Eric Pleskow zu sagen pflegte. Das, was du Gemauschel nennst, hat tatsächlich zur Demokratie geführt. Die Agora, das war der Marktplatz.

Ich: Ja, der Ort des öffentlichen Gesprächs. Aber auf der Agora redeten sie nicht mehr nur über Handel, sie handelten Politik aus, also, das was aller Leben betraf, und dabei waren alle gleich, Frauen, Fremde und Sklaven ausgenommen.

Kater: Gewiss, aber ohne Gemauschel wäre das nie entstanden! Ich wollte nicht so weit zurückgehen. Die zweite Republik Östereich ist ja auch in Form eines Gegengeschäfts errichtet worden.

Ich: Du meinst die Sozialpartnerschaft. Über die kann man viel sagen, aber…

Kater: Ich kenne dich. Seit Jahrzehnten kannst du darüber was sagen. Ich hab da einen alten Text von dir.

Ich: (mir die Ohren zuhaltend) Bitte nicht!

Kater: Oh doch, das erspar ich dir nicht: „Eine demokratisch orientierte Partei muss alles tun, um die neofeudalen Verhältnisse zu bekämpfen. Die Sozialpartnerschaft ist als Inhalt verdienstlich, als Verfahren eine Katastrophe. (…) Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern ja bitte, aber nicht heimlich, sondern öffentlich!“ Du warst immer schon Romantiker.

Ich: Das war 1999, als die SPÖ von mir noch Reflexionen haben wollte. Ich versuchte ihr schon damals klarzumachen, dass das mit der faulen Medialpartnerschaft nicht geht.

Kater: Worauf sie nickten, die Köpfe wiegten und weiterhin bei Dichands und Fellners einzahlten.

Ich: Mein Schicksal. Die Schwarzen verließen sich lange auf die Medieneigentümer, das waren meist ihre Parteigänger und dachten, die machen das schon. Leider hat das journalistische Personal diese fatale Tendenz zum Selberdenken, also funktionierte das nicht gut. Der Kurier als kritische Zeitung, so weit kommt’s noch! Jetzt, da die Türkisen den Mechanismus des Gegengeschäfts entdeckt haben und ihn mit ihrer niederösterreichischen Leibeigenenknute kombinieren, haben die Roten den Scherben auf.

Kater: Nur in Wien nicht.

Ich: Ja, dort zahlen sie fleißig auf die alten Medienkonten bei Dichands und Fellners ein. Sie glauben, ihr Wahlsieg gebe ihnen recht. Sie könnten nicht mehr irren.

Kater. Weißt du was? Du redest schon wieder viel zu viel. Ich schlage vor, wir setzen das Gespräch über Gegengeschäfte ein andermal fort, wir haben ja jetzt ganz andere Geschäftsgrundlagen, digitale, und du rückst ein bisschen Pastete heraus.

Ich: Geflügel oder Wild?

Kater: Nach so vielen Worten bin ich wild auf Geflügel.

Ich:  Bittesehr. Geflügelte Worte Senior in feiner Sauce.

 

Weiterhin: keep distance, wash hands, wear masks, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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