Fellner, Sobotka und die Republik des natürlichen Gegengeschäfts.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 271

Armin Thurnher
am 12.12.2020

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Dem Kater ist das zu blöd.

Mach’s alleine, sagt er und dreht sich weg.

Unzumutbar!

Also mache ich es allein.

Es gibt Momente, wo sich ein Gemeinwesen brennpunktartig dargestellt findet. Wo es kurz den Atem anhält und fragt: Sind wir so? Und sich die Antwort geben muss: Ja, so sind wir. Es gibt positive Momente, Franz Vranitzkys Erklärung in der Knesset, Franz Klammers Patscherkofellauf, andere Fränze, Schubert, Gillparzer. Franz Beethoven und Franz Van der Bellen nicht zu vergessen.

Aber da ist auch der rechtsextreme Volkstribun, im U-Klasse-Leiberl, testosteronsaftig und im Vollrausch seiner Grandiosität sein wahres Wesen offenbarend – Strache auf Ibiza.

Da sind die wohlgegroomten Schwiegersöhne der Nation, der eine in der vollen Stadthalle einem evangelikalen Sektenbruder auf den Leim gehend, der Leim vom eigenen PR-Leim ist; der andere, zu schön und zu klug, endlich doch (nicht rechtskräftig) gerichtlich wegen Schädigung der Republik verurteilt – Kurz und Grasser.

Man will nicht nachdenken, sonst fangen die Bilder an, durchzurauschen wie die Symbole im Unglücksspielautomaten. Waldheims Lügen. Die Sprachlosigkeit der Nation beim Attentat von Oberwart. Wolfgang Schüssel pfeift auf Europa. Jörg Haider verhöhnt den Verfassungsgerichtshof. Werner Faymann kuscht vor der Krone. Andreas Khol biegt den Verfassungsbogen, bis er bricht. Gernot Blümel merkt sich Wien nicht. Aufhören! Aufhören!

Oder dieses Bild vom vergangenen Donnerstag, auf der Karikatur eines TV-Senders, einer Veranstaltung nur zum Zweck der umfassenden Abzocke, auf oe24tv: Der Großmeister im Verfallenlassen jedes medienethischen Ablaufdatums gemeinsam mit dem Schmierendarsteller des Nationalratspräsidenten im Gespräch über das Wesen ihrer wechselseitigen Existenz: ein Gespräch wie ein Gegengeschäft, ein Gespräch als Gegengeschäft. Ein gemeinsames Unwesen, ein öffentliches, gutgelauntes Verwesen.

Zwei österreichische Figuren – eine Skulptur des Gegengeschäfts Foto YouTube © oe24tv

Der eine, begabt mit üppig angefütterter Amoralität, heraus mit dem Baucherl, heraus aus dem Baucherl, was wir grad so spüren, dass das Volk im Baucherl spüren möchte, den Pissfleck auf der Hose des Bankräubers zum Beispiel, den ballernden Attentäter, den Operndirektor, der’s nie wurde, die interviewte Nationalmannschaft, die nie ein Interview gab, – nur wenige Momente der Grenzvernichtung dessen, was man im verrotteten journalistischen Gewerbe einmal als wenigstens äußerliche Grenze des Anstands empfunden haben mochte.

Es ist ja nicht so, dass man es bei dieser Figur nicht von Anfang an gewusst hätte. Armin Wolf irrt, wenn er schreibt, dass schon in Schülerzeitungen Inserate nur gegen Geld getauscht wurden. Vielleicht in seiner. Bei Fellners lief es von Anfang an anders, sie hieß RennbahnExpress, hier wurde ordentlich kooperiert, moralisch hochstehende Minister der SPÖ interessierten das Publikum zwar weniger als Popstars und Pickelcreme, aber sie kamen dick vor, denn der junge Wofe wusste von Anfang an, was ein echtes Gegengeschäft ist: Sie zahlen, wir schreiben.

Die Illustrierte Basta gründete er danach mit Hilfe der SPÖ, wir wissen von diesem Gegengeschäft dank einer Aktentasche, die der SP-Kampagnenleiter und spätere Krone-Geschäftsführer Hans Mahr vulgo Mahrhansi in Graz vergaß. Eine literarische Satire über den Grünen Herbert Fux wurde dann in der ersten gerade noch vor der Nationalratswahl 1983 erschienen Nummer als Tatsachenbericht präsentiert. Er vernichtete die Grünen.

Fellners rauschende Präsentationsfeste der diversen folgenden Publikationen in den Museen, Theatern und Kulturpalästen der Republik waren Apotheosen des Gegengeschäfts; die Partner marschierten auf und erwiesen ihm, ihrem Partner die Reverenz, vom Spitzenkoch bis zum Spitzenpolitiker, alle da, alle zu Diensten. Fellner selbst, journalistisch nicht unbegabt, nutzte sein Talent vor allem für die gegengeschäftliche Sparte und blieb ihnen nichts schuldig. Spätere Generationen werden staunend registrieren, wie so einer nicht nur ungestraft durchkommen konnte, sondern auch noch reich wurde.

Sein Gegenüber, aufgeblasen von einem Selbstbewusstsein, das sich nur aus der heißen Luft des Selbstbetrugs speisen kann und ihn vom denunzierenden Musiklehrer in der Mostviertler Provinzstadt zum kolossalen Versagen als Finanzlandesrat führte, erlitt als Spekulant das Schicksal jener abgezockten Amateure, welche die Gier zu ihrem Nachteil an die Börsen lockt. In seinem Fall war’s halt nicht das eigene Geld. Aufgrund dringender Gegengeschäfte entstand darüber kaum Medienöffentlichkeit. Vielmehr wurde Sobotka Innenminister. Für destruktive Dienste bei der Sprengung der schwarz-roten Regierung von Sebastian Kurz mit dem Posten des Nationalratspräsidenten belohnt, entwertet er dieses durch Überparteilichkeit bedeutende Amt gnadenlos und beschädigt mit seiner offen, grinsend und hämisch dargetanen Parteilichkeit in einem fort die Demokratie.

Da saßen sie einander gegenüber, der eine wohlbeleibt, auch mimisch von jeder moralischen Hemmung befreit und im Vollgefühl seiner gegengeschäftlichen Macht, der andere manisch aufgekratzt in seiner monströsen Gefühllosigkeit für Unvereinbarkeiten, zwei Schwergewichte der österreichischen Katastrophe, zwei Existenzen, die jede für sich nur durch die Missachtung jeglichen geltenden Anstands überhaupt existiert, da saßen sie und redeten ganz entspannt und unbefangen über ihr gemeinsames Gewerbe, zwei der ältesten Profis der Welt, beide ohne jede falsche Scham, beide reich entlohnt von der türkisen Regierung.

Sobotka: Erstens habe ich nie Spenden genommen.

Fellner: Ja.

Sobotka: Ich hätt sie genommen, wenn sie rechtmäßig …

Fellner: Aber Inserate oder wie immer man das bezeichnet …

Sobotka: Sie kennen das Gschäft, fürs Inserat gibts a Gegengschäft, oder?

Fellner: Ja natürlich.

Sobotka: Natürlich. Und das wird man wohl machen dürfen, wenn man einen sink tank hat. Das zweite, sie waren konzentriert…

Fellner: Und das Gegengeschäft fürs Orchester, fürs Dirigieren …

Sobotka: Für die Sache … das… die Novomatic hat für das Land Niederösterreich, weil sie den Sitz haben, insgesamt eine sechsstellige Summe ausgesetzt und das Land Niederösterreich berät die Novomatic und sagt mochts es amol mit dem und amol mit dem …

Ja, natürlich. Auf dem flachen Lande weiß man noch, was echte Kooperation ist. Die Anzeigenabteilung des Falter kann Ihnen zwar gern bestätigen, dass der Usus, zum Inserat keine Geschichte im Gegengeschäft zu haben, viele, viele Inserate am Erscheinen im Falter gehindert hat. Die Inserenten sind bass erstaunt, wie man glauben kann, ein Inseratengeschäft existiere ohne Gegengeschäft. Ethikräte? Dass wir nicht lachen! Im Gegenteil, da wären noch die Vermittler, die ebenfalls die Hand aufhalten, die Schaltagenturen, unsere Regierung kennt sie wohl und hilft auch ihnen an den Futtertrog des Volksbetrugs, vulgo Regierungsinserate.

Es geht nicht darum, dass es legale, legitime Gegengeschäfte gibt, bei denen Inserat gegen Inserat getauscht und der nicht kompatible Wert mit Geld oder anderer Leistung kompensiert wird. Es geht um die „Ja-Natürlich-Zugabe“ (sorry, Billa-Schweinderl). Die wird man doch machen dürfen, ja machen müssen! You better start dealing or you’ll sink like a tank, sang schon Bob Dylan. Dass die Regierung ihre Inserate als Medienkorruption versteht, ist bekannt, die unmoralischen Gegenleistungen werden in den Zeitungen regelmäßig sichtbar. Erst kürzlich stilisierte die Krone den lächerlichen Flop des „Kaufhaus Österreich“ zum Akt des nationale Aufbegehrens gegen „Onlineriesen“.

Dass der Glückspielkonzern das Land Niederösterreich in ein kulturpolitisches Gegengeschäft verstrickt, ist eine neue, bestechende Einsicht. Jo mei. Novomatic zahlt alles, aber der Konzern lässt sich auch etwas sagen. Zum Beispiel, dass er Sobotkas Orchester finanziert. Amol denselben, dann wieder den gleichen.

Es ist ein gutes Land. Es ist eine gute Szene. Sie bleibt unserem Gedächtnis eingeschrieben wie all der korrupte Müll, der unser unglückliches Bewusstsein nährt und der an unserer Politik so gar nichts ändert. Sobotka müsste gehen, ja natürlich, aber die Praxis des Gegengeschäfts hat die öffentliche Empfindlichkeit längst dauerhaft betäubt. Sobotka bleibt und zeigt uns weiterhin, wie korrupt wir sind. Nur Schandmäuler wie ich werden an dieser Abgestumpftheit zuschanden.

Waschen Sie wenigstens Ihre Hände. Ich gehe jetzt den Kater streicheln.

Weiterhin: keep distance, wash hands, wear masks, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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