Die Wut, das Unglück und das Glück des Bergbauern Bachler.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 259

Armin Thurnher
am 30.11.2020

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Gewiss gehören Sie zu denen, die wissen, wer der sogenannte Wutbauer ist. Christian Bachler ist jener Steirer mit dem höchstgelegenen Hof, der Florian Klenk anrief und sich polternd beschwerte, als der über das Kuh-Urteil berichtete. Klenk, der ein Faible dafür hat, Leute, die ihn beschimpfen, ernst zu nehmen, sie zu besuchen, kennenzulernen und eigentlich ganz nett zu finden, wandte seine erprobte und empfehlenswerte Methode auch bei Bachler an: Er vereinbarte ein Praktikum auf dessen Hof, besuchte Bachler und lernte dessen Lage  kennen.

Eine schwierige Lage wie die aller kleinen Bauern, die sich gegen mehrere Fronten zu wehren haben. Gegen eine industrialisierte Landwirtschaft, gestützt von einer Politik, die auf Masse und Chemie setzt statt auf naturnahe Landwirtschaft, von Banken und großen Genossenschaften, die sich von ihren ursprünglichen Zielen weit entfernt haben und eine Politik der Masse für die Großen unterstützen, statt, wie es in den Gründungszielen vorgehen war, für die Kleinen. Ich rede von Raiffeisen, Sie haben es längst erraten.

Christian Bachler

Die örtliche Raiffeisen-Bank Murau stellte Bachler unlängst die Kredite fällig; der erklärt es sich mit seinen aufsässigen Wortmeldungen. Das ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man die Struktur regionaler Genossenschaftsbanken kennt: sie sind den örtlichen Genossenschaftern verantwortlich, das sind meist konservative Bauern, Querköpfen, Neutönern und Andersdenkenden nicht eben zugetan. Wer aufmuckt, bekommt – wie Bachler – den AMA-Kontrollor ins Haus geschickt. Auch im Falter konnten wir das nach Berichten über Produzenten feststellen, die versuchen, anders zu wirtschaften.

Einen Kredit fällig zu stellen heißt, von einer Stunde auf die andere eine Geldsumme einzufordern, deren Rückzahlung man über Jahre vereinbart und geplant hatte. Ergebnis: Zwangsversteigerung, der Verlust des Eigentums, in Bachlers Fall des Hofes, von Grund und Boden, der bäuerlichen Existenz, der Selbständigkeit.

Klenk sah sich Bachlers Lage an, sie analysierten mit Hilfe von Fachleuten die Lage und stellten einen Finanzbedarf von mindestens 150.000 Euro fest. Eine Crowd-Funding Aktion, gestützt durch Klenks Medienpower sollte diese Summe bringen; einen weiteren Teil würde Bachler durch Verkauf von Anteilen an Agrargenossenschaften – sprich Almen – erzielen, die verbleibende aushaftende Summe wäre klein genug, dass Bachler sie aus dem laufenden Betrieb erwirtschaften könnte.

Was soll ich sagen? Innerhalb eines Tages, des gestrigen Sonntags kam weit mehr als eine Viertelmillion Euro zusammen, gespendet wurden Beträge von fünf Euro aufwärts (Montag früh waren es bereits 275.000 Euro). Das Ziel der Aktion wurde bei weitem übertroffen. Menschen meldeten sich, die gratis ihre Dienste anboten, Juristen. Ökonomen, Datenspezialisten. Die Hilfsbereitschaft war beeindruckend. (Man kann übrigens weiterhin spenden).  Die Kleine Zeitung, Heute und Österreich und andere brachten große, zustimmende Berichte.

Klenk ging auch so weit, Andreas Gabalier anzurufen und ihn um Unterstützung zu bitten. Gabalier freute sich und gab auf Facebook bekannt, er werde, obwohl der Falter gezeigt habe, dass er seine Musik nicht schätze, die Aktion unterstützen. Das ist lobenswert und fein und zeigt, dass man ästhetische Urteile nicht mit der Gesamtbeurteilung einer Person verwechseln sollte.

Der Manichäismus, der Wille, die Welt scharf in reines Gut und reines Böse zu teilen, ist eine Grundkrankheit unserer Epoche. Auch jemand, der – wie ich – mit der Musik von Gabalier nichts anfangen kann, der sie nicht einmal „wertzuschätzen“ vermag, der kann es doch hoch schätzen, wenn einer Gutes tut. Das hat Gabalier in diesem Fall getan.

So ist das Leben, es besteht aus punktuellen Gegnerschaften und punktuellen Bündnissen. Der Manichäismus, die säuberliche und gründliche Scheidung in Schwarze und Weiße will das nicht zulassen. Findet er eines an einem Menschen, das er ablehnt, lehnt er alles an ihm ab. Ich vermute, dass auf diese Weise viele Leute in Ecken getrieben werden, in denen sie ursprünglich nicht standen oder stehen wollten.

Das mänadische Verfolgerinnenwesen kennen wir aus dem antiken Mythos: der Gott Dionysos verwandelt seine Anbeterinnen in rasende Wesen, die in rauschhafter Verblendung ein Raubtier verfolgen, töten und in Stücke reißen, und wenn die Verblendung von ihnen abfällt, erkennt die Mutter, dass die zerrissene Bestie (übrigens ein Berglöwe) ihr eigener Sohn war. Zu spät.

Dies nur nebenbei bemerkt. Wir alle haben ein Recht darauf, in unserer guten Erscheinung, vielleicht sogar in unseren besseren Möglichkeiten wahrgenommen zu werden. Wenn wir auch kein Recht haben, daraus, dass wir eine gute Tat gesetzt haben, die Forderung abzuleiten, dass man uns insgesamt für gut hält.

Cancel-Culture, rechte und linke Verfolgungslust, Reinigungswahn, Verachtung Andersdenkender und dergleichen können durch solche Aktionen nicht gebrochen, aber gemildert werden. Dazu gehört eine gewisse Unvoreingenommenheit, dem anderen und dessen Argument eine Chance zu geben. Klenk und Bachler haben durch ihr Aufeinandertreffen gezeigt, dass das geht, und dabei viel voneinander gelernt.

Die meisten von uns wollen eine offene, möglichst gerechte Gesellschaft. Diese bedarf neuer Wege, zu leben, zu kommunizieren, miteinander zu verkehren, sich zu ernähren, Nahrung zu produzieren und zu verteilen. Zugleich erschwert die zunehmende Zerstörung des Gesprächs die Auseinandersetzung darüber.

Nehmen wir den erstaunlichen Erfolg dieses Projekt als Zeichen dafür, dass es auch anders geht, gratulieren wir den Initiatoren Klenk und Bachler und freuen wir uns darüber. Den Wutbauern benennen wir um. Er heiß jetzt Glücksbauer. Oder einfach nur Bauer. Bauer Bachler, auf eigenem Hof. Mit eigener Zukunft. Weiterhin, nur gestärkt, mit politischem Auftrag, für eine andere Art der Landwirtschaft zu kämpfen. Ich wünsche ihm alles Glück und gutes Gelingen. Möge er nicht dem Manichäismus verfallen!

Weiterhin: keep distance, wash hands, wear masks, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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