Gebt uns Pakete! Über das Lieblingsobjekt der Pseudopolitik

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 240

Armin Thurnher
am 12.11.2020

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Gestern sah ich im Fernsehen einen Werbespot. Zwei Frauen auf Jogamatten nebeneinander, beste Laune. Daneben ein Männchen in Gestalt einer Teekanne, schüchtern beiseite stehend. Die eine Frau bemerkt es doch und fragt die andere mit gespieltem Erstaunen: „Was macht die Teekanne da?“ Die klassische Antwort wird mit überlegenem Lächeln serviert: „Die Teekanne macht den Tee!“

Die Teekanne als Figur gibt es seit Jahrzehnten. In der österreichischen Politik gibt es eine ähnliche Figur. Es ist das Paket. Das Paket kommt immer dann ins Bild, wenn etwas schiefgelaufen ist, wenn das Publikum beruhigt werden muss, wenn so lange nichts getan wurde, dass eine dichte Packung an Geschwurbel und hastig ausgedachten Maßnahmen serviert werden muss.

Das Paket wurde immer wichtiger in unserem Alltag. Vor einem Jahrzehnt waren Postboten noch nicht Paketboten, waren wir noch nicht daran gewöhnt, regelmäßig Pakete geschickt zu bekommen, waren wir noch selbst nicht paketisiert, zu Datenbündeln und Lasteseln unseres eigenen Komforts geworden, schleppend, abholend, rücksendend, empfangend.

Die Post, einst Muster des sozialistischen Betriebs (zumindest steht das so irgendwo bei Engels), ist längst privatisiert und von der allgemeinen, für alle gleichen Instanz und vom sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft (Abschaffung des Postboten und des Postamts als Knotenpunkte im sozialen Netz) zum privaten Dienstleister geworden, der uns die Sklavenhaltergesellschaft vorführt, sei es durch geschundene Postler oder durch entrechtete Taglöhner privatisierter Paketdienste. In den USA wurde die Post auch im Wahlkampf zum Thema, als Trump deren Chef kurz vor den Wahlen auswechselte, was allgemein als eine seiner zahlreichen Maßnahmen gesehen wurde, die Briefwahl zu sabotieren, um danach „Betrug“ schreien zu können.

Die österreichische Politik schwankt zwischen Propaganda und Paket. Genau genommen ist das Paket die jeweils verdichtete Form der Propaganda. Wenn diese in Gefahr ist, sich aus überflüssigem Geschwurbel zum durchsichtigen Saftl zu verdünnen, wie im Fall von Corona, dann muss sie in neuer Form verdichtet werden. Die Verdichtung ist eine spezifische Form der Vernichtung aller vernünftigen Politik in Würfelform. Klebeband drumherum, Aufschrift drauf, fertig.

Das erste Coronapaket schnürten sie nach Ischgl, damals waren wir noch die Besten der Welt. Du, was macht der Kanzler da? Der Kanzler macht das Corona-Paket, führend in Europa. Leider konnte es dann nicht mehr zugestellt werden, und jetzt suchen wir es immer noch.

Das virologische Quartett kam als Paket. Nur das der Teekanne analoge Kostüm fehlte. Schade. Kurz und Anschober würden sich gut in einer Schachtel machen, unten schauen Beinchen heraus, oben der Kopf, und um die Hüften eine Schachtel voller intransparenter, verspäteter Maßnahmen und voller Geschwurbel, das aus der Schachtel rieselt wie Styroporwürstchen.

Karl Nehammer käme als Sicherheitspaket: kantig, kubisch, gut. Darf man die Frage stellen, ob Nehammer diesen Sommer vielleicht einen Hauch zu sehr mit Coronagetue und Anti-Wien-Propaganda beschäftigt war und seine Sicherheitsagenden vernachlässigte? Nein, an Paketboten stellt man keine Fragen, man unterschreibt auf dem Display, danke.

All diese Pakete, die sie uns präsentieren, stehen aber auf dünnen Beinchen und tun nur so kräftig.

Sebastian Kurz geht nach dem Terroranschlag (endlich einmal kein Corona!) plötzlich wieder als Europapaket, posiert gemeinsam mit Emanuel Macron und gibt Grenzschutzparolen zum Besten. War er nicht gerade dabei, ein europäisches Sparpaket zu schnüren? Egal, Hauptsache eng. Hauptsache Grenzen. Ich bin ja auch dafür, dass die EU ihre Grenzen schützt. Muss jedes Staatswesen tun. Den Anschlag von Nizza hätte man sich erspart; den von Paris eher nicht, und den von Wien schon gar nicht.

Bekanntlich ist der Attentäter hierzulande geboren worden und hier aufgewachsen. In seiner gesamten Lebenszeit beschützt von ÖVP-Innenministern, mit Ausnahme des von Sebastian Kurz dem Bundepräsidenten vorgeschlagenen und von diesem nicht abgelehnten (!) Innenminsters Kickl. Ein verdächtiges Paket, das alle Röntgenkontrollen passierte, obwohl die kontrollierenden Stellen wussten, was drin war.

Jetzt hört man Leute sagten, sie hätten nie gedacht, dass sie dem Faschisten Kickl zustimmen müssten, aber mit seiner Kritik des Innenministers und des Versagens der Sicherheitsdienste habe er wirklich recht. Es ist vielleicht eine der dümmsten Gewohnheiten, dass man einem nicht deswegen zustimmt, weil er etwas Richtiges sagt, sondern weil er der richtigen Seite angehört. Kickl hat Recht, Nehammer muss zurücktreten. Er lügt natürlich, wenn er sagt, er selbst wäre in so einer Situation zurückgetreten.

Wer hat denn dieses Versager-und Sauhaufeninstitut namens BVT gegründet, mit Parteigünstlingen besetzt und zwei Jahrzehnte lang geleitet? Die ÖVP. Es fing mit dem Gründervater Ernst Strasser an, einem jener schwarzen Hoffnungsträger, die als niederösterreichische Kraftpaket anfingen und mit einer Fußfessel endeten. Strasser färbte unter Kanzler Wolfgang Schüssel die Polizei in einer Form um wie kein noch so roter Innenminister vor ihm. Die Damen Fekter und Mikl-Leitner konnten darauf aufbauen, ehe der edle Sobotka (bekannt weniger durch Paket- als durch Briefumschlagprobleme) und der kantige Nehammer das Werk fortsetzten, nur kurz unterbrochen von jenem Kickl, der jetzt an allem Schuld sein soll, weil er das Amt zwar mit falschen Motiven zerstörte (er wollte Restbestände von Ermittlungen gegen Rechtsextreme kassieren), aber doch zu Recht jenen schwarzen Sumpf trockenlegen wollte, der nun türkis schillert und wegen Unfähigkeit zu vier Todesopfern führte. In Verantwortung eines Mannes, der von nichts weiß und also auch für nichts verantwortlich ist, aber jetzt alles, alles ändert, per Paket: des kantigen Nehammer.

Dann haben wir noch Frau Raab mit dem Islampaket, eine Politik, die nichts ist, aus dem Nichts kommt, und mit Plastikluftpölsterchen ausgestopft gut verpackt wieder ins Nichts geschickt wird.Nur so nebenbei gefragt: Wer war denn 2011-17 als Staatssekretär und Minister für Integration zuständig? Richtig: Chefpaketier Kurz. Was hat er getan? Nichts. Aber er hörte allen zu. Immerhin.

Das Werner-Kogler-Paket ist von der Sorte, die innen mit Noppenfolie gepolstert ist. Steckt alle Schläge weg. Ein Beispiel für Verpackungskunst: wie die Grünen jetzt auf einmal Grundrechte einpacken und zukleben, dafür fehlen mir, es kommt nicht oft vor, die Worte. Sie sind an diese Koalition gefesselt und müssen sich von Sebastian Kurz alles gefallen lassen: den Versuch, Anschober Corona-Erfolge wegzunehmen und Misserfolge zuzuschieben, Frau Zadics Justizministerium für den Terror verantwortlich zu machen und die „Kulturverliebten“ mit Schließungen zu sekkieren, während die Supermärkte XXX-Superspreader-Events inszenieren dürfen. Zadic avanciert zur Dulderin der Nation, sie lässt sich alles gefallen, sie provoziert man zu keiner Kritik an denen, die sie verhöhnen. Realpolitisch vielleicht klug, aber schwer erträglich.

Sitzen zwei Frauen auf der Matte. Neben ihnen lehnt ein Paket am Baum. Fragt die eine. „Was macht das Ekelpaket da?“ Lacht die andere: „Das Ekelpaket macht die österreichische Politik!“


Gott vergebe mir meine schlechte Laune! Ich schrieb dies, während ich mit einem Auge Luxemburg-Österreich zusah und mit einem Ohr den Kommentator Boris Jirka hörte, wie er sich dem Spielniveau anpasste und ständig Luxemburg mit Liechtenstein verwechselte. Wir hingegen: unverwechselbar! Und am Ende gaben wir ihnen doch noch eine kleine Packung.

Weiterhin: keep distance, wash hands, wear masks, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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