Putscht Trump? Eine amerikanische Tragikomödie

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 232

Armin Thurnher
am 04.11.2020

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Jetzt sitzen ein paar von uns wieder vor den Geräten und beißen Nägel. Versprochen war uns ein Landslide, geworden ist es ein Nailbiter, wie man in Amerika so schön sagt, und wie immer sind die Meinungsforscher verblüfft und wie immer werden sie uns später erklären, das sie eh alles genau so wussten. Die Eins in Eins zu Zehn hat sich ziemlich ausgewachsen.

Die Hoffnung, dass sich die USA erneuern und der Welt frische Impulse zu einem New Deal aller Arten geben, können wir uns so oder so abschminken. Die Alternative zwischen Donald Trump und Joe Biden ist vielleicht nicht ganz so schlimm, wie es der gern kräftig formulierende Journalist Matt Taibbi ausdrückt. Er nennt die Wahl einen „Milchshake aus Kotze“ und sagt über Biden, er teile sehr viele Eigenschaften mit dem Präsidenten, angefangen mit einem pathologischen Problem mit der Wahrheit.

Erstmals muss man sich Sorgen machen, ob Trump das Ergebnis einer demokratischen Wahl respektiert, schrieb ich gestern. Die Republikaner haben schon 2000 Al Gore die Präsidentschaft gestohlen, und was Trump jetzt vorbereitet hat, ist schon allerhand: Besetzung der Gerichte mit rechten Richterinnen und Richtern, systematisches Säen von Zweifeln und Schüren von Verdacht des Wahlbetrugs, angetragene Verschleppungstaktik, die Ankündigung, sich zum Sieger zu erklären, obwohl das Ergebnis nicht feststeht, inzwischen wahrgemacht, mit lächerlichem Rechtschreibfehler, korrigiert und mit lächerlichem Zusatz von Twitter – man muss wie ich schon ein hartgesottener Amerikagläubiger sein, um den Funken der Hoffnung doch nicht ganz aufzugeben.

Die amerikanische Zivilgesellschaft, hoffnungsvoll beschwöre ich sie, und schon hat sie eine halbautomatische Waffe in der Hand und ruft: „four more years“.

Trump ist ja nicht nur ein Freak. Es kam ja nicht gerade zufällig ein Schwindler und Hochstapler ins höchste Amt des Staates. Die Person Trump exemplifiziert ja auch geradezu ideal das Problem der amerikanischen Verhältnisse. Nicht nur, weil er das Gelände ständig mit Scheiße flutet, wie ihm sein faschistischer Berater Steve Bannon, Ex-Chefredakteur der rechten Website Breitbart und selbsternannter Guru der rechtsextremen Internationale riet. Diesen Rat brauchte Trump nicht. Er war zeitlebens so verfahren, und so verfuhr er auch im Amt.

In einer zerstörten Öffentlichkeit, die sich selbst begeistert permanent mit Eigenscheiße flutet, hatte er leichtes Spiel. Eigenscheiße ist übrigens mein Antwort-Wort auf das Unwort Eigenverantwortung, das nur nebenbei bemerkt. Moderner Mediengebrauch: den Kakao, wie Erich Kästner sagte, durch den man gezogen wird, nicht nur auch noch zu trinken, sondern dafür zu bezahlen, ihn mit seiner Kreativität zu befeuern und alles für ihn hergeben, was man hat. Danke, dass ich mitrühren darf.

Wenn ich mir die Reaktionen auf Trumps Ankündigung ansehe, es handle sich um Wahlbetrug, und sie mit der Aufregung verknüpfe, die das in den sozialen Medien erzeugt, bin ich dankbar für die Behäbigkeit einer leicht verzögerten Kommunikation, die vielleicht eine Bedenkminute zwischenschaltet und fragt, wie er das denn machen sollte. Hat Oberbefehlshaber Ubu den Staat derart im Griff, würden ihm die Streitkräfte folgen, wenn er auf einen erwiesenen, wenn auch knappen Wahlsieger Biden hindeutet und ruft: Grab him by the pussy and lock him up?

Trump hat das anstehende Chaos mit den nicht ausgezählten Briefwahlstimmen in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania, wo die Wahl letztlich entschieden wird, selbst verursacht. Die Republikaner haben in dieses Staaten gesetzlich verhindert, dass Briefwahlstimmen schon vor dem Wahltag ausgezählt wurden, wie das in anderen Staaten üblich ist, um am Wahltag das Ergebnis zu haben. Vorfabriziertes Chaos, jeder sah es kommen, und dieses Chaos soll nicht von den Wählern, sondern von den Gerichten entschieden werden, wie damals, 2000, in Florida bei George W. Bush, als gute 580 Stimmen entschieden und das Höchstgericht mit 5:4 Stimmen beschloss, jetzt werde nicht mehr nachgezählt. Sonst hätte vielleicht Al Gore gewonnen.

Dennoch habe ich noch soviel Restvertrauen auch in die mit reaktionärsten Richtern besetzten Gerichte, dass sie sich über das übliche Maß an Wahlschwindel nicht hinausbegeben. Joe Bidens Lager antwortete Trump denn auch recht kühl, naturgemäß auf Twitter: „It’s not my place or Donald Trump’s place to declare the winner of this election, it’s the voters’ place.“

Wie immer es ist, und wie immer es ausgeht, wenigstens lassen sich offenbar die meisten Zeitungen und TV-Stationen, nicht einmal Fox-News, diese Strategie Trumps gefallen. Sie erinnern ihr Publikum daran, dass Trump sie seit 2016 vorbereitet und verbreitet. Dennoch ist eine Demokratie, in der Kommunikation derart untergraben, verunsichert, ja zerstört wird, eine äußerst prekäre Demokratie, um es vorsichtig zu sagen. Dass wir am Ende der Wahl der größten und mächtigsten Demokratie der Erde bangen müssen, ob sie in einem Putsch endet, zeigt, wie nahe wir dem Medienfaschismus gekommen sind. Sad.

Weiterhin: keep distance, wash hands, wear masks, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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