Der Bösclown als Verdreher. Nachdenken über Wolfgang Sobotka.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 213

Armin Thurnher
am 15.10.2020

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Ist Wolfgang Sobotka nur ein Popanz, den die türkisen Mastermanipulanten ins Bild schieben, damit wir uns über Schmiedl, nicht aber über Schmied erregen? Nach seinem aberwitzigen Auftritt in der ZiB2 bei Armin Wolf stellen sich Fragen wie diese. Kann man Sobotka isoliert von der ÖVP betrachten, als eine Art erratischen bösen Kometen, der unkontrollierbar durch unseren politischen kleinen Kosmos wischt? Oder erfüllt er nicht vielmehr genau diesen Auftrag für die ÖVP: durch scheinbaren Irrwitz Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um andere Akteure zu schützen. Die damit verbundene die dritte Frage, ob er vielleicht „gar nicht so ist“ und wir dem Musensohn und feinsinnigen Dirigenten vielleicht Unrecht tun, kann auf später verschoben werden.

Wir leben in Zeiten, da politische Akteure von Originalen zu Grenzfällen werden. Das kommt in Zeiten historischen Verfalls vor. Vielleicht bilden wir uns, unterstützt durch verblendete Historiker, nur ein, dass in Zeiten kulturell-politischer Hochblüte vernünftige Staatsführer am Werk sind, von Perikles bis F. D. Roosevelt, von Augustus bis Kreisky. Wir leben nun in Zeiten der Trumps und Bolsonaros, der Modis und Johnsons, neben der singulären Merkel. Die bösen Clowns regieren. Sobotka ist der zweite Mann in einem Staat, dessen Bedeutung wir nicht über-, aber auch nicht unterschätzen sollten.

Wolfgang Sobotka in der ZiB2 vom 13.10.2020 „Das Amt zu Ende (ver)führen…“ Foto © ORF

Das verwirrt-aggressive Gequake dieses Bösclowns lässt sich vorzüglich parodieren. Betrachtet man seine Funktion, wirkt es verstörend.

Die Bedeutung des Parlaments in der realen Politik ist so weit abgeschwächt, dass Alfred Noll unwidersprochen die Behauptung aufstellen konnte, das Parlament gebe es nicht oder nur mehr zum Schein. Unter diesen Umständen muss man es nicht mehr entmachten, wie vor bald 90 Jahren. Es genügt, es von innen auszuhöhlen und mit einer Figur an der Spitze zu versehen, die ihm Hohn spricht. Die alles unternimmt, um einen Untersuchungsausschuss öffentlich ad absurdum zu führen, zum Beispiel, indem sie darauf beharrt, ihm vorzusitzen. Sobotkas Funktion ist es offenbar es, die Hirne der Öffentlichkeit zu verwirren und dadurch, dass das möglich ist, die Hegemonie seiner Partei zu stützen. Wir herrschen auch in irrationaler Form, sagt sie uns. Das ist nicht nur ein Tatbestand, das ist auch ein Zeichen. Wir verordnen euch Bösclowns, lebt mit ihnen. Der römische Kaiser Caligula ernannte ein Pferd zum Konsul. Vorteil: es konnte keine Interviews geben.

Bei Armin Wolf redete Wolfgang Sobotka über den Glücksspielkonzern Novomatic: „Und jetzt zur Novomatic ein Wort. Novomatic ist eine Firma in Niederösterreich mit 3600 Arbeitsplätzen. Ein Unternehmen, dass der größte Sportsponsor ist, glaube ich, größter Kultursponsor, größter auch Sponsor in sozialen Angelegenheiten, von Licht ins Dunkel bis Hilfe zu Hause. Also wirklich ein Unternehmen mit sozialer Verantwortung.“

Wer einem Glücksspielkonzern ernsthaft „soziale Verantwortung“ zuschreibt, weil er Sponsoring betreibt, ist wie einer, der einen Chemiewaffen herstellenden Konzern lobt, weil er auch Parfüm produziert. All das Elend, die Zerstörung von Familien, die Sucht, die sozialen Verwüstungen des Glücksspiels, deren Kosten auf den Staat zurückfallen, wird ausgeblendet, weil der Glücksspielkonzern für Licht ins Dunkel spendet und das kohlschwarze Alois-Mock-Institut mit Brötchen und Inseraten versorgt.

Das ist symbolstark. Es ist Teil einer Politik, die vor allem darin besteht, uns das Bild dessen, was sie anrichtet, völlig zu verdrehen. Für diese Verdrehung steht Sobotka als quakende Galionsfigur, und je unsinniger er daherredet, desto schwerer soll man erkennen, worum es geht.

Die politischen Inhalte der ÖVP haben sich jenen der FPÖ anverwandelt. Freunde der ÖVP bestehen darauf, sie sei in der Familie der Europäischen Volkspartei verankert, anders als die rechtsextreme FPÖ, die sich Le Pen und der italienischen Lega zurechne. Das stimmt nicht nur deswegen nicht, weil Viktor Orbán bekanntlich zur EVP gehört, ewig suspendiert, nie ausgeschlossen. Aber es ist egal. Die Mimikry der ÖVP an die FPÖ, „nur um Wähler zu gewinnen“ lässt sich nicht revidieren. If it looks like a duck, if it walks like a duck, if it talks like a duck, it is a duck.

Sobotkas Irrwitz soll auch vom Rechtsruck der ÖVP ablenken. Und von ihrer strukturellen Korruption, die weniger darin besteht, dass sich die ÖVP punktuell und durch Postenschacher Vorteile verschafft, sondern darin, dass sie sich tatsächlich mit dem Milieu des Glücksspielkonzerns in jeder Form verbündet und auch kein Problem hatte, mit der FPÖ alle Arten gemeinsamer Sache zu machen, nicht zuletzt beim Abmurksen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Wiedereinführung des Kleinen Glücksspiels und der Härte in Migrationsfragen.

Der Irrwitz soll natürlich auch das Versagen des Bundekanzlers in der Causa Ischgl zudecken, das mittlerweile weltöffentlich ist, aber in Österreich – trotz des Berichts der Rohrer-Kommission – mit einer gewissen Verlegenheit hingenommen und weggewischt wird. Das vielleicht Absurdeste ist, dass der beim Aufstieg Kurz’ und bei der Erledigung der Regierung Kern-Mitterlehner als Zerstörer bewährte Sobotka selbst ein Versagen des Bundeskanzlers darstellt, der ihn auf den Posten des Nationalratspräsidenten schob. „Im Sinne der Verfassung möchte ich das Amt auch zu Ende verführen“ sagte er bei Armin Wolf, und verbesserte sich schnell auf „führen“. Manche Verschleierung finden am wirkungsvollsten in aller Öffentlichkeit und mit lautstarker Ansage statt.

Muss Sobotka wissen, was mit ihm gespielt wird? Verdreht er Fakten absichtlich, mit Genuss, oder kann er nicht anders, hält sein Handeln sogar für richtig? Das, würde ich meinen, ist in Anbetracht seiner fatalen Wirkung auch schon wurscht.

Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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