Österreich, wie es isst: ein Schinkenfleckerl-Streit und seine Lösung
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 202
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Ich tue zwar immer, als wäre mir der Erfolg beim Publikum nicht wichtig. Sie glauben mir das genauso wenig wie ich es mir selber glaube. Sehr genau registriere ich, was hier gut geht. Sehr feinfühlig registriere ich, dass bei manchen Motiven ein gewisser Überdruss aufkommen kann. Politiker, denen man nichts mehr glaubt, nicht einmal, dass, ob, und wie sie an Corona erkrankt sind, werden heute von mir ebenso ignoriert wie jene, die so tun, als hätten Julius Raab, Leopold Figl oder Alois Mock mit der ÖVP nie etwas zu tun gehabt.
Lassen wir das. Wenden wir uns dem wirklich wichtigen Österreich zu. Österreich, wie es wirklich isst. Jawohl, mit Doppel-S, analog dem Titel des erfolgreichen Sachbuchs aus dem Falter-Verlag, der mir vor zirka vier Jahrzehnten einfiel, als alle der Meinung waren, so etwas würde niemand brauchen oder kaufen.
Ich darf Ihnen zum Sonntag eine echte Homestory anbieten, und zwar über den zwischen meiner Frau und mir tobenden Schinkenfleckerl-Streit, wie er entstand, und wie es in einer unverhofften Volte gelang, ihn zu versöhnen.
Schinkenfleckerln (hier ist das Wienerisch-End-N erlaubt) sind so etwas wie ein österreichisches Allzwecknahrungsmittel. Sie sind die unsere Spaghetti (weil Teigware), unser Pastitsio (weil Auflauf), unsere Ham-and-Eggs (weil Schinken mit Ei) in einem. Die legendäre Schauspielerin und Adorno-Freundin Lotte Tobisch pflegte sie ihren Besuchen aufzuwarten, weil sie der berechtigten Meinung war, die Gastgeberin habe nicht als Köchin in der Küche zu stehen, sie solle sich mit den Gästen bei Tisch unterhalten. Schinkenfleckerl ins Rohr, Salat vorbereitet, kurz vor dem Servieren angemacht, Fleckerln aus dem Rohr geholt und aufgetragen, fertig.
Unser Streit ging nicht über die Frage, ob Schinkenfleckerln (darüber könnte ich nicht einmal mit dem Bundeskanzler streiten), sondern wie Schinkenfleckerln zubereitet werden sollten.
Meine Frau präferierte die etwas einfachere, aber – meiner Ansicht nach – trockenere Variante. Während ich das schreibe, höre ich sie schon laut protestieren: So ein Blödsinn, die sind gar nicht trocken. Stimmt, sind sie nicht.
Aber meine sind saftiger. Als typischer Mann-Koch plädiere ich für die kompliziertere und cremigere Variante mit Bechamel. Beide stammen übrigens aus Ewald Plachuttas Kochbuch Die Gute Küche, und zwar dem ersten, mit dem legendären leider zu früh verstorbenen Christoph Wagner angefertigten. Die Ausgabe stammt aus dem Jahr 1993, die Rezepte stehen auf Seite 216 f. und figurieren unter Schinkenfleckerln 1 und 2.
Eins bin ich, Zwei ist meine Frau. Aus solchen Rezeptstreitigkeiten ist übrigens ein ganzes Kochbuch entstanden, falls Sie es nicht wissen.
Mangoldfleckerln, meine Alternative zu Schinkenfleckerln
Kürzlich gelang es mir, unseren Streit zu schlichten. Wie so oft, indem ich ein Drittes ins Spiel brachte. Es muss nicht immer Schinken sein, dachte ich, Mangold haben wir im Garten im Überfluss, warum also nicht Mangoldfleckerln? Mit einem Hauch Parmesan, und, damit die Cremigkeit erhalten bleibt, mit einem Löffel Topfen. Die Sache funktionierte auf Anhieb, und auch wenn es nicht fair ist, ein Kochrezept am Sonntag zu veröffentlichen, wenn die Lebensmittelgeschäfte geschlossen haben, können Sie es ja nächsten Montag einmal versuchen. Experimentieren Sie mit den Zutaten. Es sind zum Beispiel recht viele Eier, man könnte versuchen, Sie zu reduzieren. Mir schmeckt es so ganz gut. Sie sehen, dass Brennnnesseln als Alternative angegeben sind, die nimmt man besser früher im Jahr; es ginge auch Blattspinat.
Hier ist das Rezept (Sechs Portionen, oder vier für Hungrige):
200 g Fleckerln
130 g Mangold / Brennnessel gekocht
60 g Parmesan gerieben
60 g Topfen
50 g Butter
50 g Mehl
¼ l Milch
¼ l Sauerrahm
4 Eidotter
4 Eiklar
1 Ei
Salz, weißer Pfeffer, Muskatnuss
Butter zum Ausstreichen
Semmelbrösel
Fleckerl kernig kochen, abseihen, abschwemmen, abtropfen. Die Butter schmelzen, darin das Mehl anschwitzen, mit heißer Milch aufgießen, mit der Schneerute gut verrühren, drei Minuten kochen. Überkühlen lassen, Dotter und Ei einrühren. Mangold/Brennnesseln kurz dünsten, abschrecken, ausdrücken, klein schneiden. Mit Topfen, Parmesan und Mangold/Brennnesseln zur Eier-Bechamel-Mischung geben. Nacheinander Fleckerln und Sauerrahm, am Schluss den Eischnee unterheben, würzen. In eine gebutterte und gebröselte feuerfeste Form geben, mit Bröseln bestreuen.
Im vorgeheizten Backrohr bei 180 Grad ca 55 Minuten backen.
Falls Sie doch Schinkenfleckerl präferieren, ersetzen Sie Mangold, Parmesan und Topfen einfach durch 250 g gekochten Schinken, den Sie klein schneiden. Für das Schinkenfleckerlrezept meiner Frau fehlt jetzt leider der Platz. So ein Pech!
Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!
Ihr Armin Thurnher