Wer die ÖVP wirklich regiert. Appell an Ö1. Monster. Falken.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 184

Armin Thurnher
am 16.09.2020

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Mock Institute. Ich habe das Zentrum der ÖVP entdeckt. Ich habe gefunden, was die türkise Truppe treibt. Ihr Kraftwerk heißt Mock Institute und ist eine Tochterfirma des Konzerns Hulesch & Quenzel. Das Mock Institute hat Wolfgang Sobotka nicht zum Präsidenten, vielmehr hat es ihn erschaffen und stattet ihn aus. In der Produktionsabteilung des MI werden laufend neue Farbkreationen von Brille und Stecktuch entworfen. Auch die Unterwäsche ist angepasst. Wir sehen sie nicht, aber der Träger weiß es, und es macht seine Miene so stolz. Türkise Boxershorts, mit Monogramm. Die denken an alles beim MI. Eine andere Abteilung des Mock Institute erfindet Gedächtnislücken für Gernot Blümel. Eine weitere formuliert EU-Förderungsanträge für Ellie Köstinger. Eine dritte fertigt immer noch größere Ohrringe für Frau Edtstadler, eine vierte probt rührende Fotoszenen mit Sozialhilfeempfängern für Frau Aschbacher, eine fünfte näht Tarnuniformen für Frau Tanner. Im Keller des MI wurde Alexander Schallenberg umerzogen, gewaltlos, mit Mitteln der volkstümlichen Klamaukfolter. Die Corona-Ampel war naturgemäß eine Idee des MI. Ab und zu kommt der Chef vorbei und holt sich ein Paket Sprüchlein ab: Österreich ist Flüchtlingskinderwunderland, niemand leistet so viel Kinderhilfe wie wir, unsere Berge sind übersät mit Flüchtlingskinderdörfern, wir schließen die Kinderkreuzzugsroute. Im Mock Institute erfand man jenen hochgestreckten Daumen, den Hartwig Löger Hazeh Strache am Smartphone schickte. Hier, nur hier konnte der Zusatz kreiert werden, es sei ein „ranziger Daumen“ gewesen, in Wahrheit ein Stinkefinger. Das Institute ist massiv schallisoliert, damit das Gelächter des Personals nicht zur verlachten Bevölkerung herausdringt. Es teilt die Telefonnummer nicht mit der ÖVP Niederösterreich und seine Mitarbeiter sind nicht sämtliche ÖVPler, wie auch der Präsident nichts mit dem MI zu tun hat, weil er nicht weiß, dass das Alois-Mock-Institut nur eine Vorfeldorganisation des MI ist, dem wiederum das Parlament und die ÖVP unterstehen. Ich dachte, wenigstens Sie sollten das wissen. Das Motto des Mock Institute lautet übrigens: „ MI – mock all of the people all of the time!“ Wenn man die türkise Brille mit dem türkisen Stecktuch reibt, wird dieser Schriftzug für Eingeweihte sichtbar.


Alarm! Ein Appell. Neuerdings beginnen sie auf Ö1 Werbung zu senden. Es ist Werbung nur für karitative Zwecke und für den Klimaschwerpunkt des ORF, richtig schlecht gemacht, damit man merkt, dass da wer ein schlechtes Gewissen hat. Aber es bleibt Werbung. Leute, haltet inne! Ihr habt den besten Kultursender der Welt. Er macht exemplarischen redaktionellen Journalismus. Er zeichnet sich durch bisher fast komplette Werbefreiheit aus (bis auf ein paar Versuche in Eigenwerbung und karitativem Zeug). Jetzt gebt ihr auf, was euch von allen unterscheidet? Das ist falsch. Ihr irrt. Ihr liegt schief, ihr versteht nicht, was ihr tut. Abgesehen vom Chauvinismus der Gutherzigen bei der üblen „Österreich hilft Österreich“-Sache (dass das niemandem aufgefallen ist, oder war es türkise conditio sine qua non?) – merkt ihr nicht, dass euer öffentlich rechtlicher Sender dafür geliebt wird, dass er in einem Ozean von Kommerzialisierung die einsame Insel ist, auf der das Gegenteil von marktförmigem Journalismus überlebt? Merkt ihr nicht, dass genau durch diese Spots dort marktförmiges Zeug angesiedelt wird? Werft es raus! Widersteht! Lasst euch nicht von diesen Werbeleuten infizieren, ihr steigt am Ende, wie Figura überall zeigt, nur schlechter aus. Wenn ihr schlechter werdet, führt das zu mehr Werbung, was wiederum zu schlechterem Programm führt, und am Ende gibt es euch nicht mehr, weil ihr euch nicht bewährt habt. In Wahrheit aber, weil ihr nicht achtsam wart und das euch entgegengesetzte Prinzip hereingelassen habt, das der Käuflichkeit. Schmeißt sie raus! Man kann diese karitativen Anliegen sülzefrei von Sprechern und Sprecherinnen aufsagen lassen, als Ankündigung, Information, Aufforderung, aber nicht als diese kleinen betulich käuflichen Dramastückchen, die neue Gesetze ins redaktionelle Getriebe schmuggeln. Sand für euch, der sich als Nuggets ausgibt. Besinnt euch! Sagt Nein!


Monströse Zeiten. Ich erinnere mich noch daran, dass man im Flugzeug rauchte. Dass fast alle im Flugzeug rauchten. Fällt mir nur ein, weil die Daten nur so durchsausen, nach denen nichts mehr war wie vorher. 1989, 2001, 2008, 2020 – bisschen viele Epochenbrüche in ziemlich kurzer Zeit. Bald wird es wieder kühler, tröstet uns Donald Trump. Kann sein. Vielleicht sogar ungemütlich kühler. Passt zum Gefühl, dass da etwas nicht in Ordnung ist, wenn die Welt, schau rings umher, von lauter Monstern regiert wird. Von Soziopathen, in denen wir uns und unsere Wünsche pervertiert, verzerrt oder nur vergrößert wiederfinden. Von Lügnern, Aufschneidern, miesen Schauspielern, von Zerstörern, die wir gewählt haben, und die doch auf die Werte, die sie präsentieren sollten, pfeifen. Diese unschönen Vorgänge beschreibt der Philosoph Peter Strasser in einem bedenklich-bedenkenswerten Essay in der Neuen Zürcher Zeitung, der mit den noch bedenklicheren Worten schließt: „Es gibt einen Punkt, an dem die kollektive Mentalität, geradezu wild geworden, nach einem politischen Monstergott verlangt. Falls wir die Zeichen an der Wand nicht sehen, werden wir über kurz oder lang auch unseren ,Gott‘ bekommen. Dann wird die Schillersche Menschheitshymne einen zynischen Beiklang erhalten: ,Freude, schöner Götterfunken . . .!‘ Und an die Stelle des humanistischen Pathos ,Alle Menschen werden Brüder‘ wird – wieder einmal – die grausame Wahrheit des Satzes von Oswald Spengler treten: ,Menschengeschichte ist Kriegsgeschichte.‘“


Hawkish. Wenn ich aufstehe, um den revitalisierten Kater zu füttern, Kaffee zu machen und meine Rücktrittsaufforderung an Herrn Sobotka zu twittern (in dieser Reihenfolge, das Wichtige zuerst), blicke ich hinauf zum Turm. Dort sitzt er, der heurige Falke, steinweiß und stoisch wie alle Falken vor und nach ihm. Er blickt hinunter auf mich und ein berühmtes Gedicht des englischen Dichters Ted Hughes, das meine Frau ihm und seinesgleichen zu Ehren an die Wand gepinselt hat. Es handelt von einem Falken, der sitzt und auf alles hinunterschaut, die Sonne hinter sich, bereit und berechtigt, alles zu töten, was ihm gefällt. „My manners are ripping off heads.“ Es endet mit der Zeile: „I am going to keep things like this.“ Ich laufe um den Fotoapparat. Als ich wiederkomme, ist der Falke weg.


Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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