Über Lisa Eckhart und Heinz Christian Strache. Plus zwei wichtige Mitteilungen

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 156

Armin Thurnher
am 19.08.2020

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Ich kenne Lisa Eckhart nicht. Habe aber im Fernsehen das eine oder andere Programm mit ihr gesehen und naturgemäß viel über sie gelesen, vor allem in jüngster Zeit. Habe nie einen ihrer Live-Auftritte besucht und auch ihr neues Buch noch nicht angeschaut.

Darf aber berichten, dass mir ihre Programme, die ich sah (das allgemein inkriminierte, mehrere Jahre zurückliegende war nicht dabei) durch Witz und Formulierungskunst imponierten, mich stellenweisen amüsierten und zum Lachen brachten. Lisa Eckhart agiert anspruchsvoll, um das blöde Wort Niveau zu vermeiden. Was heißt, sie stellt an sich selbst und an ihr Publikum Ansprüche.

Der mindeste Anspruch, den ihr das Publikum zurückgeben sollte, wäre, das anzuerkennen und sich nicht diesem Primitiv-Manichäismus hinzugeben, der längst das wesentliche Kennzeichen der Digitalwelt darstellt: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Zwischen Eins und Null gibt es kein Drittes.

Es ist beschämend für eine sich als links und aufgeklärt verstehende Öffentlichkeit (oder habe ich etwas verpasst?), dass Eckhart bereits als eine Art Chiffre für Reaktionäres gilt. Freund Doron Rabinovici, der sie ebenfalls kritisiert, hat es schon nötig gefunden, zugleich mit seiner Kritik zu bemerken, dass er deswegen kein Auftrittsverbot für sie fordere.

In einer Falter-Publikation lernte ich vor kurzem, dass „Lisa-Eckhart-Verteidiger“ in die gleichen Kategorie wie „Rassist“ gehört. In die gehöre ja auch ich, seit ich es wagte, Noam Chomsky zu zitieren. Der übrigens diffamiert wird, weil er die Freiheit, alles sagen zu dürfen, über alles stellt. Er hält es für besser, Holocaustleugner reden zu lassen, als ihnen das Reden zu verbieten. Ich teile diese Ansicht so nicht. Fürchte aber wirklich, mit der von ihr favorisierten Art von Diskurs-Auslöschung, die sich dabei noch kritisch vorkommt, erledigt sich die Linke wieder einmal auf absehbare Zeiten.


Bin ich nicht selber ein Diskurs-Auslöscher? Immer wieder schwanke ich hin und her, zum Beispiel, wenn es um Heinz Christian Strache geht, diesen bramarbasierenden Tropf, der es vom hoffnungsvollen Neonazi zum hoffnungslos schwadronierenden rechtsextremen Bonzen brachte und sich an seinen politischen Job klammert, um so leben zu können, wie er es als angemessen empfindet.

Ich litt wie ein Hund, als er Armin Wolf gestern in der ZiB2 als „einen der begnadetsten Journalisten des Landes“ anschleimte, und ich meinte zu spüren, dass auch Wolf litt. Weiß schon, kann ich nicht sagen, weil ich Wolf dazu befragen müsste, was ich gar nicht erst versuche, weil ich weiß, dass er, der Hyperprofi, natürlich cool kontern würde, er leide nicht, vielmehr handle er und mache nur seinen Job, und alle Kandidierenden würden gleich behandelt. Eh.

Ich leide wie ein Hund unter der Cancel Culture und fordere zugleich allen Ernstes, man solle Herrn Strache keine Beachtung schenken! Wie geht das? Cancel Culture verzichtet auf ein öffentlich gebildetes Urteil. Sie ersetzt dieses durch geballtes Ressentiment und den Aufschrei: Weg damit! Ich träume noch immer davon, dass es so etwas wie öffentliche Selbstbeschränkung geben könnte, was heißt, dass Medien darauf verzichten, unter allen Umständen Reichweite und Quote zu machen. Im Moment, da ich das hinschreibe, wird mir die Hoffnungslosigkeit dessen klar.

Die Kronen Zeitung und der ORF agieren konsequent. Wenn ein Gauner, Lügner, Hetzer Maulheld und Hochstapler wie Strache Quote bringt, dann bringen wir ihn. Und wenn ich argumentiere, man möge ihm keine Aufmerksamkeit schenken, profitiere auch ich auf meine Weise noch am Aufmerksamkeitsgeschäft. Mir fällt nichts Besseres ein: ich argumentiere dafür, dass man dagegen sei. Kein Auftrittsverbot für Strache, aber Selbstbeschränkung bei Berichten über ihn!

Die Cancel Culture hat übrigens ihre Tagseite: die Jubelkultur. Menschen, deren Gesinnung man sympathisch und passend findet, werden über jede Kritik gestellt und bedingungslos hochgelobt. Auch damit tut man sich und ihnen nichts Gutes. Aber was macht das schon, wenn eh niemand mehr weiß, was Kritik soll, oder sie mit Beschmutzen, Herunterziehen, Niedermachen, ja Auslöschen verwechselt? Vor 50 Jahren saß ich in der Nationalbibliothek und las Friedrich Schlegels Fragmente, in denen Kritik als eine Art höherer Kunst aufgefasst wird. Heute kann man das mit einem Mausklick haben, und gleich fand ich den Satz: „Man muss die Selbstbeschränkung nicht übertreiben“.


Nun aber zu den wichtigen Nachrichten. Die dritte Generation Schwalben ist flügge geworden und durchschneidet die Luft im Hof mit pfeifenden Fluggeräuschen. Sobald sich der Kater zeigt, wird er kamikazeartig angeflogen; das machen die Eltern, die Jungen üben derweil Kurven und Steigflüge für die bevorstehende große Wanderung und erholen sich zwischendurch auf Stangen und Schnüren.

Der Kater ist mit Hilfe der tüchtigen jungen Tierärztin dem Tod von der Schaufel gesprungen. In der großen Hitze lag er nur noch im Blumenbeet und weigerte sich, zu fressen. Mittlerweile hat er ein Kilo zugenommen und maust wie in seinen besten Tagen. Er ist ja erst sechzehn.

Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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