17 Arten, öffentlich auf den Versuch zu antworten, die öffentliche Rede durch Nichtteilnahme zu zerstören. Teil II

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 145

Armin Thurnher
am 08.08.2020

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Das hier hat sich ein wenig ausgeweitet. Erst kam meine Reaktion auf die Einstellung von addendum, dann die auf das Doskozil-Interview des ORF und seine Wirkung im türkisen Spin-Umfeld, und danach Teil Eins der Antwort auf Möglichkeiten der Diskurszerstörung.

Nun zu den angekündigten siebzehn Varianten, öffentlich auf den Versuch zu antworten, die öffentliche Rede durch Nichtteilnahme zu zerstören.

Ich bleibe dabei im Rahmen der Sendung Zeit im Bild 2, einem jener gallischen Dörfchen im ORF, das öffentlich darunter leidet, dass für einen Skandal Zuständige oft nicht den Anstand haben, zu den kritisierten Zuständen dort öffentlich Rede und Antwort zu stehen.

Die Sendezeit, die für das Gespräch zum Thema vorgesehen war und nun also nicht durch Antworten gefüllt wird, soll nicht einfach anders gefüllt werden, sondern FÜR DAS PUBLIKUM MERKBAR ANDERS UNERFÜLLT BLEIBEN. Die unerfüllte Zeit.

Da ist es mit dem kursorischen Hinweis nicht getan, man habe X. wohl eingeladen, aber er sei leider nicht gekommen, schon gar nicht, wenn man darüber nur auf dem Kurznachrichtendienst klagt. Für Mr. X nehmen wir im folgenden Gernot Blümel, den Finanzminister, weil er so gerne absagt, und gerade eben wieder absagte, statt zur Commerzialbank Mattersburg Auskunft zu geben, und weil er so gut das aktuelle politische Problem exemplifiziert: Alles Pose, vom Scheitel bis zur Socke.

Die folgenden Vorschläge sind nur erste Andeutungen, ich weiß ja, wo sie landen. „Österreich, ein Papierkorb“ (Friedrich Heer). Er quillt schon über, ich werfe sie trotzdem ein. Naturgemäß wären vom ORF Regisseurinnen und Regisseure einzuladen, Vorschläge inhaltlicher und visueller Art zu machen.

Letzte Vorbemerkung: Anregungen, die beim Büro eingingen, wurden gleich mitverwendet (Name der Ideengebenden in eckigen Klammern).

  1. Man spielt statt des Interviews eine zeitlich quälende Länge Schwarzfilm, bzw. wenn zu streng, als „österreichische Lösung“ Farbfilm.

  2. Bei Absage werden Oppositionspolitiker eingeladen, das wird auch entsprechend ausgeschildert [Kornmandl]

  3. Während das Nichterscheinen von Eingeladenen bekanntgegeben wird, wird ihr Bild einblendet, mit Insert: „HFM Gernot Blümel weigert sich beharrlich, den Steuerzahlenden seine Verantwortung in der Causa zu erklären.“ [Frustikus]

  4. Moderator„begrüßt“ Einladungsverweigerer und stellt seine Fragen. Bei der Antwort wird ein Standbild der Eingeladenen ohne Ton eingeblendet. Dann nächste Frage. [Chorherr]

  5. Bei notorischen Schwurblerinnen wird die Frage per Untertitel eingeblendet, die sie soeben (nicht) beantworten [Plaikner].

  6. „Lossts eich owe!“ Neben der Moderatorin erscheint eine Klospülung alter Schule (Porzellangriff an Kette) von oben. Sie erklärt, sie habe z. B. Blümel eingeladen. „Hier seine Antwort.“ Zug, Wassergeräusch, Klogriff nach oben, nächster Beitrag.

  7. Konferenzschaltung. Sportreporter kommentiert aus dem Zielraum im Nebel, warum das Blümel-Interview jetzt nicht, aber vielleicht in einer Stunde stattfinden wird.

  8. Schauspieler, etwa Christoph Grissemann oder die Staatskünstler imitieren Gäste. Ganzes Interview wird durchgezogen, als säße wirklich Blümel da. Im Insert wird erklärt, warum nicht.

  9. Prof. Filzmaier wird befragt und erklärt als Interviewpartner, welche Antworten Blümel warum wahrscheinlich wie geben und wie vermeiden würde. Absente immer als Insert oder im geteilten Bild präsent.

  10. „Außenstelle Wachsfigurenkabinett“, eine Sammlung der nichtsprechenden Auskunftspersonen(Pappkameradinnen reichen). Moderatorin trägt den lebensgroßen stummen Blümel-Pappkameraden hinein und stellt ihn zu den vielen anderen. Ab und zu kann sie die Sammlung kommentierend inspizieren, oder alle Kameradinnen in der Reihe vor dem Funkhaus (Teich) aufstellen und abschreiten.

  11. Geteiltes Bild mit Schrift: Für diese Sendung angefragt und nicht erschienen; wird immer wieder während der Sendung eingeblendet.

  12. Software, die z. B. aus Blümelzitaten zusammengesetzte Blümel-Antworten anbietet. Auswahl nimmt der Moderator vor. Beispiel „Herr Minister, wo war in Causa X die FMA? Ich nehme einmal Antwort C…“ Algorithmus dafür wird offengelegt.

  13. Künstlerische Variante: der Studiohintergrund besteht aus einer Thementapete (Blümel-Tapete; Variante: Tapete pro Absage ein Kopf)

  14. Ein Team von Dichtern liefert ein Spontangedicht zum Nichterscheinenden, das der Moderator vorträgt (nicht #tanteelfi, aber es gibt von Clemens Setz über Konrad Prissnitz bis Daniel Wisser und vielen anderen fähiges Personal für Ersatzgedichte)

  15. Musiker (Blümel-Chor), Tänzer (tanz den Blümel!), Kombinationen: Tänzer tanzt, während Chor singt, vor Tapete.

  16. Spinkritik. Nicht in Nebensätzen, sondern als seriöse, ständige Rubrik in (fast) jeder Sendung (Redaktion: Stefan Kappacher). Auch nicht mit „Politikberatern“, sondern als seriöse Plan-Bild-Text-Analyse. Mit Regisseurinnen, Framing-Spezialisten, ja, auch mit Natascha Strobl! Das Nichterscheinen analysieren und erklären, warum Nicht-Erscheinen zum Spin gehört.

  17. Schärfste Drohung: Jedesmal, wenn eine eingeladene Person nicht kommt, wird die Sendezeit für ein europäisches Thema verwendet. Untertitel/Seitenleiste teilen mit, wofür die Sendung Ersatz ist.

Abgelehnt: Vorschlag, Moderierende sollen Hannibal-Lecter-Maske tragen, wenn sie abgelehnte Einladungen bekanntgeben. Foto © MGM / 20th Century Fox

Mehrere Vorschläge wurden übrigens vom korrekturlesenden Büro Thurnher verworfen, etwa die Idee, Moderierende mit Hannibal-Lecter-Maske auftreten zu lassen, wenn sie bekanntgeben, wer ihrer Einladung gerade wieder nicht gefolgt ist. Ebenso, Florian Klenk zu allen Nichterschienenen ein GIF auswählen, oder Tex Rubinowitz eine Instant-Karikatur der gerade Fehlenden zeichnen zu lassen, die noch im Studio von der Moderatorin zerstört wird. Wir wollen schön seriös bleiben!

Das wär’s fürs erste, damit sollte man ein, zwei Monate durchkommen.

Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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