Der Bruch. Schnitten, Seuchen und Säuchen

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 141

Armin Thurnher
am 04.08.2020

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Schnitten erregen das Publikum zumindest dieser Kolumne, gewiss beschäftigen sie auch jenes von Twitter. Ein Teil-Publikum, das ich deshalb heute mit einer zweiten Schnittengeschichte schockieren und unterhalten will. Waldviertel ist Schweineviertel, wie man weiß. Wir hier pflegen auch voll Stolz unseren Corona-Cluster in einem nachrichtenmäßig gern ungenannt bleibenden Großschlachthof, der Schlachterei Dachsberger bei Eggenburg.

Dieser Betrieb nimmt den ganzen Ort Gauderndorf ein und beschäftigt vor allem Schlachter aus dem Osten, denn „unsere machen das für dieses Geld nimmer.“ Dabei heißt es, Dachsberger zahle seine Leute ordentlich.

Auch beteuert die Firma, man habe coronamäßig alles getan, sich freiwillig dem Screening-Programm der AGES angeschlossen, etcetera. Das ist gewiss so, und nicht von diesem Cluster ist heute hier die Rede, sondern von einem Bauern, der Schweine züchtet und sie früher selber schlachtete, allerdings im wesentlich kleineren Maßstab, ehe die weise EU im Verbund mit unseren noch weiseren Bauernministern und -ministerinnen (Ellie!) Hofschlachtungen verbot.

Ehe ich zu diesem Landmann komme, fällt mir eine Geschichte aus dem Innviertel ein. Einst, es ist schon Jahrzehnte her, fuhr ich mit meiner damaligen Gefährtin durch diese zauberhafte Landschaft, deren charmanten Orte Namen wie Kopfing tragen, weil die Burschen dort bei Volksfesten oder auch nur bei guter Laune einander gern Bierkrüge auf die Köpfe schlagen, und in deren Wirtschaften mit Schellack glänzend lackierte Baumstammquerschnitte mit eingebrannten Sprüchen hängen, die gute Laune in die Stube bringen: „Wenns Arscherl brummt, is s Herzerl gsund!“

Am Straßenrand bei Kopfing sahen wir zwei rostige Container stehen, denen ein verdächtiger Duft entströmte. Ehe ich fragen konnte, erklärte meine Begleiterin, sie enthielten Schlachtabfälle, vor allem Rinderfett und dergleichen, was in der Sonne halt mit der Zeit nicht so gut rieche. Ihre Verwandten hätten sich schon danach erkundigt, und bäuerlicherseits habe die Auskunft gelautet, demnächst komme „der Bendsorp“ und hole die Container.

Bensdorp, das war eine große Schokoladenfabrik in Wien-Döbling, vor der ich in den frühen 1970er Jahren einmal Flugblätter verteilte, als Kurzzeit-Sympathisant einer trotzkistischen Organisation. Die einzigen, die mir Flugblätter abnahmen, mir, der ich die Nacht gleich durchgemacht hatte, um rechtzeitig zu Schichtbeginn am Fabriktor zu erscheinen, wie es sich für einen guten jungen Sozialisten ziemte, waren junge Frauen, die Mitleid mit mir hatten, oder ein wenig schäkern wollten. Da wurde nicht viel daraus, da sie ja zur Schicht gingen. Die Fabrik wurde in den 1980er Jahren abgerissen, die Marke Bensdorp gibt’s noch immer.

Die trotzkistische Organisation erschien mir dann doch zu organisiert. Mein unabhängiges Dasein zog ich einer Kaderpartei jederzeit vor, auch wenn die trotzkistische Variante im Vergleich zur damals dominanten maoistisch-stalinistischen geradezu liberal anmutete.

Ich schweife ab!

Das „Schillingschoklädle“ von Bensdorp; ich bevorzugte die grüne Variante mit Nuss

Die Bensdorp-Schokolade enthielt, wie man dem Aufdruck auf der Packung entnehmen konnte, tierische Fette, was mich aber weder besonders ekelte, noch vom Genuss abhielt. Diese Schokoladen, im Vorarlberg meiner Jugend „Schilling-Schokolädle“ genannt, weil sie nur einen Schilling kosteten, wurden, um den Preis zu halten, zwar immer dünner, gehörten aber zu jenem Bereich der Süßwaren, die wir uns als Kinder leisten konnten. Es gab sie in Blau (Vollmilch) und Grün (mit Nüssen). Ich nahm immer Grün. Manner war natürlich mit seinen stollwerckartigen, in weißes Wachspapier mit blauem Schriftzug-Aufdruck eingeschlagenen, extrem zähen Karamellbonbons um zehn Groschen das Stück ziemlich unschlagbar.

Ich schweife ab und bin doch glücklich bei Manner und damit wieder bei meiner Waldviertler Geschichte vom Schweinebauern gelandet. Der gute Mann fügte dem Futter für seine Schweine nämlich säckeweise Mannerschnitten-Bruch bei, den er direkt und günstig von der Wiener Mannerfabrik bezog. So will es die Fama, und da dies nur eine Geschichte ist, habe ich sie nicht überprüft.

Das Schweinefleisch aus seiner Produktion war beliebt, es galt als fein, und auch die Schweine fühlten sich mit diesem Futter in ihrem kurzen Leben wohl, das ja, wie diese intelligenten Tiere wohl wissen, gnadenlos auf den Punkt des Abgekrageltwerdens zusteuert. Da ist man vorher für jede Süßigkeit dankbar.

Foto @ Irena Rosc

Einmal verkaufte der Bauer einem Nachbarn ein prächtiges Schwein, eine richtige Sau, wie jener weiland Bundeskanzler so gültig formulierte, dessen Name sich praktischerweise auf „Brüssel“, wo der Ausspruch fiel, und auf „Rüssel“ reimte. Bald kam der Saukäufer empört zurück und wollte den Kauf rückgängig machen. Die Sau fräße sein Futter nicht, sein prächtiges, seit Jahrzehnten erprobtes Schweinefutter (wir wollen nicht genauer wissen, was es war).

Das ist einfach, lachte der Verkäufer. Du musst dem Futter nur etwas beifügen. Ich zeige dir, was. Und er gab ihm einen Sack mit Manner-Schnittenbruch. Der Käufer mengte ihn ins Futter, und siehe, die Sau fraß es mit Behagen. Ob es Zitronen-, Haselnuss- oder gar Kaffee-Bruch war, wurde aus der Geschichte nicht klar und bleibt für ewig unerforscht. Geheimnis der Mannerschnitte!

Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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