Isolation ist nicht gleich Quarantäne, und andere Klarstellungen des Virologen
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 135
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Es können nicht immer Schnitten sein. Dies hier, Leute, ist eine Seuchenkolumne, und sie bietet neben Lyrik, Musik (zu selten), Politik-, Tier- und Alltagskunde immer wieder die Interventionen des Virologen Robert Zangerle von der Uni Innsbruck. Er wirkt durch Aufklärung der hiesigen Schlamperei entgegen und hat hier diesbezüglich hier schon viel geleistet, wofür ich ihm wirklich dankbar bin (Nr. 60, 61, 89, 93, 104, 106, 120, 121 zum Beispiel, Links sind unten) . Heute erklärt er den Unterschied zwischen Quarantäne und Isolation, zitiert einen Vorarlberger Verhaltensökonomen von Weltruf, der in Wien angefangen hat (Ernst Fehr, beim Roten Börsenkrach), und schildert, auf wen die Verwahrlosung des Sozialministeriums zurückzuführen ist, mit der sich Minister Rudolf Anschober herumschlagen muss. (AT)
»TRIQ (Testen, Rückverfolgen (Contact Tracing), Isolation und Quarantäne) wurde hier bereits einige Male erwähnt und besprochen. Es ist wichtig, sich näher mit Aspekten der Isolation und Quarantäne zu beschäftigen, den für die Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 wichtigen Teil von TRIQ: Erkennen und Unterbrechen der Übertragungsketten, um die Verbreitung des neuen Coronavirus unter Kontrolle zu halten.
Gerade die Quarantäne von Einreisenden/Rückkehrern hat in den letzten Tagen zu vielen Diskussion geführt. In der arg vermurksten Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 taucht immerhin der Begriff Quarantäne erstmals in einer Rechtsvorschrift auf. Wie bitte? Ja, weil nach gängigen Rechtsvorschriften unverändert der sonderbare, verstaubte Begriff „Absonderung“ gilt, der sowohl Isolation als auch Quarantäne umfasst.
Es verwundert nicht, geht der Begriff Absonderung, als zentrale Maßnahme des Epidemiegesetzes, doch auf ein Gesetz „betreffend die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ vom 14. April 1913 zurück. Für sinnvoll hält Christoph Grabenwarter, Präsident des Verfassungsgerichtshofs, deswegen eine Novelle des Epidemiegesetzes: „Unser Epidemiegesetz ist älter als die Bundesverfassung und die Salzburger Festspiele.“ Es würde nicht schaden, sich „Gedanken zu machen, ob man das nicht ins 21. Jahrhundert holen könnte“.
Isolation und Quarantäne sind jedoch in der Epidemiologie weltweit jeweils klar definiert und sind einander zwar ähnlich, aber nicht identisch. Isolation ist für Infizierte (sie haben es sicher); Quarantäne für Exponierte (sie haben es vielleicht). Die österreichischen Behörden sind durch jahrzehntelangen Gebrauch des Begriffes „Absonderung“ mit den international üblichen Termini noch nicht so vertraut, weshalb sie sie unterschiedlich verwenden, gelegentlich verwechseln, oder gar von ausländischen Instituten falsch abschreiben.
Ein ganz rezentes Beispiel hierfür liefert die Webseite des Sozialministeriums, wo die Frage Was ist Quarantäne, schlampig beantwortet wird, weil für die Unterbringung Kranke und „Ansteckungsverdächtige“ hier unnötig vermengt werden: „Quarantäne bedeutet, dass Personen, bei denen ein positives Testergebnis vorliegt oder die Kontakt zu einer infizierten Person hatten, durch einen Bescheid des Amtsarztes (Gesundheitsbehörde) für 14 Tage abgesondert werden. Bei schweren Fällen kann das ein Krankenhaus sein, bei milden Symptomen können diese Personen eine Heimquarantäne auch zu Hause verbringen.“ Ein anderes Beispiel beschreibt die derzeit gültige Empfehlung für eine Entlassung aus dem Krankenhaus bzw. aus der häuslichen Absonderung von COVID-19-Fällen statt das als Aufhebung der Isolierung zu beschreiben, so wie im Original des Robert-Koch Instituts.
Semantik? Nein, oder weiß jemand, wie viele im Rahmen des St.Wolfgang-Clusters in Isolation sind und wie viele in Quarantäne? Da man das ständig vermischt, werden wir oft verwirrt, oder für blöd verkauft. Das gehört korrekt auseinander gehalten. Die Menschen brauchen dazu wesentlich mehr und kontinuierlich Aufklärung, um im Fall des Falles vorbereitet zu sein. Auch das darf nicht zur Floskel werden. Sich testen lassen und in Isolation oder Quarantäne zu gehen ist in erster Linie ein altruistischer Akt zum Schutz anderer Leute und bietet kaum direkten Nutzen für das Individuum. Es ist deshalb essentiell, dass alle rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken für dieses Verhalten so weit wie nur möglich reduziert werden. Personen, die sich in Quarantäne und Isolation begeben, müssen vor Stellenverlust und Einkommensverlust geschützt sein.
Ernst Fehr, einer der renommiertesten Ökonomen, hat den Trittbrettfahrer im Labor studiert – ein Typ Mensch, der während der Corona-Krise seine hohe Zeit erlebt. „Bei der Quarantäne ist die Gefahr des Trittbrettfahrens groß“ meinte er zuletzt in einem Interview und sagte weiters: „Das Problem sind heute nicht die wenigen, die keine Maske im öffentlichen Verkehr tragen, sondern jene, die sich nach einer möglichen Infektion nicht in Quarantäne begeben – oder sogar noch in Restaurants und Fitnessstudios. Das ist eine ausgeprägte Form unverantwortlichen Handelns und muss selbstverständlich sanktioniert werden.“
Wie läuft die Quarantäne ab?
Bescheide über Quarantänemaßnahmen (Bescheide über die Absonderung und Bescheide über Verkehrsbeschränkungen) werden mittels RSb-Schreiben zugestellt.
Im Falle einer 14-tägigen selbstüberwachten Heimquarantäne ist die Beachtung dieser Regeln sinnvoll:
Kein Verlassen der Wohnung.
Empfangen Sie keinen Besuch.
Falls Sie mit anderen Personen in einer Wohnung zusammenleben, so betreiben Sie physische Distanzierung (möglichst Aufenthalt in anderen Räumen).
Benutzen Sie die sanitäre Einrichtung zeitlich getrennt von anderen Familienmitgliedern.
Benutzen Sie Hygieneartikel (auch Handtücher) nur personenbezogen.
Benutzen Sie ein Papiertaschentuch oder husten/niesen Sie in die Ellenbeuge. Anschließend das Papiertaschentuch in einem separaten Müllbeutel entsorgen.
Waschen Sie häufig die Hände, jedenfalls nach dem Niesen und Husten, vor dem Essen und nach jedem Toilettengang.
Falls Sie konkrete Symptome verspüren, wenden Sie sich bitte an die Hotline 1450.
Die Versorgung sollte von Angehörigen oder Nachbarn übernommen werden. Wenn das nicht möglich ist, können Sie sich an das Team Österreich (Initiative von Rotem Kreuz und Hitradio Ö3) unter der Nummer: 0800 600 600 (kostenlos, täglich 7-19 Uhr) wenden.
Im Unterschied zu Österreich verhängt in der Schweiz die kantonale Gesundheitsbehörde die Quarantäne für 10 und nicht für 14 Tage. Ein negatives Testergebnis verkürzt dort die Dauer der Quarantäne nicht. Jedenfalls ist diese Verkürzung weit weniger riskant als das Freikaufen durch eine Momentaufnahme mit einem Coronatest, wie das die Einreiseverordnung in Österreich, auch repariert, vorsieht. „Die Inhalte werden aber bleiben. Mittelfristig soll sie auf neue Beine gestellt und lesbarer werden“ so Rudolf Anschober nach Eingeständnis von vielen Fehlern in seinem Ministerium.
Beate-Hartinger-Klein, blaue Gesundheits- und Sozialministerin der Regierung Kurz I. Sie verantwortet die Verwahrlosung von Teilen dieses Ministeriums. Foto © APA
Teile des Gesundheitsministeriums sind mehr oder weniger verwahrlost: Hartinger-Klein hat aus drei für Gesundheit zuständigen Sektionen zwei gemacht. Dabei scheint sie, ganz nach ihren Qualifikationen, offenbar die einzelnen Abteilungen durch Auslosen jeweils einer der beiden übriggebliebenen Sektionen zugeordnet zu haben. So ist Minister Rudolf Anschober gestartet, eine der beiden Sektionen ist seit über ein Jahr ohne Leitung! Die Regierung Bierlein hat die Besetzung auch dieses Chefpostens an die nächste Regierung delegiert und somit einen beträchtlichen Kollateralschaden für die öffentliche Gesundheit in Kauf genommen.
In der Schweiz kann man sich Anweisungen für die Isolation und für die Quarantäne beim Bundesamt für Gesundheit herunter laden. Die Schweiz bemüht sich, die Anweisungen für die Quarantäne allen Einreisenden bekannt zu machen. Die Vollständigkeit dieser Bekanntmachung wird zwar angezweifelt, es haben sich trotzdem schon Tausende bei den kantonalen Behörden gemeldet und sind in Quarantäne. Und in Österreich? „Was für uns (den Zoll, Anm.) natürlich eine Veränderung ist, ist die intensive Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden, wo wir versuchen, Reisende herauszufiltern, die unter die neuen Einreisebedingungen fallen und in weiterer Folge von den Organen der Gesundheitsbehörde kontrolliert werden.“ Ob das der richtige Weg sein kann?«
Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!
Ihr Armin Thurnher