Und nun zu etwas ganz anderem: zur Linde.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 113

Armin Thurnher
am 07.07.2020

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Die Linde

Am Abend des nämlichen Tages

zogen dunkle Wolken auf.

*

Diese Linde,

steht man unter ihrer Kuppel,

dröhnt wie ein Raumschiff sie

vom Summen Tausender Bienen.

Zu den Bienen möchte ich anmerken,

dass sie ins Mauerwerk Löcher machen

nein, besser, sie finden vorhandene

und nagen sie auf, vergrößern sie

in einem Tempo, das einem

in Kenntnis der Härte des alten Putzes

und des Mauerwerks vorkommt

wie Wunderwerk. Jedenfalls

haben sie es geschafft, an drei Stellen

Stöcke in unseren Mauern zu bauen.

Im Winter, wenn sie schlafen,

sah ich einmal einen Specht,

der von außen hineinpickte und

herausholte, was er erwischte;

Honig, Larven, Leckereien.

Sie konnten ihn nicht daran hindern.

Ein andermal brüteten Falken

im Stock, früh im Frühjahr, angelockt

durch die Wärme. Die Jungen flogen aus,

ehe die Bienen zu schwärmen begannen.

Wie ich dies schreibe, summt das Gebläse

meines alten Computers, aber nicht

zu vergleichen mit dem Gesumm in der Linde.

*

Foto privat

Unter der Linde steht meine Frau,

sie pflückt die Blüten

die sie trocknet für Lindenblütentee

der uns schwitzen macht im Winter,

hilfreich bei Fieber und Erkältung,

Medizin aus dem lindgrünen Raumschiff,

aber keine Hilfe gegen Corona.

Die Wiese, in der sie steht, ist ein Rasen.

Heuer ließ ich ihn wachsen,

weil die Caritas seuchenbedingt

nicht erschien. Die Grüne Gruppe

mäht sonst maschinenreich das Gelände.

Nun bin ich an der Reihe,

mit einem Balkenmäher, den ich

im Internet kaufte. Er trägt einen

deutschen Namen, stammt aber aus der

tschechischen Republik, wo sie

stolz sind auf ihre Ingenieurskunst.

*

Uns Österreicher halten sie

für Beamte und Bauern, was zutraf

in Zeiten der Monarchie und noch immer

zutrifft im Waldviertel,

wo die Linde steht, kleine Schwester

jener 200jährigen Riesin, die ein Sturm

vor ein paar Jahren niederriss.

Die Tschechen verstehen nicht,

warum wir Bauern ihnen nicht zutrauen

sichere AKW zu bauen, den Ingenieuren.

Die Linde blüh’ und gedeihe, auch wenn

die tschechischen AKW nicht weit sind

und die Bevölkerung hier

große Bäume bis vor kurzem

als Umweltproblem sah: denn Blätter

verschmutzen im Herbst die Straße.

*

Manches wird anders geschwinde,

auch dafür steht sie, die Linde,

auf die fast so gerne ich schau

wie darunter auf meine Frau.


Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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