Hüben und drüben – Corona Apps in der Schweiz und bei uns

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 104

Armin Thurnher
am 28.06.2020

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Sobotka war gerade in der Schweiz, um über Corona zu sprechen. Das ist insofern beruhigend, weil dabei sicher nichts herauskam. Das ist beunruhigend, weil solche Leute sich berechtigt fühlen, an unserer Existenz herumzudoktern. Höchste Zeit, wieder einmal den Virologen ans Wort zu lassen. Dies hier ist ja eine Seuchenkolumne auch im buchstäblichen Sinn! Robert Zangerle, emeritierter Universitäts-Professor, Virologe und HIV-Kapazität  von der Uni Innsbruck, seit Beginn der Pandemie hier mein Gesprächspartner, hat mir einen langen Brief zur Lage geschrieben. Er wird in zwei Teilen veröffentlicht. Heute geht es um die neue Schweizer App und die Unklarheiten und Schwammigkeiten unserer Behörden im Umgang mit der unseren.

Lieber später, aber besser. Seit 25.6. verfügbar: die Schweizer Corona App

Der Noch-Präsident des österreichischen Nationalrats mit seiner Schweizer Amtskollegin Isabelle Moret, Foto © P-Dion Zinner

„Die Schweizer Republik hat gerade ein gutes, aufklärende Stück gebracht. In Lettland beklagt man sich, dass Apple und Google den Staaten vorschreiben, wie sie das elektronische Tracing gestalten müssen.

Die bisherige Technik ließ keine akzeptable Funktionstüchtigkeit der App zu. Gestern begann mit dem Roll out der SwissCovid App sozusagen ein neues Zeitalter. Die SwissCovid App wurde im Auftrag des BAG (Bundesamt für Gesundheit) in Zusammenarbeit mit dem BIT (Bundesamt für Informatik und Telekommunikation und den beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen Zürich und Lausanne sowie der Schweizer Firma Ubique entwickelt.

Eine App ergänzt die bisherige Kontaktsuche und ist mehr oder weniger mit der „herkömmlichen“ Kontaktsuche verwoben. Man sollte alle Möglichkeiten nutzen, um die Verbreitung von Covid-19 einzudämmen, also auch eine App.

So funktioniert die Schweizer App: ,Eine Meldung wird ausgelöst, wenn die App-Nutzerin oder der App-Nutzer innerhalb eines Tages insgesamt mindestens 15 Minuten mit einem Abstand von weniger als 1,5 Metern in der Nähe von mindestens einer infizierten Person war. Es kann sein, dass man an einem Tag mehreren infizierten Personen für weniger als 15 Minuten begegnet ist. Da diese Kontakte gesamthaft länger als 15 Minuten dauerten, informiert die SwissCovid App, dass die Möglichkeit einer Ansteckung besteht.‘ (BAG)

Und bei uns? Wenn man die Meldung bekommt, dass man Kontakt mit einer positiven Person hatte, kann man sich zwar eigenständig 2 Wochen in Quarantäne begeben, aber kein Arbeitgeber wird dafür gerade stehen. Arbeitsrechtlich ist die Quarantäne bei uns erst dann abgedeckt, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde einen Bescheid zur ,Absonderung‘ ausstellt. Beim derzeitigen Stand bleibt völlig offen, wie Bezirksverwaltungsbehörden auf anonyme Verständigungen am Handy reagieren werden, wenn Betroffene ihnen von der Meldung am Handy berichten, die Behörden jedoch keine andere Informationen zur potentiellen Kontaktperson haben. Müssen die Meldenden hoffen, dass es österreichisch gelöst wird, mit einem ,a bisserl was geht immer‘?

Da ist man in der Schweiz als App-Benutzer schon glaubwürdiger, weil die App systematisch verhindert, Fehler oder gar Manipulationen einzugeben: ,Wird eine SwissCovid App-Nutzerin oder ein -Nutzer positiv auf das Coronavirus getestet, erhält diese Person von den kantonalen Behörden den Covidcode (Freigabecode). Nur mit dem Covidcode kann sie oder er die Benachrichtigungsfunktion in der App aktivieren. Dadurch warnt die Person andere App-Nutzerinnen/-Nutzer, mit der sie während der Ansteckungsphase (zwei Tage vor Ausbruch der Krankheitssymptome) in engem Kontakt stand. Mit Eingabe des Covidcodes erfolgt die Benachrichtigung an diese automatisch. Eine benachrichtigte Person erfährt nicht, von wem die Meldung stammt. Dennoch kann es sein, dass sich jemand anhand des Datums an die Person und den Kontakt erinnern kann.‘

Im Statement des Sozialministeriums zu Contact Tracing Apps vom 10. Juni findet man dazu nichts Substantielles, nur Andeutungen: ,In diesem Fall kann der App-User die von der App aufgezeichneten Kontakte über das potentielle Risiko informieren (,rote Warnung‘). Dadurch werden diese über einen bestätigten Infektionsfall informiert und haben die Möglichkeit entsprechend zu reagieren und sich bspw. an die Hotline 1450 zu wenden.‘

Die Kommunikation bezüglich Stopp Corona App ist in Österreich seit Monaten elendiglich vermurkst. Verantwortlich dafür sind nicht nur Antonella Mei-Pochtler ( ,Jeder wird eine App haben‘ ) und Wolfgang Sobotka (er plädierte für die Verpflichtung, die derzeit freiwillige Stopp Corona App des Roten Kreuzes zu nutzen ), sondern auch die Bundesregierung selbst. Sie bleibt hier verheerend unscharf.

Wir wissen nur, dass die Stopp Corona App weder vom Sozialministerium noch von der AGES beauftragt wurden: ,Das BMSGPK beabsichtigt, die vom Österreichischen Roten Kreuz entwickelte österreichische Lösung für eine Contact Tracing App (,Stopp-Corona-App) als zuständige nationale Gesundheitsbehörde entsprechend des nachfolgenden nationalen Kriterienkatalogs anzuerkennen und der Bevölkerung die freiwillige Nutzung dieser App zu empfehlen. Der Erfolg einer solchen App hängt von einer integrativen Kommunikation des BMSGPK ab, die von einer zivilgesellschaftlichen Allianz unter Einbindung relevanter Akteure getragen werden muss, wie z.B. Sozialpartnern, Gesundheitsdiensteanbieter, Apotheken, Österreichisches Rotes Kreuz, etc.‘

Dieser Schwurbelsprech ging mir früher auf die Nerven, jetzt geht er mir langsam an die Nieren.“

Demnächst folgt Teil 2. über die „zweite Welle“.

Für heute danke ich dem Virologen und wünsche einen schönen Sonntag.

Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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