Lernen Sie Geschichte, Herr Dichand!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 101

Armin Thurnher
am 25.06.2020

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In der Süddeutschen Zeitung erschien ein Interview mit Krone-Herausgeber und Miteigentümer Christoph Dichand. Dort sagte er auch: „Für den Falter war die Krone seit jeher ohnehin eine Art Reibebaum, der ihm gutgetan hat.“ Zur speziellen Art dieses Guttuns möchte ich ein paar Dinge nachtragen.

„So dick ist er, der Reibebaum“ – Christoph Dichand Foto @ Barbara Gindl / APA

Zweimal habe ich in dieser Kolumne „die Dichands“ erwähnt (die Kronen Zeitung natürlich viel öfter). Erst gestern, als der Kolumnist den zweifelhaften Akt setzte, sich selbst zum Hunderter zu gratulieren (sonst tat es ja niemand, schluchz), merkte ich über das Zusammenstellen von Leserbriefen an: „Ein Werk, das in der Kronen Zeitung einst der legendäre Herausgeber verrichtete, der ungekrönte Zwingvogt von Österreich, dessen kleiner Wilhelm Tell zu sein ich mir jahrzehntelang herausnahm (und mit seinen Kindern und Kindeskindern herausnehmen werde)…“ Diskret verschwieg ich, dass der alte Dichand Leserbriefe nicht nur zusammenstellte, sondern, wie es hieß, gern selbst verfasste. Er klagte den Falter. Als wir jedoch vor Gericht seine Sekretärin als Zeugin beantragten, zog er seine Klage zurück.

Ich kritisiere die Krone, weil Österreich die Schöpfung der Krone ist, was durch die Charakterisierung Franz Schuhs ergänzt werden muss, dass die Krone das Zentralorgan der österreichischen Gegenaufklärung darstellt. Wer in Österreich publiziert und die Krone nicht kritisiert, so lange sie ist, wie sie ist (und wenn sie es nicht mehr ist, ist sie nicht mehr), braucht sich nicht Publizist zu nennen, dachte ich mir. Also kritisierte ich die Krone aus Gründen des Selbstrespekts und der allgemeinen psychosozialen Hygiene. Vor vierzig Jahren, man glaube es oder nicht, tat das sonst kaum jemand.

Zuerst war die Antwort des Blattes harmlos. Man schwieg den Falter tot. Wenn man mich nannte, dann einen Kommunisten. Auch privat äußerte „der Alte“ dies gern: „Ausgezeichneter Journalist, leider Kommunist.“ Wer das für charmant hält, kennt Österreich nicht. Das freundlich ausgesprochene Verdikt galt als soziales Todesurteil. Hätte ich eine Karriere außerhalb des Falters gewollt, wäre daraus nichts geworden. Es ist nicht so, das ich im nicht-anrüchigen Alter nicht für die eine oder andere Spitzenposition bei Medien oder in der Politik im Gespräch gewesen wäre. Von vornherein aussichtslos, weil sich keiner die Feindschaft der Krone zuziehen wollte. Eine dieser komischen Episoden habe ich unter dem Titel „Wie ich einmal nicht Minister wurde“ in einem Buch beschrieben. Österreich, wie es ist.

Dass ich auf der Leserbriefseite der Krone später eine „fäkale Hyäne“ genannt wurde, war auch nicht übel. Dennoch stellte es die milieuadäquate, harmlosere Form der Auseinandersetzung in einem Blatt dar, das uns zum Muttertag mit völkischen Holzschnitten erfreute, zu Führers Geburtstag Gedichte brachte, und dessen führender Kolumnist behauptete, in den KZs der Nazis seien „nur verhältnismäßig wenige der jüdischen Opfer vergast“, der Rest sei „auf andere Weise umgebracht“ worden, „gewiss um kein Haar weniger barbarisch“. Die Charakterisierung des Falter als „Bolschewikenblattl“, wie sie der Kolumnist Michael Jeannée gern vornimmt, knüpft an demagogische Traditionen der 20-er und 30er Jahre an, als autoritäre Christlichsoziale wie Nationalsozialisten die Wiener Sozialdemokraten auf diese Weise diffamierten.

In der ernsthaftesten Form ihrer Attacken versuchte die Krone, den Falter juristisch umzubringen. Ihr Chefjustiziar hatte zuvor die Methode in einer Fachzeitschrift als juristischen Tötungsversuch beschrieben. Die Sache ist oft und oft dargestellt worden. Der Reibebaum hat auf die unter anderem von mir in Form meines letzten Satzes vorgebrachte Kritik reagiert. Der Reibebaum hat zurückgetreten, das hat dem Falter wohl Aufmerksamkeit gebracht. Gutgetan hat es ihm nicht.

Gutgetan hätte ihm eine gerechte Medienförderung, zum Beispiel. Aber die wird von Krone und Spießgesellen verhindert, weil sie sich seit Jahr und Tag die Taschen mit öffentlichem Geld füllen. Dieses Geld braucht er nicht, sagte Dichand der Süddeutschen; auch seine Frau Eva behauptete einmal, ihre Gratiszeitung heute käme gut ohne Stadt-Wien-Inserate aus. Die Inserenten in Stadt und Bund sollten die beiden endlich beim Wort nehmen.

Auch die Süddeutsche hätte ganz gut daran getan, Dichand darauf hinzuweisen, dass das Eigentum der Familie Dichand an der Krone auf mindestens ebenso dubiose Weise zustande kam wie das des in die Krone drängenden Rivalen Rene Benko, und dass die sich selbst berühmende Total-Unabhängigkeit stets an die Macht von Inserenten grenzt. Wir Kapitalismusfreunde wissen, was am Beginn aller großen Vermögen steht, und drücken gern ein Auge zu.

Wenn Dichand aber sagt, Michael Jeannée „gehört zum Markenzeichen der Krone, in der Wortwahl müssen wir nicht immer übereinstimmen“, kann man darauf nur antworten, ein solches Markenzeichen ist keine Hundemarke, es ist unterm Hund. Erinnern wir uns an Jeannées Glaubens- und Bekenntnissatz, als ein jugendlicher Einbrecher von einem Polizisten per Schuss in den Rücken getötet wurde: „Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist alt genug zum Sterben.“

Und wenn Dichand sagt, der von Jeannée geschmähte „Florian Klenk und Jeannée haben übrigens eine Gemeinsamkeit. Beide spitzen auf ihre Weise zu“, irrt er fundamental. Hier geht es nicht um einen persönlichen Konflikt zweier „Kollegen“, der eine halt zufällig Faschist, der andere ein Linker, aber im Prinzip das gleiche Gesindel im gleichen Racket.

Nein. Hier geht es um zwei einander komplett entgegengesetzte publizistische Welten. Auf der einen die Welt der Verführung, der Verdunkelung, des Radikalopportunismus und des Geschäftemachens als oberstem Prinzip. Auf der anderen der Versuch, publizistisch bei der Aufklärung zu bleiben und diesen Versuch über das Geschäft zu stellen.

Ich danke der Süddeutschen für dieses Interview; wer bezweifelt, dass Christoph Dichand „Krone kann“, sieht hier, dass er schon dazulernt. Nicht an mir! Es drängt mich, zu fast jedem Satz darin etwas sagen, und vielleicht mache ich das auch noch einmal. Für heute reicht’s.

Weiterhin: keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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