Ich bitte euch, glaubt an diese Regierung!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 90

Armin Thurnher
am 14.06.2020

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Es ist eine alte Bauernregel, gereimt habe ich sie mir nicht gemerkt, nur dem Sinn nach. Wenn es zur kalten Sophie regnet, bleibt es 40 Tage feucht. Stimmt heuer. Vorbei die Trockenheit, alles wächst und sprießt, zwischendurch ausbrechende Tropenhitze tut ein Übriges. Wir haben sämtliche Jungvögel vor dem Kater gerettet; am stärksten strapazierten zuletzt die Rotschwänzchen unsere Nerven. Die Eltern fütterten, sangen und schrillten ihr tk-tk-tk, dass es uns in den Ohren gellte. Ihr Nest haben sie vis-à-vis dem der Schwalben gebaut. Jetzt sind beide Nester leer und im Hof hört nicht mehr viel von ihnen.

Auch der Kanzler ist stiller geworden dieser Tage; vielleicht geht ihm die Zeit der Seuche nahe. Es ist allerhand aufzuarbeiten, und die Arbeit wird immer mehr. Die Umfragedaten sinken, für seine Art der Politik ein Alarmzeichen. Seine Politik besteht ja vornehmlich in der Antizipation ihrer öffentlichen Bewertung.

Gruppenfoto der österreichischen Bundesregierung, Kabinett Kurz II (noch mit Ulrike Lunacek). Foto: gv.at

Amtsträger, Minister und Ministerinnen um ihn herum tun mit beinahe jeder ihrer öffentlichen Äußerungen einen Dilettantismus dar, der ihre grünen Kolleginnen wie Inbilder entspannter Professionalität erscheinen lässt. Obwohl auch diese…

Die Integrationsministerin Susanne Raab ließ sich von der Kronen Zeitung zum Anteil „nichtdeutscher Umgangssprache“ von Wiener Schülerinnen und Schülern interviewen. Die junge Kollegin Maida Dedagic stellte ihr die richtige Frage, ob Mehrsprachigkeit nicht eine Bereicherung sei, worauf Raab die falsche Antwort gab. Wie gelernt, beharrte sie auf ihren irreführenden Statistiken und versuchte, das Gespräch durch Nichtbeantworten von Fragen und Beharren auf Blödsinn zu zerstören.

Die Arbeitsministerin Christine Aschbacher posierte im gleichen, mit öffentlicher Kohle wohlfinanzierten Blatt mit einer vorgeblichen armen Familie, die aber aus dem Umfeld ihrer steirischen ÖVP handverlesen war, und drückte dem Baby ein paar Hunderter in die Hand. Ihre Rechtfertigungsversuche, die Familie habe die Hilfe erhalten und das Kind habe halt nach dem Geld gegriffen, machten die Sache nur schlimmer.

Während sie in deutschen TV-Sendungen mit zunehmendem Gusto über Ischgl als Infektionsherd Europas berichten, tut der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter nach wie vor so, als sei alles in Ordnung und als hätten er und die Seinen alles richtig gemacht.

Das niederösterreichische Apltraumpaar, Wolfgang Sobotka und Karl Nehammer, erlebte seinen großen Auftritt. Sobotka, der parteiischste Nationalratspräsident der zweiten Republik, ließ es sich nicht nehmen, den Ibiza- Untersuchungsausschuss zu leiten und tat, was er konnte, um in Bedrängnis geratenen Parteifreunden zu helfen und die Versuche der Abgeordneten Steffi Krisper (Neos) und Kai-Jan Krainer (SPÖ) zu behindern, die Wahrheit zu finden.

Innenminister Karl Nehammer brauchte zehn Minuten intensiver Befragung, um zuzugeben, dass seine Beamten das Ibiza-Video schon seit Wochen hatten, ohne dass der Innenminister es seiner Kollein Alma Zadic mitteilte. Sie leitet als Justizministerin immerhin die Untersuchungen.

Der Außenminister Alexander Schallenberg tritt vor und empfiehlt Reisenden, den Hausverstand zu gebrauchen, ohne genau zu sagen, was der sein soll und wie er gebraucht werden sollte; er kann das machen, denn würden die Österreicherinnen und Österreicher diesen Hausverstand gebrauchen, sähe die Regierung anders aus. Zudem weigerte sich der hausverständige Diplomat mit der gepflegten Sprache, die USA wegen der öffentlichen Ermordrung des George Floyd und generell wegen strukturellem Rassismus zu kritisieren; man kritisiere China und Russland ja auch nicht.

Auf europäischer Ebene hat Schallenberg ohnehin nichts zu melden. Da wird uns Frau Karoline Edtstadler vorgesetzt , die versuchte, während ihre Kollegen Sobotka und Nehammer türkise Nebelwolken ausstießen, uns mit der Ankündigung eines Transparenzgesetzes abzulenken, von dem sie nichts Transparentes mitzuteilen wusste. Das kann nur einer österreichischen Ministerin einfallen: ein Transparenzgesetz als Mittel der Vernebelung.

Europapolitik ist ja Sache des schweigsamen Spitzenpaars. Gernot Blümel, der Finanzminister, hat schon ein Pech. Erst machte ihm Corona sein Budget zunichte, dann wollte sich das Parlament nicht mit seinen Gammelzahlen abspeisen lassen, dann vergaß er ein paar Nullen, und Zeit, auf Wien hinzuhauen, hatte er auch keine, das musste er Nehammer überlassen. Blümel soll zwar dort als VP-Spitzenkandidat antreten, aber er schweigt und lässt sich von der Lufthansa bei der AUA-„Rettung“ über den Tisch ziehen.

Auch zur Europapolitik hört man von ihm nicht viel. Hier redet Sebastian Kurz. Dessen Europapolitik der vorgeblichen Sparsamkeit ist nur der gedankenlose Versuch, die Rettung des europäischen Projekts aus Sucht nach innenpolitischem Kleingeld zu sabotieren. Zum Schlamassel seiner Dilettanten-Trabanten (die Juwelen Köstinger, Schramböck, Tanner, Fassmann und Brunner blieben unerwähnt) schweigt Kurz. Verständlich.

Aus dem U-Ausschuss droht Ungemach, taucht er am Ende doch auf, der SMS-Verkehr mit Heinz-Christian Strache, von dem man mittlerweile alles andere weiß? Der Boulevard wird demnächst Straches Träume, Lektüre, Lieblingsspeisen und Sexualvorlieben offenbaren. Alles, fast alles wissen wir über Strache, nur seinen SMS-Verkehr mit dem Kanzler kennen wir nicht.

Kurz selbst könnte sie ja aufgehoben haben, die SMS, schon aus zeitgeschichtlicher Verantwortung, denkt man als kleiner Maxi. Der Textbotschaften-Verkehr mit einem Vizekanzler kann doch nichts Verdächtiges darstellen, der muss sich doch jederzeit herzeigen lassen? Transparenzgöttin Edtstadler könnte ihn veröffentlichen! Er wird doch nicht in den Shredder gefallen sein?

Das ist denkunmöglich. Meine These: Sebastian Kurz schweigt nur vorübergehend, weil er seinen SMS-Verkehr mit Strache sichert, sichtet und demnächst uns, der staunenden und beeindruckten Öffentlichkeit übergibt. Auf dass unser aller Schöpfertum, nämlich das Verdachtschöpfertum, in sich zusammenbreche. Alte Bauernregel:

Was immer im Herzen der Kanzler tragt

er stets seinem braven Volke sagt!

Seid nicht verzagt!

Weiterhin: Keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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