Herr Sobotka, treten Sie ab!
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 86
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Gern würde ich von den Rotschwänzchen berichten, den letzten im heurigen Vogelzyklus. Nach denen der Falken, Schwalben und Bachstelzen sind bald ihre Jungen flügge. Seit Tagen lärmen die Eltern im Hof und fliegen zum Nest, um die Jungen zu füttern. Kater Hannibal und ich sind nervös, er will die Jungen fressen, ich will sie schützen. Jedes Jahr das gleiche. Aber ich bin entschlossen, nachdem ich die Bachstelzenküken durchgebracht habe (alle vier!), auch die Rotschwänzchen zu retten (es sind drei).
Ich gebe zu, das steigert meine Gelassenheit nicht. Wie kann man in diesen Tagen gelassen sein? Der Ibiza-Ausschuss im Parlament kostet jede Menge Nerven. Erstens bin ich auf Berichte anderer angewiesen. Zweitens lese ich diese Berichte, gern auch die des Kollegen Klenk, und je mehr ich lese, desto schlimmer wird es.
Ein Zentrum des Zorns ist Wolfgang Sobotka. Sobotka, der militante Musensohn, Musiklehrer von Ausbildung und Niederösterreicher von Herkunft, Parlamentspräsident. Spätere Generationen werden unsere Epoche mit diesem Satz charakterisieren können: Nationalratspräsident war Wolfgang Sobotka.
Von einem Nationalratspräsidenten erwartet man, dass er, obgleich er naturgemäß einer Partei angehörig, doch versucht, in seiner Amtsführung eine gewisse Ausgeglichenheit zu zeigen und damit die sogenannten Würde des Hauses auszudrücken oder darzustellen.
Sobotka war schon als Besetzung eine Provokation. Er hatte sich als Innenminister hergegeben, die Speerspitze von Intrigen der Kurz-Fraktion zu machen und jeden Versuch der damals von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner geführten ÖVP zu sabotieren, der Regierung des Kanzlers Christian Kern (SPÖ) auch nur den geringsten Erfolg zu gönnen. Käme Sobotka bei Asterix vor, hieße er Destructivus. Sobotka war beim Putsch des Außenministers Kurz dessen Dolchträger.
Als Innenminister zeigte Sobotka, was er konnte, als er die in seinen eigenen Worten „beschämende“ Wiederholung der Wahl zum Bundespräsidenten verantworten musste und uns anschließend noch das Debakel mangelhafter Briefwahlkuverts einbrockte. Zuvor hatte er als Finanzlandesrat in Niederösterreich eine Milliarde in den Sand gesetzt.
Als Nationalratspräsident erwies er sich als Sebastian Kurz’ zweite Wahl. Der zeigte, was er vom Parlament hielt, als er Elisabeth Köstinger zur Nationalratspräsidentin machte. Diese, für jedermann als überforderte Platzhalterin erkenntlich, wurde uns im türkisen Neusprech (und von ihr selbst) als ewige Herzenslösung präsentiert, ehe ihr nach wenigen Wochen Herr Sobotka nachfolgte, an dieser Stelle in jeder Hinsicht ungeeignet, außer als die leibhaftige Provokation. Er wurde mit 61,3 Prozent zum Nationalratspräsidenten gewählt, mit dem schlechtesten Ergebnis der Geschichte.
Sein türkises Stecktuch und die türkise Fassung seiner Brille als äußerliche Abzeichen entschlossener Parteilichkeit sind ungefähr so staatsmännisch, als hätte Heinz Fischer stets eine rote Flagge mit drei Pfeilen vor sich aufgestellt oder als trüge Alexander Van der Bellen eine Regenbogenfahne als Krawatte.
Herr Sobotka verhöhnt uns schon durch seine bloße Erscheinung. Meistens sieht er uns an wie ein zum Boxen entschlossener Provokateur, zähnefletschend vor gutgelaunter Aggression, sich seiner Wirkung voll bewusst und im Vollbesitz seiner Abgesichertheit, die ihm das Provozieren offenbar zum Spaß macht.
Dass ein derart entschlossener Parteigänger sich zum Vorsitzenden eines Ausschusses wählen ließ, der die Machinationen einer Ära untersuchen soll, in der Sobotka selbst der Regierung angehörte, war eine weitere Provokation. Die Abgeordneten Kai-Jan Krainer (SPÖ) und Steffie Krisper (Neos) protestierten vergebens dagegen. Krisper sagte (zum Beispiel in der Presse) schon am 23.5 dieses Jahres: „Sobotka ist Präsident des Alois-Mock -Instituts, dessen Zeitschrift Report im Jahr 2019 mehrfach mit üppigen Novomatic-Inseraten bedacht wurde. Und Sobotka hat sich in seiner Zeit als niederösterreichischer Finanzlandesrat massiv gegen die damals für das kleine Glücksspiel zuständige Landesrätin Christa Kranzl gestellt, als diese im Jahr 2006 versuchte, den dubiosen Geschäftspraktiken der Novomatic Einhalt zu gebieten.“
Sobotka enttäuschte das Publikum nicht, führte den Ausschuss außerordentlich parteiisch und versuchte, die ÖVP zu schützen wo es ihm möglich war. Bis er gestern, gegen Mittag, auf einmal verschwand. Angeblich eines dringenden Termins wegen, und sich von einem Parteikollegen ersetzen ließ.
Bei der Einvernahme des Novomatic-Bosses Harald Neumann kam dann die Rede auf das Alois-Mock-Insitut, das von Novomatic durch Inserate gesponsert wurde. Vorsitzender bis März 2019: Wolfgang Sobotka. Als wäre das nicht genug, wurde zur gleichen Zeit, als Sobotka das Ausschusslokal verlassen hatte, der Namen des Domainverantwortlichen geändert.
Der Domaininhaber der Website des Mock-Instituts wurde gestern geändert. Alt: Bernhard Ebner …
… neu: Carina Wurz, GF des ÖAAV/Nö (via Mirza Buljubasic, Vorsitzender der Nö. SJ)
Verantwortlich ist nun nicht mehr VP-Niederösterreich-Geschäftsführer Ebner, sondern eine Carina Wurz, Geschäftsführerin des ÖVP Bundes ÖAAB in Niederösterreich.
Ich warte auf den Sturm, der diesen Untragbaren aus Österreichs Politik entfernt.
Ob Sobotkas Sprache eine bewusste Provokation darstellt, mag ich nicht entscheiden. Sätze wie diese, von ihm in einer ORF-Pressstunde geäußert, legen es nahe, denn sie behaupten, in ihrem windschiefen Bau dem Sinn nach gerade noch erkennbar, das Gegenteil dessen, wofür Wolfgang Sobotka als Person steht: „Das habe ich von Anfang an festgestellt und auch deutlich gemacht: In der Krise ist auch Demokratie nicht ausgeschaltet. Darüber sollten wir sehr, sehr froh sein, dass das möglich ist, dass unsere Strukturen vollkommen arbeiten und hier den Menschen Rechtssicherheit geben in einem Rechtsstaat.“
Sobotkas Rücktritt würde dieses Gefühl der Rechtssicherheit außerordentlich befördern.
Ich gehe jetzt den Kater trösten.