In Defense of Donald Trump

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 75

Armin Thurnher
am 30.05.2020

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Hilfe, Donald Trump übt Zensur aus! Youtube nimmt Michael Moore gratis ausgestrahlten neuen Film von der Seite – Zensur! Würde der ORF Herrn Strache nicht zur Ibiza-Debatte einladen, wäre das Zensur!

Tut mir leid, das ist alles Blödsinn. Zensur ist ein von staatlichen Stellen ausgeübter Eingriff in die Meinungsfreiheit. Wenn der amerikanische Präsident den Wunsch äußert, ein Gesetz möge geändert werden, ist das noch keine Zensur. Auch der Anlass war keine: Twitter, des Präsidenten vordergründig stärkstes Medium (in Wahrheit sind es Fox-News und Facebook), hatte zu einem von Trumps verrückten Tweets den Hinweis gestellt, dieser entspreche nicht den Fakten. Weiters hatte Twitter eine Kurznachricht des Präsidenten mit dem Hinweis versehen, es handle sich um „Hatespeech“, Verherrlichung von Gewalt. Man konnte den Tweet jedoch weiterhin durch Anklicken ansehen.

Montage @ Daily Beast

Worin bestand die Gewaltverherrlichung? In einem kleinen Gedicht. „When the looting starts, the shooting starts“ – volkstümlich gereimt, derb, aber gar nicht schlecht, muss man sagen. Androhung von physischer Gewalt staatlicherseits, um zivile Gewalt zu beenden, ist von Seiten eines Präsidenten legitim; was die Unterbindung gereimten Ausdrucks betrifft, ist mir keine gesetzliche Vorschrift bekannt (dass es sich um Polemik gegen den demokratischen Bürgermeister von Minneapolis und den demokratisch regierten Staat Minnesota handelt, versteht sich bei Trump von selbst).

Aber das ist eine Nebenfahrbahn; natürlich ist Trump irre, natürlich verherrlicht er Gewalt, aber das kann man auch seiner Art vorwerfen, sich hinzustellen und verächtlich „China“ zu sagen oder das in Großbuchstaben zu twittern: einfach CHINA und sonst nichts. Der Mann hat was Gewalttätig-Poetisches, was Lakonisches und was Wahnhaftes.

Wäre er nicht Präsident, sondern Chefredakteur einer literarischen Underground-Zeitschrift, wären wir alle besser dran.

Die Sache mit der Zensur ist damit aber nicht vom Tisch. In einer von Verdrehungen und Lügen durchfurchten Öffentlichkeit kommt alles durcheinander. Der Trend, andersdenkende Zeitgenossen massiv daran zu hindern, ihre Meinung zu äußern, darf nicht mit der Tatsache verwechselt werden, dass private Medienunternehmen das Recht haben, sprechen zu lassen, wen sie wollen. Und unterdrücken können, wen sie wollen. Die Kronen Zeitung zum Beispiel hat es vorgezogen, den Falter und mich jahrelang totzuschweigen. Ich besitze einen Brief des alten Dichand, in dem er mir erklärt, es wäre „ein zu großes Geschenk, mit mir öffentlich zu polemisieren“ – das hatte den Vorzug der Deutlichkeit, war aber nicht Zensur.

Erst wenn etwas keine Möglichkeit hat, überhaupt irgendwo zu erscheinen, kann man allenfalls von Zensur sprechen. Wir verdanken sie übrigens vor allem der Kirche, von der die feudalstaatlichen Autoritäten sie erst lernten. In der Antike war sie so nicht bekannt. Die liebreizenden Christen zerstörten im 4. und 5. Jahrhundert einen guten Teil der antiken Literatur für immer – aber auch das war keine formale Zensur, sondern nur die gewaltsame Durchsetzung ihres Meinungsmonopols. Dass man ihnen das nicht jeden Tag empört vorwirft, zeigt das Ausmaß ihres Sieges.

Von Meinungsmonopolen sollten wir sprechen. Denn in den Demokratien haben wir demokratische garantierte Meinungsfreiheit, und wir haben private Meinungsoligopole. Dass mittlerweile beides miteinander verwechselt wird, ist dramatisch. Die Social Media stellen wegen algorithmisierter Zuspitzung und radikaler Durchsetzung des antidemokratischen Prinzips, dass nur die Mehrheit zählt, eine Verdrehung und Verunstaltung des öffentlichen Gedankens dar. Sie werden aber für diesen selbst gehalten, weil sie scheinbar allen die Gelegenheit geben, öffentlich zu sprechen.

Zu wenig Platz in der ärmlichen Seuchenkolumne, das auszubreiten, und zu Pfingsten wollen wir ja in Zungen sprechen. Aber soviel Zeit muss sein: Donald Trump hat keine Zensur ausgeübt, er hat vielmehr eine Verordnung erlassen, eine Executive Order. Sie richtet sich indirekt an die FCC, die Kommunikationsbehörde. Und zwar mit dem Ziel, Section 230 des Communications Decency Act zu untersuchen, eines 1996 erlassenen Gesetzes, das Social-Media-Plattformen („interactive computer services“) juristische Immunität gegen Klagen wegen übler Nachrede in geposteten Nachrichten garantiert.

Was immer die Kommunikationsbehörde tut, es ändert noch nichts an diesem Gesetz selbst. Trump versucht naturgemäß, in seiner einschüchternden Art die Konzerne zu erpressen. Klagen bleiben aussichtslos, solange das Gesetz da ist. Trump verbreitet auch das Gerücht, die Konzerne würden rechte Inhalte zensurieren und linke bevorzugen. Das klingt so unwahrscheinlich, wie es ist.

Die Frage, ob Section 230 die Konzerne zu Unrecht schützt, kann aber gestellt werden. Nach meiner Ansicht sind Google, Facebook und Twitter nicht neutrale Plattformen, sondern klandestin operierende pseudoreaktionelle Organisationen, die ihre redaktionellen Maßnahmen auf Reichweitenmaximierung zwecks Gewinn aus Werbung ausrichten. Sie tun das so geschickt, dass ihr privates Recht aussieht wie Öffentlichkeit. Nur dass man als Sprechender in dieser „Öffentlichkeit“ sein Recht verloren hat. Trump hat seine Executive Order nicht in diesem Sinn gemeint. Aber er hat uns unwillentlich wieder einmal darauf hingewiesen.

Keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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