Hilfe: Zensur im Seuchen-Kasperl-TV!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 49

Armin Thurnher
am 04.05.2020

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Kaum hatte ich gestern meine Seuchenkolumne über den Untergang der Pressefreiheit ins Netz gestellt, teilte mir ein empörter Leser mit, ich möge mir doch bitte den Wegscheider ansehen. Der Wegscheider, das ist eine sogenannte Satiresendung, in welcher der Intendant des Senders Servus-TV das Beste aus dem Problem zu machen versucht, dass er kein Pokerface hat, aber davon überzeugt ist, eines zu haben. Er blufft sozusagen mit unzulänglichen Mitteln und schaut uns ständig an, als würde er Bedeutendes servieren, während er eine Platitüde nach der anderen aufträgt.

Pokerface Ferdinand Wegscheider, Servus-TV-Intendant und selbsternannter Satiriker

In der fraglichen Sendung ging es um Zensur, wie Wegscheider vorgab, in Wahrheit aber um Verschwörungstheorien. Die Plattformen YouTube (im Besitz von Google) und Twitter hatten nämlich ein von Wegscheider geführtes Interview unterdrückt.

Im Vorspann der Website von Servus TV wird der Sachverhalt so dargestellt: „Im neuen Wochenkommentar geht es um einen Talk mit dem Infektionsepidemiologen, Professor Sucharit Bhakdi, das seit Tagen die Wogen hoch gehen lässt. Seine kritischen Aussagen zur Corona-Krise und den umstrittenen Maßnahmen sind offenbar so brisant, dass das Interview mit dem renommierten Experten bei YouTube, Twitter und Co. gleich mehrfach gelöscht und blockiert worden ist.“

Das gebrochene Deutsch (einen Talk, das) und die phrasenschwammige Sprache (Wogen hoch) passen zum Sachverhalt. „Zensur“ sei das oder komme ihr nahe, raunt Pokerface in der Sendung. Aber das ist es eben nicht. Wenn YouTube, Facebook oder Twitter Meldungen unterdrücken, üben sie ihr Recht aus wie jedes andere Medium auch. Das Gegenteil wäre Publikationszwang nach sowjetischem Muster: alle bringen, was das Zentralkomitee vorschreibt.

Vielleicht habe ich mich in meinem Kommentar gestern nicht klar genug ausgedrückt: Zensur ist eine Maßnahme staatlicher Autorität. China übt Internetzensur aus. Das Problem des Westens besteht darin, dass der Staat seine (rechtsstaatliche) Autorität eben nicht oder zu wenig ausübt. Die rechtsstaatliche Autorität sollte für den Rahmen sorgen, in dem der Einzelne Recht erhält. Stattdessen überlässt er sie den Tech-Konzernen. Deren Macht ist bereits so groß, dass sie über die Rahmenbedingungen bei Wahlen entscheiden und die öffentliche Meinung durch und durch prägen. Zensur ist das aber ebensowenig, wie wenn Herr Wegscheider entscheidet, das eine auf seinem Sender zu bringen und das andere nicht.

Die Verwechslung entstand, weil viele Menschen auf den Irrtum verfielen, die digitalen Konzerne brächte eine bessere, fortschrittlichere, demokratischere Art Demokratie. Die Macht der Konzerne beherrscht auch deshalb in einem Maß die Öffentlichkeit, dass sie staatliche Autorität zu überwiegen beginnt. Der Staat dürfte sich nicht mit ihnen in fraglichen Allianzen verbünden, er müsste ihnen den rechtlichen Rahme bindend vorschreiben und ihre Versuche unterdrücken, eigenes Recht zu begründen. So viel Autorität hätte der Staat noch überall im Westen. Gerade die Corona-Krise hat das gezeigt.

Das von Herrn Wegscheider erhobene Zensurgeschrei lenkt genau von diesem Problem ab: dass Private sich zu viel Macht arrogieren. Die Thesen des von ihm eingeladenen „Infektionsepidemiologen“ Bhakdi wurden in der deutschen Öffentlichkeit breit diskutiert und für teils mehr, teils weniger stichhaltig befunden. Ein Höhepunkt von Bhakdis Kritik bestand darin, auf Wegscheiders pokerfacemäßig dargebotenes Stichwort treuherzig zu versichern, er wolle nicht glauben, dass Corona eine Riesenintrige zur Beförderung von Impfstoffprofiteuren wie Bill Gates sei. Darüber könnte man faktengestützt ganz gut reden, statt Unbewiesenes weinerlich zu bejammern.

Kein Wunder, dass auch Obernebelwerfer H. C. Strache Wegscheiders Stichwort aufnimmt. „Es riecht schon sehr nach Zensur, wenn regierungskritische Stimmen auf YouTube und Twitter gelöscht und blockiert werden. Und es soll niemand glauben, dass der Angriff auf die Meinungsfreiheit nach Corona zu Ende sein wird.“

Nein, das soll niemand glauben. Ich glaube etwas anderes. Ich glaube, dass Strache in der Öffentlichkeit sehr, sehr leise treten und sich aus Anstandsgründen von jedem politischen Amt fernhalten sollte. Da ich einsehe, dass der Mann einen aufwendigen Lebensstandard unterhalten muss, den er mit seinem erlernten Beruf als Zahntechniker nicht finanzieren kann, habe ich mir etwas für ihn überlegt.

Aber für heute ist es genug! Ich verkneife mir meinen Vorschlag zur Lösung des Strache-Problems (aufgemerkt, Herr Wegscheider, auch das ist keine Zensur!), und verschiebe ihn auf morgen.

Keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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