Bye, bye, Bernie!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 24

Armin Thurnher
am 09.04.2020

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Was ist das Schöne an der Seuchenkolumne? Für mich, dass der Tag mit ihr beginnt. Für die Falter-Redaktion, dass sie weiß, sie hat mehr Platz, weil ich nicht danach strebe, mehr als den mir zugemessenen Raum im Falter auf Kosten anderer Autorinnen in Anspruch zu nehmen. Ich bleibe auf mich beschränkt und publiziere doch, besser gesagt, komme mir doch publizistisch vor.

Das von Corona am meisten geplagte Land im Fokus unserer Aufmerksamkeit sind nun die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Wahnsinn Indiens oder Lateinamerikas bleibt weitgehend ausgeblendet, Afrika kann noch kommen. Aus dem offenbar am meisten betroffenen deutschen Bundesstaat Bayern zeigen sie uns Krankenhäuser, wo Ärzte angeblich die Wahl zwischen Leben und Tod treffen müssen, sie aber dann doch nicht treffen, weil eh noch ein paar Intensivbetten frei sind. Warum Bayern am meisten betroffen ist, wird nicht erklärt. Kann es damit zu tun haben, dass wie in Frankreich dort justament noch Gemeinderatswahlen abgehalten wurden, ehe Ministerpräsident Söder begann, sich mit allerlei Alleingängen als starker Mann Deutschlands zu profilieren?

Egal, man bangt als Zuseher mit den Schwarzen in den USA, die als deklassierte Risikogruppe eine weit höhere Sterblichkeit aufweisen als die Weiße Bevölkerung. Sie sind schlechter ernährt, also übergewichtig, mit mehr Vorerkrankungen. Dazu überproportional in helfenden und dienenden Risikoberufen beschäftigt, vom Supermarkt bis zur Rettung, also mit mehr Menschenkontakten. Und von allen Bevölkerungsgruppen am schlechtesten gebildet und versichert. Mit Rassismus hat das natürlich nichts zu tun.

Wer Geschichte als Abfolge paradoxer Ereignisse liest, bekommt jetzt mindestens zwei schöne exemplarische Begebenheiten dazu. Ausgerechnet die Schwarzen waren es nämlich, die der Kandidatur Bernie Sanders bei den Vorwahlen in South Carolina ein Ende bereiteten. Die Schwarzen waren es, die Sanders Idee einer Universal Healthcare eine Absage erteilten. Als hätten nicht gerade sie am meisten davon profitiert. Eine allgemeine, verpflichtende Gesundheitsversicherung etwa nach dem Muster Österreichs gilt in den USA als Radikalmarxismus.

Gestern machte Sanders offiziell, was Beobachtern schon längst klar war, er zog sich als Kandidat zurück. Sanders ist kein Corona-Opfer. Nichts wird es mit einem Linken an der Spitze der USA. Da ist es kein Trost, dass die USA nicht mehr die Hegemoniemacht von einst sind. Sie sind trotz Trump die Weltmacht Nummer 1, China hin oder her.

Und diese Weltmacht wird – obwohl Joe Biden derzeit in allen Umfragen mit sechs bis acht Prozent vor Trump führt – möglicherweise noch einmal vier Jahre lang von König Ubu

König Ubu in einer Zeichnung seines Erfinders, des Autors Alfred Jarry

regiert, dem Inbild des primitiven, feigen, gierigen ichsüchtigen Tyrannen. Zu schwach scheint der Kandidat Biden, und das ist keine Frage des Alters.

Hätte Sanders die Vorwahlen in South Carolina gewonnen, hätte er seinen bis dahin dauernden Höhenflug vermutlich fortgesetzt und wäre, hätte es das demokratische Partei-Establishment zugelassen, vielleicht tatsächlich nominiert worden. In der direkten Auseinandersetzung mit Trump hätte er bessere Figur gemacht als Biden. Über diesen schrieb das Magazin The Nation: „The reality of Biden feels considerably less safe than the idea of Biden“. Er bringt Fakten durcheinander, verwechselt Leute, hat Aussetzer. Keine guten Aussichten für die direkte Konfrontation mit dem mediengetragenen Ubu, dem Reichweitenkönig.

Nach diesem Absatz voller Konjunktive zurück zum Indikativ. Warum verlor Sanders South Carolina und die Nominierung? Erstens unterstützte der angesehene schwarze Kongress-Abgordnete James E. Clyburn am Vorabend der Wahl Biden. Clyburn ist keine Lobby fremd, er ist Fleisch vom Fleisch der Business affinen Demokraten, ein Mann der „Millionaires and Billionaires“, um es auf sanderisch zu sagen. Vor allem ältere schwarze Wähler folgten ihm. Zweitens, weil, wie The Nation schrieb, die Schwarzen besser wussten, wie die Weißen ticken als umgekehrt. Sie wollten einen gegen Trump, den die Weißen wählen, also Biden. Wir werden sehen, ob sie recht behalten.

Es wird nichts mehr mit Bernie, dem 78 Jahre alten jüdischen Sozialisten. In den Worten des US-Dichters August Kleinzahler, von dem auch Trumps Charakterisierung als Ubu stammt, flattert Bernie, „wenn aufgeregt, mit den Armen wie ein sehr großer Vogel, der sich müht abzuheben. Seine Rhetorik ist die eines exzessiv enthusiastischen Staatsbürgerkundelehrers einer Brooklyner Mittelschule zirka 1965. Die Millennials lieben ihn.“ Ich auch. Leider haben sie ihn nur geliebt und zu selten gewählt. Es wird nichts mit einem neuen F. D. Roosevelt, wie sehr die Welt so einen jetzt brauchen würde. Selten kommt Besseres nach.

Keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

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