Medienhilfe als Oligarchenhilfe

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 19

Armin Thurnher
am 04.04.2020

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Ich gebe zu, ich komme mir einigermaßen monomanisch vor, wenn ich jetzt noch einmal über Medienförderung schreibe. Aber da ich erstens richtig wütend bin, zweitens jetzt in den Social Media großes Erstaunen darüber herrscht, wer denn aller Pressförderung kassiert, und weil drittens die Szenen gestern im Parlament doch erstaunlich waren, lasse ich meinem Unmut noch einmal unfreien Lauf.

Als gestern die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger ans plexiglasbewehrte Pult des Nationalrats trat und ich ihren Gesichtsausdruck sah, wusste ich, was es geschlagen hatte. Es sei „kein Supermodell“, was da gerade beschlossen wurde, sagte sie verdrossen, das gebe sie gerne zu. „Wir müssen in Zukunft darüber reden.“ Auch Diskurs und Kritik müssten möglich sein, und vielen Dank an den ORF. Redezeit vorbei.

Diskurs und Kritik, das richtete sich an Profil, Falter und Co. Ich fühlte mich aufgemuntert, dass solche wie wir möglich sein müssen. Prima, danke dafür. Über alles weitere werden wir reden.

Was war der Politik da eingefallen? Nachdem die Regierung zuerst eine Förderung für ihre Lieblinge und „Diskurs“partner eingerichtet hatte, Krone, Heute, Österreich und den Rest der Tageszeitungen (man unterschätze nicht die bei Wahlen nötige Regionalmacht der Bundesländerzeitungen), intervenierten die Übersehenen, die Wochenzeitungen, die mit dem Diskurs ohne Anführungszeichen.

Über Nacht erhöhte dann die Koalition die vorhandene Vertriebsförderung für diese Übersehenen um 50 Prozent, insgesamt werden das 2,7 Millionen sein, einen Hauch weniger als die Kronen Zeitung allein bekommt. Die zuerst ausschließlich  für Tageszeitungen und TV-Sender vorgesehene Hilfe wurde leicht gekürzt, das Paket sieht nun so aus: Von insgesamt 32 Millionen Euro gehen 15 Millionen an kommerzielle Privatsender, 12,1 an Tageszeitungen, 2,7 an Wochenzeitungen und 2 an nicht kommerzielle Privatsender. (Details hier)

Die „Diskurs“partner Krone, Heute, Österreich erhalten ohnehin bisher zwischen 13 und 18 Millionen (pro Medium!) aus den 180 Millionen öffentliche Inserate, während solche Inserate dem Diskurs, in diesem Fall dem Falter, vorenthalten oder auf ein Minimum gestrichen werden. Die reguläre, nach gesetzlichen Kriterien vergebene Presseförderung für sämtliche Wochenzeitungen schrumpfte in den letzten Jahren auf acht Millionen, jetzt kommen 2,7 Mio. dazu. Kirchen-, Bauernbund- und Faschistenblätter inklusive.

Dass sich nun unsere faktenbasierten Spitzenjournalisten über etwas wundern,

was so seit Jahrzehnten so existiert (und im Falter seit Jahrzehnten beklagt wird), wundert mich nicht. Mediendinge, zum Beispiel Kartellbildung, diskutiert man im Land immer erst, wenn es zu spät ist.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erklärt den Leuten im eigenen Medium nicht, wozu man ihn braucht, und sein Corona-Wirken wird so schnell vergessen sei, wie man „Wir verabschieden uns bei unseren Zuschauern auf 3sat“ sagen kann. Nur in äußerster Bedrängnis rafft man sich zu dann exotisch anmutenden Diskussionsrunden auf, wenn es um die Abschaffung der Gis-Gebühren geht. Die übrigens Norbert Hofer lustig fordert, Parteichef des anderen Norbert, Norbert Steger immerhin ORF-Stiftungsratsvorsitzender.

Da wirkt es wie ein Zeichen, wenn die Regierung Privat-TV nach Art des Hauses Wofe fördert, das ja vor nichts zurückschrickt, was anständiger Journalismus verabscheut.

Da wirkt es wie ein Zeichen, wenn sie Konzerne stützt, die demnächst vielleicht Herr Berlusconi gehören. Dem „lieben Silvio“ hat ja schon Wolfgang Schüssel gern zu Wahlsiegen gratuliert. (Damit sage ich nichts gegen die braven Polit-Talksendungen und Formate, die sich im Privat-TV jetzt so schnell etablierten, wie sie bei Schlechtwetter verschwinden).

Da wirkt es wie ein Zeichen, wenn sie die nichtkommerziellen AV-Medien mit Brosamen abspeist.

Die Zeichen der Regierung sind leicht zu deuten: Sie will „Diskurs“-Medien, und das sind Krontschi, Wofe-Post und Evas Blatt. Sie will Oligarchen-Medien. Sie will keine Diskurs-Medien ohne Anführungszeichen.

Die Türkisen wollen keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk; sie brauchen ihn nur, solange er stark genug ist, um ihre Propaganda durchzubringen. Die Grünen haben keine medienpolitischen Ideen, freuen sich, wenn sie vorkommen und stehen im Überrumplungsfall nackt da. Die SPÖ schwankt zwischen Haberei mit den „Diskurs“-Medien und Stöhnen über diese, aber nur hinter den Kulissen. Die FPÖ will bloß freiheitliche Medienkontrolle. Von den Neos sind mir marktradikale Ideen zur Demontage des ORF in Erinnerung. Immerhin protestierte die Opposition gegen diese Medienhilfe.

Was sollte Medienförderung tun?

Medienförderung sollte den korrupten Markt nicht einzementieren, sondern korrigieren (das wäre doch die Aufgabe öffentlicher Förderung).

Medienförderung sollte nicht die Bühnen für Regierungspropaganda aufputzen und jene der Kritiker schwächen.

Medienförderung sollte nicht die Taschen von Oligarchen stopfen.

Medienförderung sollte trachten, redaktionellen Journalismus zu stützen, sei er analog oder digital publiziert, täglich, wöchentlich, monatlich oder sonstwann erscheinend. Dieser  Journalismus ist auch durch die Tech-Konzerne unter riesigen Druck geraten, die aus anderen Gründen ebenfalls den redaktionellen Journalismus zerschlagen wollen.


Ich habe gestern mit meinem Kollegen und Partner, Falter-Geschäftsführer Siegmar Schlager gesprochen. Der Falter schickt niemanden in Kurzarbeit, solange er nicht anders kann, obwohl das Modell Kurzarbeit zur Lukrierung zusätzlicher Gelder auf Kosten von Staat und Mitarbeitern geradezu aufgelegt scheint. Machen wir nicht. Dass das Ergebnis des Falter möglicherweise darunter leidet, nehmen wir in Kauf. Dass wir von der öffentlichen Hand dafür nicht nur bestraft, sondern auch verhöhnt werden, sind wir gewöhnt.

Wir danken allen, die den Falter abonnieren, bei uns inserieren, Bücher in unserem Shop bestellen und auf diese Weise ihre Unterstützung für unabhängige Publizistik ausdrücken.


Als ich heute früh diesen Artikel von Arundhati Roy las, trieb es mir die Tränen in die Augen. Wie Indien in Seuchenzeiten gequält wird – verglichen damit erscheint vieles andere lächerlich.

Keep distance, wash hands, stay human!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!